Im Buch Kohelet 10,19 heißt es am Schluss: »Das Geld macht alles möglich.« Drastischer ist das Jiddische: »Mit geld ferschtopt men der welt das mojl.« Literarisch präzisierte Kurt Tucholsky 1919 im Berliner Tageblatt, »dass Geld auf alle Fälle, ob man’s hat oder nicht, ein Malheur ist«.
»Über Geld spricht man nicht; daher die zahllosen umschreibenden Begriffe«, stellt der Volkskundler Lutz Röhrich 1991 im Lexikon der sprichwörtlichen Redensarten fest. Die Zahl dieser Umschreibungen liegt nach Einschätzung des Linguisten Rainer Schlösser allein für das Deutsche im dreistelligen Bereich. Weit verbreitet ist zum Beispiel die aus dem Rotwelschen stammende Benennung »Heiermann« für das frühere Fünf-DM-Stück beziehungsweise heute den Fünf-Euro-Schein.
buchstabenzahlen »Ausgangspunkt«, so Georg Schuppener in einem Beitrag über Geldbezeichnungen im Rotwelschen 2002, »sind die hebräischen Buchstabenzahlen, die auch im Rotwelschen weite Verbreitung fanden. Aus hej, ›fünf‹, wird durch Komposition mit -mann eine Personifikation, vielleicht angelehnt an Fünfer, vollzogen, um so den Begriff volksetymologisch irgendwie zu motivieren.«
Sinn und Zweck dieser und anderer Umschreibungen in der rotwelschen Gaunersprache war es, Außenstehenden gegenüber zu verschleiern, worüber man sprach. Der Heiermann war dabei nicht der einzige Begriff, der dem hebräischen und jiddischen Wortschatz entnommen wurde. Auch das Moos wie in »Ohne Moos nichts los« stammt dorther. Ein westjiddisches Sprichwort sagt: »As Got lost leben, mus er derzu mooss geben.« »Mooss« ist abgeleitet vom hebräisch-aramäischen mâ’ôth (= Münzen), von ursprünglich hebräisch mea: 100.
»Mooss mesummonim« war im Jiddischen bares Geld. Gaunersprachliche Vokabularien enthielten seit dem Jahr 1490 Varianten wie Moos, Moes, Mees, Mäß, Maas oder Mus, Sondersprachen wie die Münstersche Masematte zudem »klickermoos« (Taschengeld) und »schickermoos« (Geld zum Vertrinken). Oskar L. B. Wolff notiert in der Naturgeschichte des Deutschen Studenten (1842): »Moos heißt überall, wo lustige deutsche Brüder in ihrer Sprache reden, Geld.« So auch in Lortzings im selben Jahr uraufgeführter komischer Oper Der Wildschütz.
duden Aus dem pflanzlichen Moos entstanden auch die tierischen Mäuse, wie der Duden mutmaßt, »entstellt aus Moos oder nach dem Vergleich der (silber)-grauen Farbe der Mäuse mit der der Silbermünzen«. Für Schuppener entstammen »Moos« und »Mäuse« eindeutig demselben hebräischen Ausgangslexem. Es handele sich lediglich um das Resultat einer anderen lautlichen Entwicklung, die in beiden Fällen auf dem hebräischen mâ’ôth, aschkenasisch ausgesprochen maoß, basiert.
Da hebräisches mâ’ôth ein Plural ist, wird die Pluralität expliziert, indem von dem assoziierten Homonym Maus regulär der deutsche Plural Mäuse gebildet wird. Auch bei den laut Kluge (Deutsche Studentensprache, 1895) seit 1749 üblichen »Möpsen« geht es ursprünglich nicht um Hunde. Vielmehr ist »Mopp« für Knopf im »Hennese Flick« belegt, einer Krämersprache am Niederrhein.
finanzleben Die ursprüngliche Verschleierungsabsicht des Rotwelschen ist bei diesen Begriffen längst obsolet geworden. Jeder weiß, was mit Moos und Mäusen gemeint ist. Im Finanz- und Wirtschaftsleben behilft man sich heute stattdessen mit »unverständlichen Fachausdrücken und Anglizismen«, wie der Staranwalt Gerhard Strate feststellt, der das gegenwärtig in Hamburg anstehende Mammutverfahren gegen die HSH-Nordbank durch eine Strafanzeige auslöste.
Man sagt nicht »Verlust«, sondern »negativer Ertragsüberschuss«, nicht »Verteuerung«, sondern »Entzerrung des Preisgefüges«; es heißt »Beitragsanpassung« statt »Beitragserhöhung«. Können Anleiheschuldner geborgtes Geld nicht voll oder nicht rechtzeitig zurückbezahlen, dann diskutieren Experten nebulös über ein »Kreditereignis«, aus dem englisch ebenso unverständlichen »credit event«. Es geht auch ohne Jiddisch.