Stockholm

Nobelpreis für Literatur geht an Louise Glück

Die amerikanisch-jüdische Lyrikerin erhält für ihr Werk die wichtigste literarische Auszeichnung

von Steffen Trumpf  09.10.2020 12:43 Uhr Aktualisiert

US-Präsident Barack Obama verleiht der Dichterin Louise Glück 2015 die »National Humanities Medal«. Foto: dpa

Die amerikanisch-jüdische Lyrikerin erhält für ihr Werk die wichtigste literarische Auszeichnung

von Steffen Trumpf  09.10.2020 12:43 Uhr Aktualisiert

Die amerikanisch-jüdische Lyrikerin Louise Glück erhält in diesem Jahr den Literaturnobelpreis. Das gab die Schwedische Akademie am Donnerstag in Stockholm bekannt. Die 77-Jährige werde »für ihre unverkennbare poetische Stimme« ausgezeichnet, mit der sie »mit strenger Schönheit die individuelle Existenz universell« mache, sagte der Ständige Sekretär der Akademie, Mats Malm. Glück sei überrascht, aber trotz des frühen Morgens in den USA glücklich gewesen über die Nachricht, sagte Malm am Mittag.

Louise Glück ist väterlicherseits Nachfahrin jüdischer Einwanderer aus Ungarn. Ihre Großeltern hatten in New York ein Lebensmittelgeschäft. Louise Glücks Vater Daniel (1905-1985) war Erfinder. Ihre Mutter Beatrice starb 2011 im Alter von 101 Jahren.

BIOGRAFIE Die Literaturnobelpreisträgerin Louise Glück hat für ihre Schriften in ihrer amerikanischen Heimat schon höchste Auszeichnungen erhalten - in Deutschland ist die Lyrikerin und Essayistin den meisten wohl eher unbekannt.

Die 77-Jährige wird »für ihre unverkennbare poetische Stimme« ausgezeichnet, mit der sie »mit strenger Schönheit die individuelle Existenz universell« macht.

Gerade einmal zwei ihrer Werke liegen auf Deutsch vor: die Gedichtsammlungen »Averno« (2007), in der sie sich dem Zusammenspiel von Mythologie und Mensch nähert, und »Wilde Iris« (2008) über den Kreislauf von Natur und menschlichem Dasein.

Schon als Mädchen schrieb sie Gedichte. Nach ihrem Debüt »Firstborn« (1968) veröffentlichte die heutige Literaturprofessorin bislang elf weitere Gedichtbände sowie mehrere Bücher mit Essays über Poesie.

Spätestens seit »The Triumph of Achilles« (1985) ist sie einem größeren US-Publikum bekannt. Aktuell lehrt sie an der US-Elite-Uni Yale Englisch.

PULITZER-PREIS Für »Wilde Iris« erhielt sie 1993 den prestigeträchtigen Pulitzer-Preis, 2014 bekam sie den National Book Award für »Faithful and Virtuous Night«. Glück war zeitweise Vorsitzende des Literaturkomitees der American Academy of Arts and Letters, zudem auch im Führungszirkel der Academy of American Poets.

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Der »Washington Post« sagte die Schriftstellerin einmal, zu ihren Lieblingsautoren zählten unter anderem T. S. Eliot und William Carlos Williams. Nach Angaben der Zeitung war Glück zweimal verheiratet und hat einen Sohn.

VERGRIFFEN Die auf Deutsch erschienenen Bücher der frischgekürten Literaturnobelpreisträgerin sind beim Luchterhand Literaturverlag vergriffen. »Wir sind gerade dabei, die Rechte neu zu verhandeln«, sagte Sprecher Karsten Rösel am Donnerstag.

Bei Luchterhand erschienen zwei Bände auf Deutsch: 2007 »Averno« und 2008 »Wilde Iris«. Die Gedichte wurden aus dem Amerikanischen von Ulrike Draesner übersetzt. Draesner ist selbst eine preisgekrönte Romanautorin, Essayistin und Lyrikerin.

