Antisemitismus

»Löckchen und Hakennase«

In der Kritik: Nizar Akremi Foto: imago images/Jan Huebner

Antisemitismus

»Löckchen und Hakennase«

Der Comedian Nizar Akremi bedient sich in einer seiner Shows sämtlicher judenfeindlicher Ressentiments. Alles »nur Spaß«, wie er beteuert?

von Joshua Schultheis  19.07.2022 16:40 Uhr

Der Comedian Nizar Akremi muss nur ein Wort sagen: »Juden«. Es reicht, um im Publikum Lachen und Applaus auszulösen. »Juden besitzen Restaurants«, verkündet er danach. »Keine Sorge, ist alles ganz harmlos«, beschwichtigt er. Anschließend erzählt Akremi, wie er einmal den jüdischen Besitzer eines israelischen Restaurants kennengelernt habe. Harmlos wird diese Schilderung jedoch nicht bleiben.

Reichweite Mit seinen Witzen erreicht der 38-Jährige viele Menschen. Über 350.000 Follower hat er auf Facebook. Seit 2015 ist der gebürtige Bonner, der unter seinem Vornamen Nizar auftritt, als Stand-up-Comedian einem größeren Publikum bekannt. Unter anderem hatte er Fernsehauftritte beim Hessischen Rundfunk (hr), hostet einen erfolgreichen Podcast und tourt mit seinen Programmen durch ganz Deutschland. Nizars Anekdote über den jüdischen Restaurantbesitzer ist in einer einstündigen Show zu sehen, die Akremi Mitte Juni bei YouTube online stellte. Das Video wurde bisher über 130.000 Mal aufgerufen.

»Es ist geil einer von euch zu sein. Ihr habt die ultimative Macht!«

nizar akremi

Darin erzählt Akremi, dass er überprüft habe, ob der Restaurantbesitzer auch tatsächlich ein echter Jude sei, indem er eine Münze in die Luft warf. Der Mann habe sofort zugeschnappt. »Ok, der ist Original«, so Nizar. Der Witz ist eine Anspielung auf das antisemitische Klischee vom geldgierigen Juden.

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Akremi habe sich noch nie mit einem Juden unterhalten und sich daher auf das Treffen gefreut. »Juden aus Israel, mit so Löckchen und Hakenhasen«, sagt Akremi und sofort danach: »Nein, Spaß!« Immer wieder relativiert der Comedian seine stereotypen Aussagen über Juden mit dem Hinweis, diese seien nur witzig gemeint. »Ich mein’s nicht böse, es dient der Unterhaltung«, erklärt er an einer Stelle.

»Wir saßen, haben geredet und hatten Spaß«, beschreibt er sein Treffen mit dem Juden. Nach und nach habe sich die Familie des Restaurantbesitzers zu ihnen gesellt. »Ein Jude nach dem anderen«, erzählt Akremi. »Krass, sind noch voll viele von denen übrig!«, habe er gedacht. Ein Witz auf Kosten der im Holocaust ermordeten Juden.

Auch das Klischee des gierigen Juden breitet Akremi weiter aus. »Irgendwann saß ich da allein zwischen 20 Juden – kein Hass, kein Stress, nur Liebe – nichts ist passiert.« Die Pointe: »Klar, irgendwann wurde es immer enger, und sie fingen an, mir Sachen wegzunehmen.«

Darauf gibt es viel Applaus im Publikum, den Akremi so kommentiert: »Keine Politik heute. Aber mit denen darf man sowieso keine Politik machen.« Mit »denen« dürften die israelischen Juden gemeint sein, denen von den Feinden Israels immer wieder vorgeworfen wird, die alleinige Schuld am Nahostkonflikt zu haben.

»Narrenfreiheit« »Die Juden in diesem Land genießen eine gewisse Narrenfreiheit«, spinnt Akremi seinen Sketch weiter. Zurecht, wie er findet: »Weil, was denen angetan wurde vor 90 Jahren, das kann man nicht wiedergutmachen.« Man müsse akzeptieren, dass man Juden nicht kritisieren dürfe, und genau deshalb wäre Akremi am liebsten selbst Jude. »Es ist geil, einer von euch zu sein. Ihr habt die ultimative Macht!«, habe er dem jüdischen Restaurantbesitzer gesagt.

Wenn Akremi Jude wäre, würde er auf die Bühne gehen und sagen: »Tritt Babys ins Gesicht und wirf Frauen von der Klippe!« Niemand würde sich dann trauen, etwas gegen ihn zu sagen. Hier schwingt der antisemitische Vorwurf mit, Juden beziehungsweise Israelis würden gezielt Kinder und Frauen angreifen und töten.

Wenn Akremi Jude wäre, behauptet er in seiner Show, würde er auf die Bühne gehen und sagen: »Tritt Babys ins Gesicht und wirf Frauen von der Klippe!«

Akremi fährt fort: Am liebsten würde er sich »ein Davidstern-Branding auf die Stirn machen« und im Auto mit 180 durch die 30er-Zone fahren. Sollte ihn ein Polizist anhalten, würde er sagen: »Hat mein Volk nicht genug gelitten?« Diese Aussagen sind ein typisches Beispiel für den sogenannten Post-Schoa-Antisemitismus, in dem Juden vorgeworfen wird, den Holocaust für ihre eigenen Zwecke auszunutzen.

Die nächsten 45 Minuten spricht Akremi dann unter anderem über Ausländer, Feministinnen ­– die er allesamt »bös hässlich« findet – sowie Homo- und Transsexuelle. »Ich hasse niemanden, ich mach nur Spaß«, beteuert er mehrmals. Aber es gebe »gewisse Gruppierungen«, darunter auch die Juden, »bei denen macht es ein bisschen mehr Spaß, weil die sich mehr aufregen«.

Empörung Dass er mit seinen Witzen, die zum größten Teil auf antisemitischen, rassistischen und frauenfeindlichen Vorurteilen beruhen, einigen Gegenwind provozieren würde, hat Akremi bewusst einkalkuliert. Seine Show hat er »Shitstorm« genannt.

Die große Empörung blieb jedoch lange aus. Erst seit einigen Tagen wird in den sozialen Medien vermehrt Kritik an der Show des Comedian geübt. Eine jüdische Journalistin, die auch für diese Zeitung schreibt, äußerte sich auf Twitter zu Wort. Wie »Schläge in die Magengrube« hätten sich Akremis »antisemitische Witze« für sie angefühlt. »Das kriegt Beifall?«, fragt sie empört. »Seid ihr alle meschugge?«

Ein anderer Twitter-Nutzer fragt ironisch: »Endlich mal wieder herzhaft darüber lachen, was Juden für große Nasen haben?« Kein Problem sei das: »Schaut euch einfach die ›Comedy‹- Show von Nizar an«. Twitter hat diesen Beitrag mittlerweile gelöscht, weil er gegen die Richtlinien der Plattform verstoße. Akremis Auftritt samt judenfeindlicher Witze ist dagegen nach wie vor ohne Schwierigkeiten auf YouTube abrufbar. Weder der Comedian noch sein Management haben bisher auf eine Anfrage der Jüdischen Allgemeinen reagiert.

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