»Eldorado KaDeWe«

Mediales Lagerfeuer

Hauptpersonen der Serie: Harry (Joel Basman), Hedi (Valerie Stoll), Fritzi (Lia von Blarer) und Georg (Damian Thüne) (v.l.) Foto: ARD Degeto/RBB/Constantin Televi

Die Regisseurin Julia von Heinz macht keine halben Sachen: Hannas Reise war eine deutsch-israelische Geschichte, in der jeder Witz saß, und das will etwas heißen im deutschen Kino. Die Verfilmung von Hape Kerkelings Bestseller Ich bin dann mal weg war perfektes Mainstream-Kino auf internationalem Niveau.

Und morgen die ganze Welt überzeugte als kompromisslose Abrechnung mit Deutschlands Geschichtsvergessenheit. Und nun also eine »Weihnachtsserie« für die ARD.

Institution Eldorado KaDeWe erzählt, wie der Name verspricht, vom Schicksal der Berliner Institution »Kaufhaus des Westens« und damit auch vom Schicksal der jüdischen Familie Jandorf. Warenhausbesitzer Adolf Jandorf hatte seinen Traum von einem Luxus-Kaufhaus 1907 verwirklicht. Der Einkaufs­tempel am Wittenbergplatz wurde eine der beliebtesten Adressen der Stadt. 1927 verkaufte Jandorf an ebenfalls jüdische Kaufhauskonkurrenten (in der Rolle des Hermann Tietz: Oliver Polak). Sechs Jahre später folgte die Enteignung durch die Nazis.

Julia von Heinz’ Serie setzt ein, als Jandorf-Sohn Harry traumatisiert und drogenabhängig aus dem Ersten Weltkrieg zurückkehrt und mithilfe seiner Schwester Fritzi den Vater zur Modernisierung drängt. Schließlich war das Berlin der Weimarer Republik die wildeste, liberalste Stadt der Welt, in der Identität und Sexualität gefeiert statt verhandelt wurden. Dass es ein Tanz auf dem Vulkan war, bekamen die Menschen bald zu spüren.

Herz Während Vater und Sohn Jandorf tatsächlich gelebt haben, hat von Heinz starke Figuren dazu erfunden – wie die besagte Schwester, aber auch die KaDeWe-Angestellte Hedi und deren Familie. Dabei sind Fritzi und Hedi das Herz der sechsteiligen Serie, die am 27. Dezember in knapp fünf Stunden in einem Rutsch gezeigt wird und auch in der ARD-Mediathek zu sehen ist.

Die Liebesgeschichte der jungen Frauen trägt durch den Film und zeigt sehr explizit die Lebenslust und die Hoffnung auf eine freie, offene Zukunft für alle Menschen, egal, wen sie lieben. Doch das Ende der Menschlichkeit kündigt sich bereits an durch Worte und Taten der stetig wachsenden Anhängerschaft der Nazis. Die Beschimpfung Fritzis mit den Worten »nicht nur Jüdin, lesbisch ist sie auch noch« ist da nur der Anfang.

Liebe Und so, während Fritzi und Hedi den Rausch der Liebe erleben dürfen, Vater Jandorf um sein Lebenswerk bangt und Harry mit Kriegs-Dämonen kämpft und sich mit dem vom Vater eingesetzten Buchhalter Georg einen Bruderkrieg liefert, fällt das Land an jene, die meinen, dass es ein richtiges Leben gibt, das die, die anders glauben, lieben oder leben, ausschließt und die deshalb kein Recht haben, auch nur zu existieren.

Dieses hochemotionale Porträt einer Zeit geht durch Kopf und Herz gleichzeitig. »Die Schoa und Homosexualität sind beides Themen, die aufgrund von Familienmitgliedern und engen Freunden immer wieder in meinem persönlichen Leben auftauchen«, sagt Regisseurin von Heinz im Gespräch mit der Jüdischen Allgemeinen.

