Herr Donskoy, »Freitagnacht Jews« geht in die zweite Runde. Jetzt waren Sie in London, Tel Aviv und Buenos Aires unterwegs. Ist Ihnen Deutschland zu klein geworden?
Deutschland ist mir nicht zu klein geworden, aber die jüdischen Perspektiven im Ausland erschienen mir oft spitzer, ehrlicher und prägnanter. Nicht so kuratiert und performativ, wie es leider so oft in Deutschland passiert. Nach der ersten Staffel, in der wir Perspektiven beleuchten konnten, die vorher mehrheitlich kein Gehör im öffentlich-rechtlichen Universum bekommen haben, waren in der zweiten Staffel die Reisen für uns die einzig richtige und organische Weiterentwicklung dieser Show.
Sie wollen sich vom deutschen, neurotischen Blick, der zwischen Philosemitismus und Antisemitismus gefangen sei, lösen. Was ist damit gemeint?
Gefangen zwischen den jährlichen »Nie wieder!«-Bekundungen und dem Umgang – auch dem der Politik – mit der documenta. Gefangen zwischen dem ganz unkritischen »Wir stehen an der Seite Israels« und dem Gedanken, dass Antisemitismus ja nur am Rande der Gesellschaft stattfindet. Oft erlebt man Menschen, die selbst zwei oder drei jüdische Freunde haben und dennoch unerklärlichen Narrativen folgen, und die einem plausibel erklären wollen, warum eine kulturell basierte Form des Antisemitismus okay ist. Ich würde mich freuen, wenn ich nicht plakativ erklären müsste, was antisemitisch ist und was nicht. Man kann auf sein Gefühl vertrauen: Wo Antisemitismus draufsteht, ist meistens Antisemitismus drin.
Macht es woanders mehr Spaß, Jude zu sein?
Sagen wir so, für mich ist es zurzeit in London auf jeden Fall relaxter.
Wollen Sie nichtjüdischen Deutschen also zeigen, dass es entspannter laufen kann?
Wenn das am Ende als Einziges bei den Zuschauerinnen hängen bleibt, haben wir etwas falsch gemacht. Wir vergleichen natürlich die gesellschaftlichen Strukturen und gehen wieder mit prägnanten Thesen in die Gesprächssituationen. Aber natürlich ist es nicht einfach überall besser. In der Türkei ist das meine Leitfrage, ob es in einem mehrheitlich muslimischen Land, dessen Regierung den Islam politisch instrumentalisiert, überhaupt eine Zukunft für ein freies jüdisches Leben geben kann. In Deutschland macht es vielleicht nicht immer Spaß, es kann auch gefährlich werden – aber zumindest sehe ich hier immer noch eine klare Zukunft für jüdisches Leben.
Welche Erfahrungen aus der ersten Staffel fließen in die neuen Folgen mit ein?
Dass 25 Minuten Sendezeit nicht genügen. Dass wir uns noch mehr trauen können und wollen. Die neuen Folgen sind tiefer und beobachtender, ohne den Humor aus dem Fokus zu verlieren. Der WDR hat zumindest in Sachen Programmierung keine Erfahrungen einfließen lassen: »Freitagnacht Jews« Staffel 2 läuft am Stück mitten in der Nacht. Na ja, das große Festjahr ist vorbei.
Mit dem Schauspieler sprach Ralf Balke.