Ein Rödelheim-Siddur aus dem Verlag Victor Goldschmidt – für Generationen von Barmizwa-Jungen in Europa oder sogar den USA gehörte das zum eisernen Bestand der religiösen Ausrüstung. Der Name Goldschmidt ging so jahrzehntelang rund um die (jüdische) Welt. Dass man sich dabei eigentlich eine kleine vollgestellte Buchhandlung in einem unscheinbaren Mietshaus in einer ruhigen Nebenstraße von Basel vorzustellen hatte – unweit der Synagoge der Israelitischen Gemeinde (IGB) –, das wissen diejenigen, die den Laden bei einem Besuch in der Rheinstadt einmal persönlich besucht haben.
hauswart Geführt wurde der Laden (und der Verlag) von Salomon Goldschmidt, Sohn des Gründers und Namensgebers Victor Goldschmidt. Der schmächtige Herr, dem Besucher stets im blauen Übergewand, fast wie ein Hauswart, selbst die Türe öffnend, beriet Generationen von Eltern, aber auch viele nichtjüdische Kunden, die sich bei Goldschmidt mal kurz über »das Judentum« schlau machen wollten. Und dies, bis zu deren Tod, gemeinsam mit seiner aus Deutschland stammenden Mutter.
Auf diese Kundschaft setzt prinzipiell auch der neue Besitzer – der Basler Ralph Weill. Er ist seit Frühjahr Mehrheitsaktionär der früheren Einzelfirma und nennt sich selbst »Alterspräsident« – Geschäftsführer ist sein Sohn Esra, der als Angestellter schon bisher in der Buchhandlung tätig war, neben seinem Beruf als Mohel. Der Wechsel von Goldschmidt, langjähriger Präsident der kleinen orthodoxen Israelitischen Religionsgesellschaft Basel (IRG), zum Ökonomen Ralph Weill, der bis zur Pensionierung eine Marktforschungsfirma leitete und Mitglied der Einheitsgemeinde (IGB) der Stadt ist, leitet eine neue Ära ein.
bibel für kinder erzählt Niemand bezweifelt, dass sich der religiöse Paradigmenwechsel auch auf das Sortiment auswirken wird. Dennoch hat Weill auch die traditionelle Kundschaft im Blick, wenn er sagt: »Diese Leute wussten beispielsweise, dass das Aleinu-Gebet im Rödelheimer immer auf Seite 65 zu finden ist, entsprechend brauchten sie nur wenig Beratung.« Nun sollen aber auch neue Kundenkreise angesprochen werden. »Wir haben festgestellt, dass gute jüdische Kinderbücher im deutschsprachigen Raum fehlen«, so Weill. Daher soll das populäre Werk Die Bibel für Kinder erzählt neu aufgelegt werden.
Auch sonst sind die Weills voller Tatendrang: Das Angebot im Internet soll ausgebaut, der Handel mit Ritualgegenständen nicht vernachlässigt werden. Dies geschieht auch im Bewusstsein, dass die Schweiz als Markt sehr klein und beschränkt ist: »Wir werden deshalb versuchen, auch das global Jewish village anzusprechen«, sagt Ralph Weill.
Der Standort Basel soll aber nicht außen vor bleiben. Auch wenn dem ehemaligen Mitglied der Geschäftsleitung des Schweizerischen Israelitischen Gemeindebundes (SIG) bewusst ist, dass die Lage am Rande der Altstadt kaum Laufkundschaft generiert (weshalb auf ein attraktives Schaufenster verzichtet wird), soll nach den Sommerferien der kleine Laden, der in den vergangenen Monaten renoviert und umgebaut wurde, attraktiver gemacht werden – mit einem Tag der offenen Tür ebenso wie mit Autorenlesungen.
Ein Verkauf von Lebensmitteln oder koscherem Wein ist allerdings nicht vorgesehen. Doch immerhin: Kiddusch-Wein gibt es neuerdings bei Goldschmidt, denn dabei handelt es sich ja um einen rituellen Gegenstand.
führungen Und vielleicht geht bald auch eine der vielen Basler Stadtführungen bei Goldschmidt vorbei. Immerhin wurden hier schon Bücher angeboten, als sich Delegierte aus aller Welt in der Stadt kurz vor der israelischen Staatsgründung zum letzten Zionisten-Kongress trafen.
Eine Reverenz an den Staat wollte Goldschmidt allerdings nie machen: Im Rödelheimer Siddur sucht man das Gebet für Israel bis heute vergeblich. Aber vielleicht gibt es auch da bald eine Änderung.
www.goldschmidt-basel.ch