Donald Trump, der wahrscheinlich nächster Präsidentschaftskandidat der Republikanischen Partei sein wird, betont bei vielen Gelegenheiten, dass sein Herz für die Juden schlägt. Er hat eine heftig beklatschte Rede auf der AIPAC-Konferenz gehalten, in der er alles gesagt hat, was rechte, pro-israelische Amerikaner eben so sagen: dass Israel zu den wertvollsten Alliierten der Vereinigten Staaten zählt und dass er als Präsident den jüdischen Staat durch dick und dünn verteidigen werde. Er hat sogar angekündigt, er werde das Abkommen, das Obama mit den Mullahs in Teheran geschlossen hat, in Fetzen reißen.
Außerdem hat Donald Trump eine Tochter, die zum orthodoxen Judentum konvertiert ist. Diese Tochter hat ihm neulich einen jüdischen Enkelsohn geschenkt. Anders gesagt, Trump hat – obwohl er ein Goj deutscher Abstammung ist – eine jüdische Mischpoche. Wäre es also gut für die Juden, wenn dieser Mann anstelle von Hillary Clinton ins Weiße Haus einzöge? Es gibt mehrere prominente Juden, die so denken – an ihrer Spitze Sheldon Adelson, der schwer reiche Casinobetreiber aus Las Vegas, der für seine ultrarechten Ansichten bekannt ist.
Mir fällt, wenn ich diese Unterstützer von Trump betrachte, immer ein schönes altes Sprichwort aus Wien ein: »Wenn ein Jud’ blöd ist, ist er wirklich blöd.« Zum Glück sind die meisten Juden in Amerika aber nicht blöd. Sie verachten und fürchten Trump – keineswegs nur Juden von der linksliberalen Sorte, die immer nur die Demokraten gewählt haben und die New York Times mit der Tora verwechseln, sondern auch gestandene Konservative. Sie sehen deutlich, dass ein Präsident Donald Trump für die jüdische Gemeinschaft in der amerikanischen Republik eine Katastrophe wäre.
muslime Erstens ist Trump der Kandidat jener Leute, die glauben, dass Amerika von Weißen beherrscht werden sollte. Dieser Rassismus richtet sich zunächst und vor allem gegen mexikanische Einwanderer und gegen Muslime; er richtet sich implizit auch gegen Schwarze – Trump gehört zu jenen Verschwörungstheoretikern, die glauben, Obama habe seine Geburtsurkunde gefälscht und sei gar kein Amerikaner, was lediglich eine komplizierte Art ist, ihn einen »Nigger« zu nennen.
Wie kommen Sheldon Adelson und seine Leute darauf, dass sie im Zweifelsfall als Weiße durchgehen würden? Jüdische Journalisten wie Julia Ioffe, die Trump kritisiert haben, sind mit harten antisemitischen Rückmeldungen seiner Fans förmlich überschwemmt worden – und Trump hat nichts getan, um seine antisemitischen Fans zu stoppen, im Gegenteil: Er flirtet mit ihnen. Auch seine konvertierte Tochter bleibt stumm. Trump-Fans gelten die Juden als »Verräter an der weißen Rasse«: Wer sagt, dass man sie nicht nach dieser Maßgabe behandeln wird, sobald Trump seine Drohung wahr macht, elf Millionen illegale Einwanderer zu deportieren?
Zweitens ist auf Trumps Treue zu Israel weniger als gar kein Verlass. Der Grundinstinkt dieses Mannes ist: Isolationismus, Abschottung, sollen die da draußen ihren Dreck doch alleine machen. Reuel Marc Gerecht – ein bekennender Neokonservativer und Kritiker Obamas, kein Linker – schreibt: »Trump würde den Atomdeal mit dem Iran wahrscheinlich akzeptieren und weiterlaufen lassen ... und sich dem nächsten Thema zuwenden ... Was Syrien betrifft, hat Trump sich auf die Seite der Achse Assad-Iran-Russland gestellt ... Trumps Vorliebe für den Verbündeten der Russen und Iraner in Syrien – er ist dagegen, Assad zu stürzen – könnte sich leicht in eine regionale strategische Allianz der Vereinigten Staaten mit den Schiiten gegen die Sunniten ausweiten.
