Herr Schönenborn, der WDR hat nach 40 Jahren die vierteilige US-Serie »Holocaust« wiederholt. Warum?
Als Programmverantwortlicher beschäftige ich mich sehr intensiv mit der Frage, wie wir in der Gesellschaft mit Minderheiten und Ausgegrenzten umgehen. Dass Antisemitismus wieder so präsent geworden ist, gehört leider dazu. Damals hat »Holocaust« die Kriegsgeneration ins Gespräch mit ihren Kindern gebracht, heute kann die Serie neue Anstöße für die Gegenwart geben.
Die Erstausstrahlung 1979 sahen mehr als 20 Millionen Zuschauer. Wie ist die Resonanz heute?
Wir hatten im WDR-Fernsehen bei den ersten beiden Folgen jeweils etwa 700.000 Zuschauer, der NDR fast ebenso viele. Weitere Ausstrahlungen im SWR und eventuell in anderen Dritten Programmen folgen noch. In der Summe werden die beiden ersten Folgen deutlich mehr als eine Million Menschen erreicht haben. Ich finde das für ein 40 Jahre altes Programm sehr erfreulich. Es ist mehr, als ich erwartet habe.
1979 lief die Serie in den Dritten Programmen. Warum diesmal nicht in der ARD?
Zur Geschichte von »Holocaust« gehört auch der Streit um die Ausstrahlung im Ersten oder den Dritten Programmen. Als Programmdirektor bin ich stolz, dass der WDR damals für die Serie gekämpft hat. Deshalb war mein Impuls, es zum Jahrestag so zu machen wie damals. Und als ich mit den Kolleginnen und Kollegen in der ARD-Programmkonferenz darüber sprach, waren der NDR und der SWR spontan mit
dabei.
Hätte »Holocaust« zur Prime Time mehr Zuschauer erreicht? Um 20.15 Uhr lief an den Sendetagen im WDR eine Kochsendung und eine Alpen-Doku.
Das weiß man nicht. Unsere Erfahrung ist, dass bei Programmen, die ein bestimmtes Interesse voraussetzen, in der Prime Time oft weniger Zuschauer zu verzeichnen sind als auf einem späteren Sendeplatz. Unsere Absicht war, so viele Zuschauer wie möglich zu finden. Und wir hatten vermutet, dass das um 20.15 Uhr gegen die Konkurrenz aller fiktionalen Premieren in ARD, ZDF und RTL schwieriger sein könnte. Nun belegen die Zahlen, die für Dritte Programme sehr gut sind, dass die Ausstrahlung um 22 Uhr nicht völlig an den Interessen der Zuschauer vorbeiging.
Damals gab es erhebliche Proteste und Diskussionen rund um die Serie. Wie sind heute die Reaktionen der Zuschauer?
Ich bin sehr froh und erleichtert darüber, dass wir am häufigsten hören: »Danke, dass Sie das nochmals zeigen.« Ich habe aber auch eine Handvoll Briefe oder Mails, in denen gefragt wird, wie lange wir Deutsche uns noch damit beschäftigen müssen. Und wir haben eine Facebook-Seite, auf der Reaktionen gesammelt werden. Auch da posten ein paar Verirrte. Aber die positiven Rückmeldungen überwiegen deutlich.
Mit dem WDR-Fernsehdirektor sprach Detlef David Kauschke.