Wenn die Rede auf Felix Salten kommt, werden meist tierische Metaphern bemüht - etwa schräger Vogel oder bunter Hund. Der Name des Autors dürfte den meisten Menschen unbekannt sein, aber zumindest ein seiner Werke kennt wohl jeder: »Bambi«. Sein Erfinder war Jäger, ansonsten aber ein Großstadtmensch. Der süße kleine Hirsch erblickte 1923 in Wien das Licht der Welt und erlangte vor allem durch die gleichnamigen Disney-Filme Weltruhm. Vor 75 Jahren, am 8. Oktober 1945, starb sein Erfinder.
Der ungarisch-österreichische Schriftsteller und Journalist war bienenfleißig. Das war auch nötig, denn im Gegensatz zu seinen Schriftsteller-Freunden der Gruppe »Jung Wien« hatte er keinen großbürgerlichen Hintergrund und musste sich sein Geld selbst verdienen. Das gelang ihm mal mehr, mal weniger gut.
ERFOLG An Ideen und Fleiß mangelte es ihm nicht, eher am nötigen Geschäftssinn. Diese Schwäche hatte er möglicherweise von seinem Vater geerbt. Der Unternehmer Philipp Salzmann hatte ebenfalls wenig wirtschaftlichen Erfolg. Sein Sohn Siegmund - so hieß Salten, bevor er sich 1911 seinen neuen Namen zulegte - musste deshalb vorzeitig das Gymnasium verlassen und begann sein Berufsleben bei einer Versicherung.
Saltens Werk »Josefine Mutzenbacher, die Geschichte einer Wienerischen Dirne von ihr selbst erzählt« schlug hohe Wellen.
Geboren wurde er in Pest, später ein Teil der ungarischen Hauptstadt Budapest, wuchs aber in Wien auf. Von der Versicherung verabschiedete er sich rasch, seine Leidenschaft galt der Literatur und dem Theater. Salten knüpfte Kontakte in die Künstlerszene und wurde Mitarbeiter zahlreicher Kulturzeitschriften. Nebenbei pflegte er seine literarischen Ambitionen, schrieb Romane, Theaterstücke und Erzählungen. Zu seinem Freundeskreis gehörten etwa Arthur Schnitzler und Hugo von Hofmannsthal.
KLATSCH Besonders wichtig war ihm seine Tätigkeit für die »Wiener Allgemeine Zeitung«. Salten schrieb unter anderem Rezensionen zu Aufführungen im Burgtheater, was mehrere Vorteile hatte: Er konnte seine Freunde mit positiven Kritiken fördern und hatte gleichzeitig Kontakt zu jungen Schauspielerinnen. Eine von ihnen heiratete er schließlich: Ottilie Metzl. Zwei Kinder bekam das Paar.
Salten schrieb schnell und viel. Ab 1928 gab der Zsolnay-Verlag eine Werkausgabe heraus, die schließlich auf sechs Bände anwuchs. Vieles veröffentlichte er auch unter Pseudonymen. Dazu gehörten aber nicht die Klatsch- und Tratschgeschichten aus der Hofburg. Salten hatte sich mit einem Erzherzog angefreundet, der ihn mit Informationen vom Kaiserhof versorgte. Durch diese Berichte wurde Salten auch überregional bekannt.
Ein anderes Werk schlug noch weit höhere Wellen: »Josefine Mutzenbacher, die Geschichte einer Wienerischen Dirne von ihr selbst erzählt« erschien 1906 anonym, wurde aber schnell sowohl Schnitzer als auch Salten zugeschrieben. Schnitzler dementierte, Salten nicht.
»PORNOGRAPHIE« Allerdings erhob er niemals Ansprüche aus dem Urheberrecht. Die wären lukrativ gewesen, denn »die Mutzenbacher« erlebte zahllose Auflagen, Fortsetzungen und Verfilmungen. Als »erotisches Meisterwerk« gepriesen und als »Pornographie« geschmäht, wurde das Buch Gegenstand zahlreicher Prozesse und erst 2017 endgültig von der Liste jugendgefährdender Schriften gestrichen.
Er war Zionist und beförderte die jüdische Besiedelung Palästinas mit literarischen Mitteln.
Salten war in jeder Beziehung ein Kind seiner Zeit. Zu dieser gehörte die Wiener Moderne, die untergehende Donaumonarchie, die Ideologie des Nationalismus, aber auch das Medium Film und die nach dem Ersten Weltkrieg erstarkenden autoritären und faschistischen Regime. All das konnte den Juden Salten nicht unberührt lassen. Er war Zionist und beförderte die jüdische Besiedelung Palästinas mit literarischen Mitteln. Andererseits setzte er sich als Präsident des österreichischen PEN-Clubs massiver Kritik aus. Josef Roth etwa warf ihm eine allzu sehr auf Kompromiss ausgerichtete Haltung gegenüber den Nationalsozialisten vor.
Seine letzten Lebensjahre verbrachte Salten in Sicherheit in der Schweiz. Seine Tochter hatte ihm ein Visum verschafft, das allerdings mit einem Publikationsverbot verbunden war. So verstummte die Stimme des umtriebigen Wieners, an den heute nur noch zwei höchst unterschiedliche Bücher erinnern: »Bambi« und »Josefine Mutzenbacher«.