re:publica

Madame Cyberpunk

Wirklich nervös wirkt Keren Elazari vor ihrem Vortrag auf der großen Bühne der re:publica nicht. Die ganz in Schwarz gekleidete Frau ist schließlich gewohnt, vor Publikum zu sprechen, berät sie doch Regierungen in Fragen der Computer- und Netzsicherheit und lehrt gleich an mehreren Universitäten. »Take a ride in the cyberpunk express train« lautet der Titel der einstündigen Veranstaltung am Mittwochmittag, für die die Israelin extra nach Berlin gekommen ist.

An zahlreichen Beispielen zeigt Elazari die Entwicklung dessen, was als Cyberpunk vor 30 Jahren in den Werken von William Gibson die Leser fesselte: eine Subkultur, die technisch brilliant ohne Sicherheit lebt und auf sich allein gestellt gegen Bedrohungen kämpfen muss.

iPhone Wie selbstverständlich heute Technik benutzt wird, die noch vor wenigen Jahrzehnten in Science-Fiction-Büchern und Filmen für Staunen sorgte, zeige sich in praktisch allen Bereichen des Lebens, sagt die Sicherheitsexpertin und deutet auf ihren Arm. »Ich trage einen Schrittzähler, der jede meiner Bewegungen registriert, speichert und an mein iPhone schickt, wo dann die Daten analysiert werden und berechnet wird, wie viele Kalorien ich hoffentlich verbraucht habe«, erklärt Elazari.

Roboter auf dem Mars, Laserchirurgie, Technologie, die ausgefallene Körperfunktionen übernimmt, »wir sind mittendrin im Cyber-Zeitalter, dabei ist es doch erst 20 Jahre her, dass das Time Magazine Cyberpunk als Titelthema hatte«. »Und wer steuert heute die Boote? Sind es wir, oder sind es die Maschinen?«, fragt Elazari, »so viele Informationen werden über jeden von uns gesammelt – wirkliche Macht hat derjenige, der Zugang zu diesen Informationen hat. Und das ist genau das, was Hacker tun, sich Zugang verschaffen und im Idealfall mit diesen Informationen Gutes tun.« Ob die »hoch individualistischen, ihre eigenen Regeln aufstellenden und nach eigener Moral handelnden Hacker die neuen Superhelden oder die neuen Antihelden« werden, müsse die Zeit zeigen.

Rollerblades Viele werden eine ähnliche Entwicklung wie Elazari nehmen. »Ich war 14 Jahre alt, interessierte mich für Computer, hing in Chats und Foren herum und tauschte Informationen mit anderen aus, las viel, beschäftigte mich mit Kryptografie, also Verschlüsselungstechnik, und Computersicherheit. Und igendwann stellte ich fest: Oh, Leute wie mich nennt man also Hacker«, beschreibt Elazari ihre Jugend. Dass im Internet Geschlecht, Alter, Aussehen und Wohnort keine Rolle spielen, »zog mich magisch an«.

Andere Hacker zu finden, stellte sich damals in den 80ern für das Mädchen aus Tel Aviv allerdings nicht einfach dar. »Sollte ich in den Central Park gehen und nach ihnen suchen? Wonach genau sucht man da, Leuten auf Rollerblades vielleicht. Ich hab’s versucht, es funktionierte nicht – aber dafür lernte ich rollerbladen«, lacht sie. Hackerspaces (http://de.wikipedia.org/wiki/Hackerspace), Orte also, an denen sich Leute treffen können, um ungestört mit Technologie herumzuspielen und voneinander lernen zu können, gab es damals noch nicht.

Erst, als sie mit 18 Jahren einen Job in einem örtlichen Computerladen annahm, lernte sie viele Menschen kennen, die ähnlich tickten wie sie. Seit dem Jahr 2000 arbeitet Elazari im Bereich Computersicherheit, ein Thema, das besonders in Israel sehr wichtig ist. Schließlich ist das Land rund 1000 Cyberattacken pro Minute ausgesetzt, von denen die meisten jedoch harmlose Versuche von Aktivisten sind, Webseiten anzugreifen. Neben Finnland und Schweden ist Israel am besten auf solche Attacken vorbereitet, aber auch für alle anderen Staaten wird geeigneter Schutz immer wichtiger.

Stuxnet »2010 änderten sich die Regeln des Spiels«, beschreibt Elazari Stuxnet, den Computerwurm, der die iranischen Atomanlagen angriff. Cyber-Warfare sei numehr nicht nur Realität, sondern »die vierte Dimension des Krieges«, überall auf der Welt wurden in Folge Hacker durch Militärs rekrutiert, um unter anderem die Sicherheit von Netzen verbessern zu helfen und Abwehrmaßnahmen mit zu entwickeln.

Informationstechnologie und Sicherheitstechnik seien zum Milliardengeschäft geworden. Immer neue technische Entwicklungen führen schließlich nicht nur zu verbesserten Lebensverhältnissen, sondern werden auch neue Gefahren mit sich bringen, ist sich Elazari sicher.

Auch Gedankenlesen sei vielleicht schon bald Realität, sagt die Security-Expertin – und führt auf die skeptische Nachfrage eines Zuhörers aus: »Neurowissenschaftler machen sich unter anderem Magnetismus zunutze, um Gehirnwellen und Erinnerung zu erforschen. In naher Zukunft werden diese Erkenntnisse im medizinischen Bereich benutzt werden, um bislang als unheilbar geltende Krankheiten zu heilen.«

Aber vielleicht werden sie auch von Big Brother missbraucht – wie sogenannte embedded devices, also mit Technologie vollgestopfte Geräte, die in der Medizin verwendet werden. Dass Herzschrittmacher-Programme von außen überschrieben werden können, wurde schon 2008 von Hackern bewiesen, die zeigen wollten, dass es theoretisch möglich ist, einen Menschen damit zu töten. Und auch Insulinpumpen können gehackt werden.

Allerdings gebe es mittlerweile auch »viele fantastische Möglichkeiten für Hacker, die in die Welt hinausgehen und Gutes tun wollen«, betont Elazari.

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