Fleabag Die große persönliche Nähe habe beim Erzählen sehr geholfen. Wie auch die neue, dringend nötige Offenheit der Öffentlich-Rechtlichen. Als großer Fan von Weihnachtsserien wie Anna oder Wilder Westen inclusive habe sie sich gefragt, bei welcher Art Erzählung heute junge Leute mitfiebern würden. »Ich weiß ja, was meine Tochter sich auf Netflix und Amazon anschaut«, sagt die Regisseurin.

Von Heinz hatte drei Vorbilder: Fleabag, Girls und The Marvelous Mrs. Maisel, alles Serien, die in Wort und Bild von der Ehrlichkeit leben, davon, Dinge auszusprechen und zu zeigen, egal, wie unangenehm oder entblößend sie sind. Julia von Heinz ist zufrieden: »Zu sagen, wir senden das jetzt alles mal in einer Nacht und zünden dieses mediale Lagerfeuer an, um das sich bitte alle versammeln, weil es heute nichts anderes gibt. Das finde ich richtig gut!« Mal sehen, wie weit das Fernsehland ist.«Eldorado KaDeWe – Jetzt ist unsere Zeit» - historische Miniserie (6x 45 Minuten) - läuft am Montag, 27. Dezember, ab 20.15 Uhr, im Ersten und seit 20. Dezember in der ARD-Mediathek.

«Eldorado KaDeWe – Jetzt ist unsere Zeit» - historische Miniserie (6x 45 Minuten) - läuft am Montag, 27. Dezember, ab 20.15 Uhr, im Ersten und seit 20. Dezember in der ARD-Mediathek.

Im Vorfeld zeigt das Erste am 26. Dezember um 19.40 Uhr die 30minütige RBB-Dokumentation «Mythos KaDeWe - Das Kaufhaus des Westens» von Dagmar Wittmers.


Aufgegabelt

Mazze-Sandwich-Eis

Rezepte und Leckeres

 18.04.2025

Pro & Contra

Ist ein Handyverbot der richtige Weg?

Tel Aviv verbannt Smartphones aus den Grundschulen. Eine gute Entscheidung? Zwei Meinungen zur Debatte

von Sabine Brandes, Sima Purits  18.04.2025

Literatur

Schon 100 Jahre aktuell: Tucholskys »Zentrale«

Dass jemand einen Text schreibt, der 100 Jahre später noch genauso relevant ist wie zu seiner Entstehungszeit, kommt nicht allzu oft vor

von Christoph Driessen  18.04.2025

Kulturkolumne

Als Maulwurf gegen die Rechthaberitis

Von meinen Pessach-Oster-Vorsätzen

von Maria Ossowski  18.04.2025

Meinung

Der verklärte Blick der Deutschen auf Israel

Hierzulande blenden viele Israels Vielfalt und seine Probleme gezielt aus. Das zeigt nicht zuletzt die Kontroverse um die Rede Omri Boehms in Buchenwald

von Zeev Avrahami  18.04.2025

Ausstellung

Das pralle prosaische Leben

Wie Moishe Shagal aus Ljosna bei Witebsk zur Weltmarke Marc Chagall wurde. In Düsseldorf ist das grandiose Frühwerk des Jahrhundertkünstlers zu sehen

von Eugen El  17.04.2025

Sachsenhausen

Gedenken an NS-Zeit: Nachfahren als »Brücke zur Vergangenheit«

Zum Gedenken an die Befreiung des Lagers Sachsenhausen werden noch sechs Überlebende erwartet. Was das für die Erinnerungsarbeit der Zukunft bedeutet

 17.04.2025

Bericht zur Pressefreiheit

Jüdischer Journalisten-Verband kritisiert Reporter ohne Grenzen

Die Reporter ohne Grenzen hatten einen verengten Meinungskorridor bei der Nahost-Berichterstattung in Deutschland beklagt. Daran gibt es nun scharfe Kritik

 17.04.2025

Interview

»Die ganze Bandbreite«

Programmdirektorin Lea Wohl von Haselberg über das Jüdische Filmfestival Berlin Brandenburg und israelisches Kino nach dem 7. Oktober

von Nicole Dreyfus  16.04.2025