Aller guten Dinge sind drei. Diese Redewendung scheint sich in Zeiten von Corona erneut zu bestätigen. »Zweimal bereits hatten wir einen Termin für diese Veranstaltung angesetzt, zweimal mussten wir absagen«, begrüßt Sabena Donath die Teilnehmer des Seminars »Judentum in 1:30 – Professioneller Umgang mit Interviews in jüdischen Gemeinden« in Berlin.
»Bis Montag haben wir gezittert und uns gefragt: Machen wir es, oder machen wir es nicht?«, sagt die Leiterin der Bildungsabteilung im Zentralrat der Juden in Deutschland. Umso größer dann die Freude, dass alles wie geplant stattfindet. »Schließlich können wir nicht sagen, wann ein solches Präsenzseminar wieder möglich sein wird.«
Rund 20 Vertreter jüdischer Gemeinden und Verbände waren angereist, um zu erfahren, was man bei einer Begegnung mit Medienvertretern so alles beachten sollte und welche Fettnäpfchen mitunter drohen. Kurzum, es ging um Input und Diskussionen darüber, wie sich der Stresspegel, der durch Presseanfragen entstehen kann, schon im Voraus minimieren lässt und man ein möglichst gutes Bild von sich hinterlässt.
EREIGNISSE Informationen und Tipps dazu gab es aus erster Hand: Jutta Wagemann, Pressesprecherin des Zentralrats, erklärte nicht nur, wie man am besten mit der »Spezies« Journalist umgeht, ohne gleich ins Schwitzen zu geraten. »Denn immer wieder geschehen Ereignisse, wie beispielsweise in Halle und jetzt auch in Hamburg, und plötzlich soll man dazu Stellung beziehen.« Vor allem die Lokalpresse wendet sich in solchen Fällen gerne an Vertreter der jüdischen Gemeinde vor Ort. »Und die müssen auf einmal wie Medienprofis agieren.«
Vor allem die Lokalpresse wendet sich gerne an Vertreter der jüdischen Gemeinde.
Das kann schnell zu einem Drahtseilakt werden, gerade wenn es um so vielschichtige und komplexe Themen wie Antisemitismus oder Gewalt gegen Juden geht. Denn plötzlich befinden sich die Vertreter der Gemeinden unversehens an der Schnittstelle zwischen persönlichen Befindlichkeiten und dem, was ihr öffentliches Amt erfordert. Und dann die richtigen Worte zu finden, das ist für nicht wenige von ihnen die eigentliche Herausforderung.
Noch vor einigen Jahren dominierten Themen wie Eröffnungsfeiern von Synagogen-Neubauten oder Jubiläumsfeiern die lokale Berichterstattung. »Diese waren eher positiv besetzt«, so die Beobachtung von Donath. »Jetzt aber werden Vertreter von Gemeinden häufiger auf dramatische Entwicklungen angesprochen.« Sie plädiert dafür, in Pressegesprächen die Initiative zu ergreifen und auch – wenn möglich – positive Aspekte hervorzuheben, die mitunter einen persönlichen Bezug haben dürfen. »Auf diese Weise entsteht ebenfalls ein Bild von Authentizität. Das ist sehr wichtig.« Und man trägt mit dazu bei, dass bei den Nachrichtenkonsumenten das Wort »Jude« nicht nur mit negativen Ereignissen assoziiert wird.
ATMOSPHÄRE Darüber hinaus vermittelte Wagemann so etwas wie das kleine ABC rund um das Thema Interviews. »Das beginnt bereits vor einem Gespräch«, sagt die Expertin. So sei es ratsam, sich im Vorfeld ein Bild darüber zu machen, mit wem man es eigentlich zu tun hat. Das betrifft sowohl das Medium als auch die Person, die einen sprechen will. »Sonst drohen unangenehme Überraschungen«, und man läuft Gefahr, AfDlern, israelfeindlichen Publikationen oder anderen Extremisten in irgendeiner Form ungewollt Schützenhilfe zu leisten.
»Journalisten kommen nicht einfach zum Plaudern vorbei«, hebt Wagemann hervor. »Aber sehr wohl gehört es zu ihren Methoden, eine angenehme Atmosphäre zu schaffen. Dem Gegenüber wird so das Gefühl vermittelt, irgendwie verstanden zu werden.« Auf diese Weise löst sich so manche Zunge etwas schneller. Die umgekehrte Taktik ist ebenfalls beliebt. »Andere Medienvertreter wiederum suchen gerne die Konfrontation als Einstieg in ein Gespräch, um jemanden aus der Reserve zu locken.« Ferner verweist sie auf die Möglichkeit einer Durchsicht des gesamten Interviewtexts oder der eigenen Zitate zwecks Autorisierung. »Da kann man noch korrigierend eingreifen.«
Wie stark das Bedürfnis nach ein wenig Hilfestellung im Umgang mit der Presse ist, bringt Felix Schotland auf den Punkt. »Es war genau das, was uns gefehlt hatte«, so das Mitglied des Vorstands der Synagogen-Gemeinde Köln. »Auf der einen Seite sind die meisten von uns alles andere als Profis auf diesem Gebiet. Auf der anderen Seite wird erwartet, dass wir uns genau wie Profis verhalten.« Das Seminar dürfte allen Beteiligten geholfen haben, diesem Anspruch ein Stück näher gekommen zu
sein.