Wer beim Titel Die Farbe Lila als Erstes an Steven Spielbergs elffach Oscar-nominierten Film aus dem Jahr 1985 denkt, liegt prinzipiell nicht falsch. Und doch ist das gleichnamige Werk, das nun neu in den Kinos anläuft, kein Remake von Spielbergs Adaption des preisgekrönten Romans Die Farbe Lila von Alice Walker. Vielmehr handelt es sich um eine Verfilmung des Bühnenmusicals, das – ebenfalls auf der Basis des Buches – bereits zweimal zum Broadway-Erfolg wurde, und das, obwohl die Geschichte eigentlich immer die gleiche ist.
Anfang des 20. Jahrhunderts ist auch in den Südstaaten der USA die Sklaverei längst abgeschafft. Doch deren von Generation zu Generation vererbte Strukturen der Gewalt und Ausgrenzung haben sich fest in die Menschen eingeschrieben, selbst in der afroamerikanischen Bevölkerung.
So wird die junge Celie von ihrem Vater geschlagen und missbraucht. Mehrmals wird sie schwanger, die Babys muss sie gleich nach der Geburt weggeben. Irgendwann zwingt er sie, einen Farmer mit drei kleinen Kindern zu heiraten, dem sie als Putzfrau, Kindermädchen und Geliebte gleichermaßen dienen soll. Dass auch dieser Mann, den sie nur »Mister« nennt, immer wieder brutal zuschlägt, erscheint fast als Selbstverständlichkeit.
Halt gibt Celie zunächst die enge Beziehung zu ihrer selbstbewussten Schwester Nettie. Doch »Mister« schickt sie bald weg, ihre Briefe lässt er verschwinden. Was bleibt, ist der Glaube – und schließlich andere Frauen, die in Celies Leben treten und als Vorbilder dienen, wenn es um Stärke und Lebensfreude geht. So wie Sofia, die selbstbewusste Ehefrau von »Misters« Sohn Harpo, oder die Sängerin Shug Avery, die manchmal aus der Großstadt anreist, wo sie ein Leben führt, in dem männliche Erwartungen eine eher untergeordnete Rolle spielen. Gerade Letztere ist es, die über die Jahre entscheidenden Anteil daran hat, dass es Celie irgendwann doch gelingt, ein selbstbestimmtes Leben zu führen.
Offiziell ist Steven Spielberg auch dieses Mal an »Die Farbe Lila« beteiligt.
Offiziell ist Steven Spielberg auch dieses Mal an Die Farbe Lila beteiligt. Er gehört zu den Produzenten, genau wie etwa Quincy Jones, der bereits 1985 darüber hinaus auch als Komponist beteiligt war, oder Oprah Winfrey, der damals in der Rolle der Sofia der Durchbruch gelang. Regie allerdings hat dieses Mal der aus Ghana stammende Blitz Bazawule geführt, der im Interview betont, wie wenig die alte Garde ihm in das Projekt hineingeredet hat.
Zum Glück, möchte man sagen, denn die Elemente, in denen sich – neben den Songs – sein Film nun von Spielbergs Version unterscheidet, sind genau die, die das Projekt so gelungen machen. Denn Bazawule, der bereits mit Beyoncé anlässlich ihres Musikfilms Black is King kooperiert hatte, inszeniert mit viel Sinn für historische Authentizität sowie einem liebevollen Blick für Details und Blackness, schwarze Lebensrealitäten und afroamerikanische Geschichte.
Die fantastischen Kostüme von Francine Jamison-Tanchuck und nicht zuletzt die Choreografien von Fatima Robinson, die von traditionellen afrikanischen Tänzen über Stepptanz bis hin zu Hip-Hop sämtliche schwarzen Tanztraditionen vereinen und zu mitreißenden und echten Musical-Highlights machen, haben maßgeblich Anteil am Gelingen des Ganzen.
Auch dass Bazawule immer wieder Celies Gedanken, Träume und Hoffnungen zu visualisieren vermag und so dieser sonst eher passiven, im Stillen leidenden Protagonistin zu deutlich mehr Komplexität und Persönlichkeit verhilft, ist eine begrüßenswerte Neuerung.
Getragen allerdings wird Die Farbe Lila auch in dieser Fassung von einem exzellenten Ensemble. Für den Oscar ist dieses Mal nur die wahrlich mitreißende Danielle Brooks, bekannt aus Orange is the New Black, nominiert. Aber die Soul-Sängerin Fantasia Barrino oder Taraji P. Henson und Corey Hawkins stehen ihr kaum nach. Hinter allen vorherigen Versionen dieser tragischen, aber auch von Widerständigkeit, Lebensmut und weiblicher Solidarität erzählenden Geschichte muss sich diese also wahrlich nicht verstecken.
Der Film läuft ab dem 8. Februar im Kino.