Herr Rosenthal, am 2. April wäre Ihr Vater Hans 100 Jahre alt geworden. Das ZDF zeigt jetzt den Spielfilm »Rosenthal« über den bekannten Quizmaster. Wie geht es Ihnen mit diesem Fernsehfilm?
Meine Schwester und ich sind wirklich glücklich damit, wie der Film zustande kam und wie mit der Geschichte unseres Vaters umgegangen wurde. Natürlich hatten wir beide uns im Vorfeld das Drehbuch angesehen und ein paar Sachen noch geändert, die unseren Vater nicht richtig wiedergegeben hätten. Andere Situationen, in denen sich mein Vater anders verhalten hätte, haben wir durchgewinkt, weil wir gesagt haben: Das passt in diese Fiktion.
Welche Passagen haben Ihren Vater nicht so ganz wiedergegeben?
Im Drehbuch war vorgesehen, dass er zu seinem Privatarzt kommt, im großen Ledersessel sitzt und sehr aufwendig empfangen wird. Dabei war er sehr, sehr bodenständig. Das heißt: Er wollte nicht besser sein als andere. Er war nicht einmal privat versichert. Er war Kassenpatient, weil er genauso behandelt werden wollte wie alle anderen. Es gab eine andere Szene, in der er wütend war über etwas, aus einer Besprechung kommt und einen Kabelträger heruntermacht. Er hätte niemals jemanden niedergemacht, der ihm zuarbeitet. Er hat immer gesagt, er hasst diese Leute, die nach oben buckeln und nach unten treten. Mein Vater nannte sie Radfahrer. Insgesamt aber sind wir mit dem Film sehr zufrieden, insbesondere auch mit der Darstellung von Florian Lukas …
… der Hans Rosenthal verkörpert …
Er hat sich immens in meinen Vater hineingearbeitet. Es gibt verschiedene Szenen, in denen meine Schwester und ich wirklich lachen mussten. Heute gibt es – glaube ich – keinen Moderator mehr, der sich mal kurz verbeugt vor dem Publikum, wenn er »Guten Tag« sagt. Auch die Handhaltung, wenn er die Menschen begrüßt, wenn er die Hände halb geöffnet hält, das ist von Florian Lukas alles so exakt wiedergegeben. Das zu sehen, war einfach schön. Er war sogar auf dem Friedhof Weißensee, wo das Grab meiner Großeltern liegt, um es sich anzusehen. Florian Lukas ist nicht nur ein guter Schauspieler, sondern auch ein sympathischer Mensch – er ist toll.
Der Film nimmt eine bestimmte Zeit in den Blick, den Herbst 1977 und den 9. November 1978. Es wird gezeigt, wie Hans Rosenthal versuchte, möglichst früh auf den zeitlichen Zusammenfall der Jubiläumssendung von »Dalli Dalli« mit dem 40. Jahrestag der Pogromnacht hinzuweisen. War das ein Thema zu Hause?
Ich habe nicht viel davon mitbekommen, und meine Schwester hat gar nichts mitbekommen, weil sie nicht mehr in Berlin war. Ich habe zwar bemerkt, dass mein Vater versucht hat, etwas zu verlegen, aber wusste nicht, warum – und was das eigentlich wirklich für ihn bedeutete. Er war auch jemand, der immer versuchte, seine Kinder zu beschützen, wenn irgendwas nicht so positiv war. Den Eindruck hatte ich jedenfalls. Das gilt auch für seine Erzählungen über den Holocaust, da war er sehr zurückhaltend uns Kindern gegenüber. Nach dem Tod meines Vaters haben mir seine Mitarbeiter erzählt, wie traurig und sauer er war, dass diese »Dalli Dalli«-Sendung nicht verschoben werden konnte, und wie sehr er versucht hatte, den Termin zu verlegen. In seiner Autobiografie erwähnt er diesen Teil, den der Film zeigt, übrigens nicht.
Können Sie vermuten, weswegen nicht?