Zur Nachricht aus Stockholm sagte Luchterhand-Sprecher Rösel: »Uns hat das überrascht und gefreut.« Andere deutsche Übersetzungen von Glücks Texten seien ihm nicht bekannt. Rösel sagte weiter, wenn sie mit einem Gewinner aus ihrem Haus gerechnet hätten, dann eher mit Maryse Condé, die als eine der Favoritinnen galt.

GARTEN EDEN Zu den 56 mit dem Pulitzerpreis ausgezeichneten Gedichten in »Wilde Iris« heißt es laut der Angaben auf Draesners Website, diese »besingen den unüberwindlichen Gegensatz zwischen dem ewigen Kreislauf der Natur und dem individuellen menschlichen Leben, die Diskrepanz zwischen dem Garten Eden und der Conditio humana.« Louise Glück interessiere dabei nicht der Sündenfall. »Mit ihrer klaren, scheinbar schlichten Sprache versetzt sie sich mal in eine Pflanze, mal in einen Gärtner, mal in Gott – und erkundet so die Essenz des menschlichen Seins.«

Zum Band »Averno« heißt es, der Titel sei der Name eines vulkanischen Kratersees in der Nähe von Neapel. »Für die alten Römer war hier der Eingang zur Unterwelt.« Die Mythologie, die Natur, der Mensch zwischen Liebe, Leben und Tod – das seien die Themen der mit zahlreichen Preisen ausgezeichneten Dichterin Glück.

VORJAHR Die Nobelpreise sind diesmal mit zehn Millionen Schwedischen Kronen (rund 950.000 Euro) pro Kategorie und damit einer Million Kronen mehr als im Vorjahr dotiert. Damals hatte die Akademie gleich zwei Preise vergeben, weil die Vergabe 2018 wegen eines umfassenden Skandals um das mittlerweile ausgetretene Akademiemitglied Katarina Frostenson und ihren Ehemann Jean-Claude Arnault zunächst ausgefallen war.

Deshalb war die Polin Olga Tokarczuk im vergangenen Jahr nachträglich als Preisträgerin 2018 bestimmt worden, während der Österreicher Peter Handke die Auszeichnung für das Jahr 2019 erhielt. Wegen Handkes umstrittenen Haltungen zum Jugoslawien-Konflikt hatte seine Auswahl in der Folge zu Kritik und auch Protesten geführt.

Louise Glück ist väterlicherseits Nachfahrin jüdischer Einwanderer aus Ungarn.

Offiziell gewürdigt werden die Nobelpreisträger traditionell am 10. Dezember, dem Todestag von Preisstifter und Dynamit-Erfinder Alfred Nobel. Die prunkvollen Preiszeremonien, auf denen die Geehrten dann üblicherweise ihre Medaillen und Diplome erhalten, finden in diesem Jahr wegen der Corona-Pandemie nicht statt.

OSLO Die Preisverleihung im Konzerthaus von Stockholm soll durch eine im Fernsehen übertragene Vergabe im Rathaus der Stadt ersetzt werden, auf der die Preisträger aus ihrer Heimat zugeschaltet werden sollen. Auch die Verleihung des Friedensnobelpreises, der als einziger in Oslo und nicht in Stockholm vergeben wird, wird coronabedingt deutlich kleiner ausfallen.

Seit Anfang der Woche sind bereits die Nobelpreisträger in den wissenschaftlichen Kategorien Medizin, Physik und Chemie verkündet worden. Unter den Auserwählten war mit dem Astrophysiker Reinhard Genzel auch ein Deutscher. Am Freitag wird der diesjährige Friedensnobelpreisträger benannt, zum Abschluss folgt dann am Montag noch der Wirtschaftsnobelpreis, der als einziger nicht auf Nobels Testament zurückgeht.

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