Wenn Noah Levi von seiner Schulzeit erzählt, so ist von miesen Zeugnissen, geringer Motivation und Konzentrationsschwäche die Rede. Bald aber stellte er fest, dass die Motivation eine andere war, wenn er sich hinsetzte, Liedtexte schrieb und Melodien entwarf. Damit konnte er sich stundenlang konzentriert beschäftigen, und das auch schon mit elf Jahren. Bekanntlich können viele arrivierte Künstler ähnliches berichten. Ein kreatives Talent ist eben nicht zwingend mit schulischen Leistungen kompatibel.
CASTINGSHOW Bei Noah Levi kommt hinzu, dass er in einem künstlerischen Klima aufwuchs: Die Mutter ist Schauspielerin, die Großmutter Regisseurin. Mit 13 Jahren siegte er 2015 in der Castingshow »The Voice Kids« auf SAT1. Sie zu gewinnen, hatte er angeblich gar nicht vor. Er wollte nur mal sich und seine Songs vor einem großen Publikum ausprobieren. Objektiv seien andere Kandidaten bessere Sänger gewesen als er selbst, sagt der Singer-Songwriter heute, der gerade sein erstes Album mit dem Titel 555 fertiggestellt hat.
Und dann sagt der 21-Jährige solche selbstbewussten Sätze wie: »Aus einem kommerziellen Faktor heraus war es schon die richtige Entscheidung, mich gewinnen zu lassen. Für die Vermarktung braucht man eben mehr als nur eine gute Stimme, das muss man ganz klar sagen.«
JEWROVISION Schon im Jahr nach seiner Wahl saß er neben Andrea Kiewel und anderen beim Jewrovision Song Contest in der Jury. Für Noah Levi begann eine Zeit des Ausprobierens, wozu auch der animierte Kinofilm Die Häschenschule gehört, in dem er nicht nur sang, sondern seine Stimme auch dem kleinen Stadthasen Max lieh. Drehbuchautorin Katja Grübel schwärmte bei der Premiere auf der Berlinale, dies sei exakt die Stimme, die ihr beim Schreiben vorgeschwebt habe. Dann kam Corona, und eine geplante Clubtour wurde mehrfach verschoben. Die Zeit des Lockdowns aber konnte kreativ genutzt werden, das Album entstand, und am 6. September beginnt nun in Wien die Tour durch zehn Städte in Österreich, Deutschland und der Schweiz.
Der Titel 555 entspreche einer Engelszahl, sagt Noah Levi. Sie bedeute, dass eine große Veränderung im Leben stattfinden wird. In welcher irdischen Weisheitslehre dies zu finden ist, vermag Noah Levi nicht zu sagen und räumt ein, es könne sich um Aberglauben handeln. Darauf gebracht habe ihn seine Freundin, die seit anderthalb Jahren an seiner Seite lebt.
Eine auffallende Veränderung seines musikalischen Stils hingegen ist keinem himmlischen Wesen zu verdanken, sondern dem Zusammentreffen mit dem Frankfurter DJ Joel Olchow.
GRUNDSCHULE Es war nicht deren erste Begegnung, besuchten sie doch einst in Berlin dieselbe Klasse der jüdischen Grundschule. Damals aber haben sie nie ein Wort miteinander gesprochen. Ein gemeinsamer Freund hat sie nun zusammengebracht. Vereint erarbeiteten sie das Album, das stilistisch sehr breit aufgestellt ist. Bei den Konzerten wird das Publikum im Laufe des Abends vorwiegend Liebeslieder in einer Mischung aus R&B, Soul, Pop, Trap, aber auch mit Anklängen an Hip-Hop und sogar jazzigen Elementen zu hören bekommen.
Selbstbewusst trägt Noah Levi einen Davidstern um den Hals. Die Verbindung zum Judentum sei ihm wichtig, sagt er, wenngleich er die jüdische Identität eher als eine kulturelle denn eine religiöse versteht. Sie stellt für ihn eine emotionale Verbindung zu seiner Kindheit und frühen Jugend dar. Schließlich sei er ja schon mit der Krabbelgruppe in der Kölner Synagoge gewesen. Und der Besuch der jüdischen Grundschule hat offenbar, wenngleich einige Jahre später, neben nicht so guten Zensuren doch noch ein positives Ergebnis gebracht – die kreative Zusammenarbeit mit dem einstigen Klassenkameraden Joel Olchow.
Vielleicht hatten da ja doch die Engel ihre Hände im Spiel. Das Album 555 jedenfalls verdient Beachtung – und Noah Levis Livekonzerte sowieso.