Man könnte sich fragen, warum er das ZDF da nicht stärker in die Verantwortung genommen hat. Ich glaube, dass der Grund darin lag, dass er sich gesagt hat: ›Wenn ich jetzt das Ganze mit einem Krach beende, kann ich möglicherweise keine Fernsehsendung mehr machen. Es ist besser, wenn ich auf dem Bildschirm bleibe und ab und zu meine Kommentare abgebe, insbesondere bekannt mache, dass ich jüdisch bin.‹ Er kam wohl zu dem Schluss, dass es so der bessere Weg war, als wenn er gegen seinen Vertrag die Sendung hätte ausfallen lassen.
Gibt es heute mehr Bewusstsein für den Umgang mit Gedenktagen im Fernsehen?
Ich denke schon, dass die Sender sensibler geworden sind – vielleicht auch aus Angst, sich angreifbar zu machen. Heute gibt es eine viel größere Sensibilität.
War Ihr Vater ein politischer Mensch?
Wir haben viel über politische Dinge diskutiert. Er war sehr, sehr gut informiert, las täglich drei bis vier Tageszeitungen. Was er an Tageszeitungen bis zum Abend nicht geschafft hatte, legte er auf seinen Nachttischschrank im Schlafzimmer, zur Begeisterung meiner Mutter, die dann das geräuschvolle Umblättern – das klang immer wie ein Knall – mitbekam. Ihm war es sehr wichtig, dass meine Schwester und ich seine Meinung nicht nur kannten, sondern sie möglichst auch übernahmen. Ich glaube, er schlief immer schlecht, wenn wir uns bei bestimmten Themen nicht einig wurden. Und dann haben wir teilweise bis in die frühen Morgenstunden diskutiert.
Ließen Sie sich überzeugen oder haben Sie irgendwann einfach nachgegeben?
Meine Schwester sagte dazu einmal, dass sie in so einem Zwiespalt war. Mein Vater hatte immer sehr gute Argumente, weil er eben sehr gut informiert war. Gerade zu Zeiten des Vietnamkriegs gab es auch mit meiner Schwester Diskussionen. Sie sagt immer, dass sie später nicht ohne Grund Mathematik studierte, denn da gibt es immer nur eine Antwort. Man muss verstehen: Für meinen Vater waren die Amerikaner seine Retter. Er hatte ja auch die Sowjetseite gesehen. Er war nach dem Krieg zuerst beim Berliner Rundfunk tätig, der für den Ostteil der Stadt betrieben wurde. Dort wurde er zum Beispiel als »Hitlerjunge« beschimpft. Dann ging er zum »RIAS« (Rundfunk im amerikanischen Sektor, Anmerkung der Red.) – die Amerikaner waren für ihn immer ein großes Vorbild.
Was ist geblieben von der Botschaft, die Hans Rosenthal vermittelt wissen wollte?
Das ist schwer zu sagen. Ich glaube, dass alle mit ihm einen Menschen verbinden, der Brücken geschlagen hat. Ein Mensch, der verfolgt wurde in Deutschland und der dann mit den Deutschen gespielt hat. Ich denke, dass er als Jude akzeptiert wurde, und das hat er sehr gemocht. Als junger Mensch wurde er verfolgt, hatte Angst, angezeigt zu werden, wusste, dass ihn in dem Moment, in dem man ihn entdeckt, vermutlich der Tod erwartete. Ihm war bewusst, dass es Menschen gab, die ihn angezeigt hätten. 20, 30 Jahre später jubeln ihm all diese Menschen zu. Das ist schon eine tolle Entwicklung, und ich glaube, das ist vielen auch klar. Das ist also vielleicht hängen geblieben – und auch sein Engagement in der Hans-Rosenthal-Stiftung für unschuldig in Not geratene Familien.
Mit dem Berliner Rechtsanwalt sprach Katrin Richter.
Der Spielfilm »Rosenthal« ist ab dem 22. März in der ZDF-Mediathek zu sehen. Am 7. April wird er um 20.15 Uhr als »Fernsehfilm der Woche« im ZDF gezeigt. Anschließend läuft eine Doku über Hans Rosenthal.