#Female Pleasure

Mein Leben, mein Körper!

Regisseurin Barbara Miller stellt in ihrem Film Frauen ins Zen­trum, die sich gegen ihre Unterdrückung gewehrt haben.

Sie sind schön und schlank, in aufreizenden Posen, mit nackt-glänzender Haut, lasziv-verführerisch oder ansprechend-verletzlich blicken sie in überdimensionaler Größe von Hauswänden oder aus Hochglanzmagazinen, manchmal haben sie gar kein Gesicht.

Sie werden beherrscht, gedemütigt von Männern in tadellosen Anzügen, mit Peitschen oder klobigen Boots auf ihren schlanken Hälsen. In schnellen Schnitten zeigt Barbara Miller die inszenierte Unterdrückung der Frau in der Werbung und die Realität von Frauen in der ganzen Welt – hinter Burkas versteckt, in Kimonos gezwängt, von Ordenstrachten verhüllt.

Satmarer Mit diesen Bildern beginnt Miller ihre Dokumentation #Female Pleasure. Mehrere Frauen, die jeweils einer anderen Weltreligion angehören, stellt sie ins Zen­trum, Frauen, die sich gegen ihre Unterdrückung und für ein selbstbestimmtes Leben und eine selbstbestimmte Sexualität entschieden haben.

So wie ­Deborah Feldman, die in einer ultraorthodoxen Satmarer-Familie in Brooklyn aufwuchs, erst unmittelbar vor ihrer arrangierten Hochzeit mit 17 Jahren von Sex und ihren Pflichten als Ehefrau erfuhr. Sie begann, nach Wegen zu suchen, die Gemeinschaft mit ihrem Sohn zu verlassen – und brach aus.

Heute lebt Feldman als erfolgreiche Autorin mit ihrem Sohn ein freies, selbstbestimmtes Leben in Berlin. Sie ist seit der Veröffentlichung ihres Bestsellers Unorthodox und Überbitten Hoffnungsträgerin vieler in ultraorthodoxen Gemeinschaften lebender Frauen.

Eine der Hauptfiguren ist Deborah Feldman, die in einer ultraorthodoxen Satmarer-Familie in Brooklyn aufwuchs.

Miller lässt die Muslimin Leyla Hussein, die als Siebenjährige genital verstümmelt wurde und nun auf der ganzen Welt aktiv dagegen vorgeht, zu Wort kommen, erzählt von Doris Wagner, die sich für ein Leben mit Gott entschied und dann immer wieder die Vergewaltigungen eines Paters ertragen muss – totgeschwiegen von den anderen Ordensschwestern.

Die japanische Künstlerin Rokudenashiko wagte es, einen Abdruck ihrer Vagina zu machen und diesen künstlerisch zu bearbeiten – sie muss sich wegen Obszönität vor Gericht verantworten. Die Inderin Vithika Yadav wächst in einer traditionell hinduistischen Familie auf und erleidet im Land des Kamasutra ständige Belästigungen, bis sie als Erste in ihrer Familie einen Mann aus Liebe heiratet.

Es sind fünf Frauen, die in unterschiedlichen Teilen der Welt ähnliche Erfahrungen machen. Die Frau gilt als Lustobjekt und Geburtsmaschine, ist schmutzig und bedrohlich, ohne Recht auf Individualität und Sexualität, von Gesellschaften unterdrückt, die dafür ihre Traditionen und Religionen missbrauchen.

Tabuisierung Immer wieder blendet Filmemacherin Miller Texte aus dem Koran, der Bibel, der Tora, aus Gesetzestexten ein, die die Unterdrückung zu rechtfertigen scheinen. Sie begleitet die Frauen in ihrem Leben, lässt sie unkommentiert von ihren Erfahrungen berichten und stellt sie damit in Bezug zueinander, denn sie alle erleben die Tabuisierung der weiblichen Sexualität und die Negierung des weiblichen Körpers.

Miller führt kommentarlos vor Augen, wie Diskriminierung, Frauenhass und sexualisierte Gewalt überall auf der Welt zusammen mit patriarchalen Strukturen funktionieren.

Es könnte der Film der Stunde sein, ein Jahr nach Beginn der #MeToo-Debatte. Schließlich gibt Miller diesen fünf Frauen stellvertretend für Millionen andere eine Stimme. Doch mit ihrer Auswahl von bekannten Aktivistinnen, die sich aus extrem geschlossenen Gesellschaften befreit haben, rückt die erschreckende Normalität von sexualisierter Gewalt überall auf der Welt in den Hintergrund. Die Verknüpfung zur ­aktuellen Debatte bleibt aus.

Ab 8. November im Kino

Programm

Termine und TV-Tipps

Termine und Tipps für den Zeitraum vom 20. Februar bis zum 27. Februar

 21.02.2025

Berlinale

»Das verdient kein öffentliches Geld«

Der Berliner CDU-Fraktionschef Dirk Stettner hat seine Karte für die Abschlussgala zerrissen – und will die Förderung für das Filmfestival streichen

von Ayala Goldmann  21.02.2025

Bayern

NS-Raubkunst: Zentralrat fordert schnelle Aufklärung

Der Zentralrat der Juden verlangt von den Verantwortlichen im Freistaat, die in der »Süddeutschen Zeitung« erhobenen Vorwürfe schnell zu klären

 20.02.2025

Kolumne

Unentschlossen vor der Wahl? Sie sind in guter Gesellschaft – mit Maimonides

Der jüdische Weise befasste sich mit der Frage: Sollten wir als Kopfmenschen mit all unserem Wissen auch bei Lebensentscheidendem dem Instinkt vertrauen?

von Maria Ossowski  20.02.2025

Berlin

Eine krasse Show hinlegen

Noah Levi trat beim deutschen Vorentscheid für den Eurovision Song Contest an. In die nächste Runde kam er nicht, seinen Weg geht er trotzdem

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NS-Unrecht

Jüdische Erben: »Bayern hat uns betrogen« - Claims Conference spricht von »Vertrauensbruch«

Laut »Süddeutscher Zeitung« ist der Freistaat im Besitz von 200 eindeutig als NS-Raubkunst identifizierten Kunstwerken, hat dies der Öffentlichkeit aber jahrelang verheimlicht

von Michael Thaidigsmann  20.02.2025

Literatur

»Die Mazze-Packung kreiste wie ein Joint«

Jakob Heins neuer Roman handelt von einer berauschenden Idee in der DDR. Ein Gespräch über Cannabis, schreibende Ärzte und jüdischen Schinken

von Katrin Richter  20.02.2025

Berlinale

Auseinandergerissen

Sternstunde des Kinos: Eine Doku widmet sich David Cunio, der am 7. Oktober 2023 nach Gaza entführt wurde, und seinem Zwillingsbruder Eitan, der in Israel auf ihn wartet

von Ayala Goldmann, Katrin Richter  19.02.2025

Berlin

»Sind enttäuscht« - Berlinale äußert sich zu Antisemitismus-Skandal

»Beiträge, die das Existenzrecht Israels infrage stellen, überschreiten in Deutschland und auf der Berlinale eine rote Linie«, heißt es in einer Erklärung des Festivals

von Imanuel Marcus  19.02.2025