Kino

Liebhaber des Wahnsinns

Regisseur Todd Phillips widmet sich menschlichen Abgründen. Das zeigt er auch in der Fortsetzung von »Joker«

von Jens Balkenborg  27.09.2024 13:42 Uhr

Kinematografischer Forscher: Todd Phillips Foto: IMAGO/ZUMA Press Wire

Regisseur Todd Phillips widmet sich menschlichen Abgründen. Das zeigt er auch in der Fortsetzung von »Joker«

von Jens Balkenborg  27.09.2024 13:42 Uhr

Man muss attestieren: Der Wahnsinn in verschiedenen Spielarten begleitet schon immer das Kino von Todd Phillips, auch in seinem bisher radikalsten Film Joker, der Origin Story des irren Batman-Antagonisten mit der Clowns-Fratze. Phillips interpretiert die Joker-Werdung des Arthur Fleck, kongenial gespielt von Joaquin Phoenix, als düstere Allegorie auf unsere Zeit, in der Einsamkeit und soziale Verwerfungen aus einer missverstandenen und gestörten Seele einen Terrorclown machen.

Das irre Lachen des Jokers hallte lange nach und wurde beim Filmfest in Venedig mit dem Goldenen Löwen geehrt. Im Gegensatz dazu wurde Joker: Folie à Deux, der kürzlich eben dort Premiere feierte, von der Kritik eher verhalten aufgenommen. Darin spinnt Phillips das Schicksal des Jokers in einer Art Musical-Gefängnisfilm weiter. Neben Phoenix spielt dieses Mal Pop-Diva Lady Gaga.

Keinen Schimmer, was in der letzten Nacht passiert ist

Purer Wahnsinn steckte auch in Hangover, dem Phillips später wegen des irrsinnigen Erfolgs zwei weitere Teile folgen ließ. Hangover ist der filmgewordene Filmriss: Drei Freunde wachen nach einem verrauschten Junggesellenabschied in Las Vegas in einer völlig verwüsteten Suite auf, ein Huhn tapst durch das Chaos, im Badezimmer brummt ein Tiger und das Schlimmste: Der Bräutigam ist weg, und keiner hat einen blassen Schimmer, was in der letzten Nacht passiert ist.

Hangover war der köstliche Gipfel jener Komödienphase, mit der der 1970 in Brooklyn als Kind einer jüdischen Familie geborene Regisseur von sich reden machte. Seine Faszination für männliche Beziehungen begründete Phillips in einem Gespräch mit der »New York Times« in dem Fehlen einer Vaterfigur. Der Regisseur wuchs auf Long Island bei seiner Mutter mit zwei älteren Schwestern auf. Er erforsche die Unbeholfenheit zwischen Männern gern, erklärte Phillips augenzwinkernd.

Als kinematografische Feldforschung männlicher Blödeleien lassen sich weitere Filme lesen.

Als kinematografische Feldforschung männlicher Blödeleien lassen sich weitere Filme lesen. In Road Trip, seinem Hollywood-Debüt, begibt sich eine Bande notgeiler College-Jungs auf einen Trip, weil einer aus der Clique seiner Fernbeziehungsfreundin versehentlich eine Videokassette seines Seitensprungs zuschickt und versucht, das Band abzufangen.

In Old School gründen ein paar von der Midlife-Crisis geplagte Mittdreißiger eine Studentenverbindung, weil sie noch einmal ein rauschinduziertes Studenten­leben genießen wollen. Neben Luke Wilson spielen Vince Vaughn und Will Ferrell, der als Schluckspecht Frank »The Tank« in die Annalen der Highschool-Klamotte eingegangen ist. Und mit Starsky & Hutch widmete er dem 70er-Jahre-Polizeidrama eine humorvolle Hommage mit Ben Stiller und Owen Wilson in den Hauptrollen.

Studium an der NYU Film School

Ursprünglich kam Phillips, der sein Studium an der NYU Film School nicht beendete, vom Dokumentarfilm. 1998 gewannen er und Andrew Gurland mit Frat House beim Sundance Film Festival den Großen Preis der Jury für Dokumentarfilm. Darin setzt sich das Duo mit den dunklen Seiten des in Amerika weit verbreiteten Verbindungslebens und mit Aufnahmeritualen auseinander.

Auf der Zunge zergehen lassen muss man sich die Ereignisse rund um seine erste Regiearbeit überhaupt, Hated: GG Allin and the Murder Junkies, einer dokumentarfilmischen Auseinandersetzung mit dem umstrittenen Punkrocker GG Allin. Phillips fragte den verurteilten Serienmörder John Wayne Gacy, einen Bekannten von GG, per Brief, ob der nicht das Plakat für den Film malen könne. Der willigte gegen 50 Dollar für Künstlerbedarf und ein Foto des Regisseurs ein. Mit den verkauften Kopien des Plakats nahm Phillips die rund 12.000 Dollar ein, die für die Produktion des Dokumentarfilms benötigt wurden. Der Serienmörder sei, so der Regisseur später, der »ausführende Produzent«. Wahnsinn eben.

»Joker: Folie à Deux« ist ab dem 3. Oktober im Kino zu sehen.

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