Zugegeben, es ist eine fast unmögliche Aufgabe, in all den Widersprüchlichkeiten, die Trump von sich gibt, eine klare Linie zu finden ... aber Trump ist wahrscheinlich der am meisten gegen militärische Interventionen eingestellte Präsidentschaftskandidat seit Eugene V. Debs, dem unermüdlichen Sozialisten des Jahres 1912.« Mit einem solchen Freund an der Seite bräuchte Israel wirklich keine Feinde mehr.
rache Drittens gibt es beunruhigende Anzeichen, dass ein Präsident Trump das Ende jenes politischen Experiments bedeuten würde, das »Vereinigte Staaten von Amerika« heißt. Dieser Mann hat hinlänglich klargemacht, dass ihm grundsätzliche Werte der amerikanischen Republik nichts bedeuten; dass er die Gewaltenteilung zwischen Exekutive, Legislative und Jurisdiktion für ein lästiges Hindernis hält; dass er die große Macht, die das Präsidentenamt mit sich bringt, dazu missbrauchen würde, sich an persönlichen Feinden zu rächen.
Eine Trump-Präsidentschaft – das wäre ein Bündnis zwischen der politischen Elite und dem rassistischen Pöbel, bei dem auf solche Kinkerlitzchen wie Urteile des Obersten Gerichtshofes oder auf solche Grundsätze der amerikanischen Verfassung wie das Recht aus Religionsfreiheit keine Rücksicht mehr genommen würde. Für ein solches Bündnis der Elite mit dem Mob gibt es einen Namen: Es wird in der politischen Fachsprache gemeinhin als Faschismus bezeichnet.
Wie alle Faschismen vor ihm hat auch der Trump-Faschismus keine feste Ideologie. Dieser Präsidentschaftskandidat widerspricht sich laufend, er lügt, wenn er den Mund aufmacht, Fakten sind ihm von Herzen egal. Aber ein paar Dinge sind dann doch sehr klar: Es geht ihm und seinen Anhängern darum, gewisse andere (Latinos, Muslime, Linksliberale) aus dem Gemeinwesen auszuschließen. Amerika soll wieder »stark« gemacht, es soll zum Topdog werden, wie es das in früheren Zeiten war, als es noch nicht diese politisch korrekte Multikulti-Ideologie gab. Und die korrupten Eliten in Washington sollen hinweggefegt werden. An ihrer Stelle soll der wahre, reine, unverfälschte Volkswille herrschen, dessen Verkörperung Donald Trump ist.
Hier darf ich nun kurz an Carl Schmitt erinnern, der sich später den Nazis als eine Art Kronjurist andiente. 1923 schrieb er in seinem Essay über Die geistesgeschichtliche Lage des heutigen Parlamentarismus, der bürgerliche Parlamentarismus sei gar nicht wirklich demokratisch, da er durch Lobbyismus und das Geschachere von Parteien verhunzt wird. Hingegen könne ein Führer, der durch »acclamatio«, also durch Beifall, bestätigt werde, ein Ausdruck des wahren Volkswillens und damit einer unmittelbaren Demokratie sein.
Demagoge Just dies ist die Gefahr, die die Gründungsväter Amerikas voraussahen und durch die »Checks and Balances« der Verfassung verhindern wollten. Es ist die Gefahr, dass ein charismatischer Demagoge auf den Schultern der Massen ins höchste Amt getragen wird, das die amerikanische Republik zu vergeben hat, und anschließend zur Abrissbirne mutiert, die ebendiese Republik demoliert; dass die Demokratie sich also durch ein Übermaß an Demokratie selbst zerstört.
Darum der Oberste Gerichtshof, dessen Urteilen sich auch der Präsident widerspruchslos zu unterwerfen hat. Deswegen der Kongress mit seinem Zweikammernsystem als ewiger Widerpart der Exekutive. Wer sagt aber, dass ein Präsident Trump sich an diese Regeln halten würde? Er hält sich schon jetzt an keine einzige Spielregel – und als Präsident stünde ihm die Macht des Justizministeriums, des FBI und sämtlicher Geheimdienste zur Verfügung. Außerdem wäre er der Oberkommandierende der mächtigsten Streitkräfte, die es auf diesem Planeten gibt. Ein Albtraum.
Nun hat es Faschismen gegeben, unter denen es den Juden relativ gut ging. Der völkermörderische Antisemitismus der Nazis war die große historische Ausnahme, nicht die Regel. Ungefähr ein Drittel der italienischen Juden gehörte in den 20er-Jahren der faschistischen Partei an; Augusto Pinochet machte an jedem Jom Kippur die Runde in den Synagogen von Santiago de Chile. Allerdings waren solche Mesalliancen meist nur von kurzer Dauer. Und sie konnten nur bestehen, solange die Mehrheit der Juden dem Regime zumindest nicht ablehnend gegenüberstand.
Ein solches Szenario – es sei zur Ehre der US-Juden gesagt – kann man sich in den Vereinigten Staaten kaum vorstellen. Die meisten jüdischen Amerikaner wären geschworene Feinde eines Präsidenten Trump und seines Cäsarenwahns – und sie würden von ihm auch als solche behandelt werden.