Seit dem Prozess, den Mick Jackson hier mit Verleugnung verfilmt, sind 17 Jahre vergangen, doch er könnte kaum besser in unsere Zeit passen: Es geht um Meinungsfreiheit, um scheinbar unbezweifelbare Fakten und deren dreistes Abstreiten, um Strategien der Desinformation und Manipulation. Darf man einen Mann einen Lügner nennen, der behauptet, der Holocaust habe nie in der Weise stattgefunden, wie er in den Geschichtsbüchern steht?
Die amerikanische Universitätsprofessorin Deborah Lipstadt tat es, und der so bezeichnete David Irving, ein einstmals anerkannter, später berüchtigter britischer Historiker, verklagte sie in Großbritannien wegen Verleumdung. Damit stand plötzlich sehr viel auf dem Spiel: Hätte Irving den Prozess gewonnen, gälte die planmäßige Ermordung von Millionen Menschen juristisch nicht mehr als Fakt, sondern als Ansichtssache.
Beweislast Da das britische Rechtssystem die Besonderheit aufweist, dass bei Verleumdungsklagen die Beweislast beim Angeklagten liegt, mussten Lipstadt und ihre Anwälte belegen, dass der Holocaust stattgefunden hat. Ein Kinodrama darüber hätte man nun nicht unbedingt von Mick Jackson, dem TV-Routinier und Regisseur des Schmachtfetzens Bodyguard, erwartet. Doch kommt ihm hier zweifellos seine frühe Erfahrung als Dokumentarfilmer zugute, und er kann auf ein exzellentes Drehbuch von David Hare (Der Vorleser) bauen, das packend davon erzählt, wie schwierig es sein kann, eine historische Wahrheit zu beweisen.
Teils wörtlich den Gerichtsprotokollen entnommen, widmen sich die Dialoge auch scheinbar nebensächlichen Details, die aber erst die ganze Tragweite der Geschichtsklitterung Irvings erkennen lassen. Luftschächte in Krematoriumsdächern, Übersetzungsfragen einzelner Formulierungen in NS-Telefonprotokollen – entlang solcher Streitpunkte entspinnt sich hier die Spannung.
Dass man als Zuschauer bei der Stange bleibt, dafür sorgt auch die glänzende Besetzung: Oscarpreisträgerin Rachel Weisz als quirlige New Yorker Intellektuelle Lipstadt, die mit so manchem Kompromiss ringt, den ihr die Anwälte im Dienst einer zielführenden Strategie aufnötigen; Tom Wilkinson als Anwalt Richard Rampton, dessen Leidenschaft für die Sache sich hinter einer nüchternen Fassade verbirgt. Ganz besonders aber Timothy Spall, der als Irving eine prekäre Balance zwischen Bosheit und Skurrilität meistert – ein britischer Oberschichtler, der sich als Rebell gegen den sogenannten Meinungsmainstream inszeniert und nur zu gern provoziert, doch zugleich etwas merkwürdig Verlorenes ausstrahlt.
souverän Zwar stören vor allem zu Beginn und zum Ende einige klischeehaft inszenierte Passagen, dazwischen jedoch ist Verleugnung souverän und konzentriert ins Bild gesetzt. Regie, Kamera (Haris Zambarloukos) und Schnitt (Justine Wright), auch die sehr dezente Musik von Howard Shore greifen oft nahtlos ineinander, ganz im Dienste der Erzählung und mit angemessenem Respekt vor dem Thema.
So gerät in Verleugnung auch eine lange Szene am Originalschauplatz Auschwitz nicht kitschig, sondern lässt durch ihren dokumentarisch anmutenden, insistierenden Kamerablick den Skandal der Holocaustleugnung in aller Schärfe hervortreten.
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