Aufgeheizte Atmosphäre und angespannte Lage statt freudiges ESC-Fieber und gelöste Stimmung: In der südschwedischen Stadt Malmö gibt es Sorgen um die Sicherheit rund um den Eurovision Song Contest (ESC). Sosehr der Song Contest Jahr für Jahr betont, ein »unpolitisches Event« zu sein - in diesem Jahr lässt sich der Schatten des Gaza-Kriegs vom bunten Show-Spektakel nicht fernhalten. Mehr als 100 000 Besucherinnen und Besucher werden erwartet.
»Malmö wird in der nächsten Woche der Brennpunkt Europas sein«, sagt Christer Mattsson, Professor für Antisemitismusforschung in Göteborg, der Deutschen Presse-Agentur. In dieser krisenreichen Zeit schaut die Welt bei den Halbfinals am 7. und 9. Mai und erst recht beim Finale des Wettbewerbs am 11. Mai auf Malmö. Nachdem im vergangenen Jahr Schweden mit Loreen den ESC gewonnen hatte, wurde Malmö als Austragungsort für 2024 festgelegt. Die Stadt ist bereits zum dritten Mal Gastgeber, war es bereits 1992 und 2013.
Streit um die Teilnahme Israels
Israels Beitrag hatte diesmal von Anfang an mit Gegenwind zu kämpfen. Aufgrund des Gaza-Kriegs wurde von vielen Seiten der Ausschluss des Landes von dem Wettbewerb gefordert. Der Veranstalter des ESC, die europäische Rundfunkunion (EBU), ließ Israel mit der Begründung teilnehmen, dass es eine unpolitische Veranstaltung sei.
Gleichzeitig hielt die EBU den ersten eingereichten Text des israelischen Beitrags für zu politisch. Sie sah in »October Rain« Hinweise auf die von palästinensischen Terroristen am 7. Oktober in Israel verübten Massaker. Das Lied der israelischen Sängerin Eden Golan wurde daraufhin überarbeitet, heißt nun »Hurricane« und wurde zugelassen. Laut israelischen Medien trägt die Kandidatin bei den Shows ein Kleid, dessen Oberteil an Wundverbände erinnert.
Israels Nationaler Sicherheitsrat (NSC) verschärfte kurz vor dem ESC eine Reisewarnung für die schwedische Stadt. Das Risiko werde von 2 (potenzielle Bedrohung) auf 3 (mittlere Bedrohung) heraufgestuft. Israelis, die einen Besuch in Malmö planten, lege man nahe, dies noch einmal zu überdenken. Die Warnung gelte für die Zeit vom 7. bis 11. Mai.
Malmö hat ein Antisemitismus-Problem
Malmö habe ein Problem mit Antisemitismus, sagen Experten. Nach dem Ausbruch des Krieges in Israel und Gaza im Oktober wurde dieses Problem noch einmal sichtbarer.
»Es gab diese Karawanen mit palästinensischen Fahnen, die schrien und jubelten. Karawanen von Autos fuhren durch die Stadt und feierten nach den Angriffen«, erinnert sich Fredrik Sieradzki von der jüdischen Gemeinde in Malmö. Seither habe es zahlreiche Demonstrationen gegen Israel gegeben. Am Tag des Grand-Prix-Finales selbst sind ebenfalls Demos angekündigt - darunter sowohl propalästinensische als auch proisraelische Demonstrationen. Tausende Teilnehmer werden erwartet. »Die Intensität wird mit den Demonstrationen parallel zum Eurovision Song Contest noch zunehmen«, sagt Sieradzki.
Malmö ist eine kompakte Stadt. Daher sei vieles sehr zentral, in der Stadtmitte. »Man kann das Problem also auf der Straße sehen, was man in Stockholm oder Göteborg nicht so sehr kann«, sagt Björn Westerström. Er ist Forscher eines Projekts der Stadt gegen Antisemitismus, macht aktiv Aufklärungsarbeit. Die südschwedische Stadt hat etwa 360 000 Einwohnerinnen und Einwohner, darunter viele mit palästinensischer Abstammung.
Experte Westerström betont, dass die israelfeindliche und schnell dann auch judenfeindliche Stimmung nicht zwingend von bestimmten Personengruppe ausgehe. Menschen mit unterschiedlichen Hintergründen engagierten sich in diesem Konflikt. »Sie sehen den Antisemitismus nicht. Sie sind so politisch geworden, sie sind so eingenommen, dass sie den Hass, den sie benutzen, nicht erkennen«, sagt der Experte.
Antisemitismusforscher Mattsson sagt, Malmö leiste schon länger Aufklärungsarbeit, habe in den letzten Jahren zahlreiche Gegenmaßnahmen ergriffen. »Antisemitismus ist aber nicht etwas, das innerhalb weniger Jahre gelöst wird.«
Sicherheitsmaßnahmen verstärkt
Die Polizei kündigte an, mit einem Großaufgebot in der Stadt präsent zu sein. Auch Verstärkung aus Dänemark und Norwegen wurde angefordert. Eine öffentliche ESC-Party wurde abgesagt. »Ich weiß mit Sicherheit, dass die Stadt gut vorbereitet ist. Allerdings weiß man, dass es immer etwas Unerwartetes geben kann«, sagt Experte Mattsson.
Was in der aktuellen Lage nicht so recht aufkommen will, ist wohl die Vorfreude. »Ich glaube, dass viele Juden im Allgemeinen darauf warten, dass die Sache vorübergeht, und hoffen, dass es ohne größere Zwischenfälle abläuft«, sagt Sieradzki. »Der Eurovision Song Contest sollte ein Fest der Kreativität, des Spaßes, der großartigen Musik sein. Aber Malmö wird ein Ort sein, an dem eine Menge wütender Gefühle auf der Straße gezeigt werden.«