Einige große Komponisten mussten zeitlebens um Anerkennung kämpfen. Nicht so Felix Mendelssohn Bartholdy (1809-1847). Seine Zeitgenossen überschütteten ihn regelrecht mit Lob. Als er am 4. November 1847 überraschend in Leipzig starb, trauerten Musiker und Musikliebhaber in ganz Europa. Der einflussreiche und mitunter gefürchtete Wiener Musikkritiker Eduard Hanslick notierte, die Nachricht vom Tod Mendelssohns sei »wie ein Blitzschlag« eingetroffen. »Es gab keinen Streit darüber: die musikalische Kirche hatte ihr sichtbares Oberhaupt verloren«, konstatierte er.
Mendelssohn hatte denkbar gute Startbedingungen für eine Künstler-Karriere. Er stammte aus einer wohlhabenden bürgerlichen jüdisch geprägten Familie - Philosoph Moses Mendelssohn war sein Großvater - und erhielt eine umfassende Bildung. Die Kinder wurden christlich erzogen. Bereits als Neunjähriger trat Felix öffentlich als Pianist auf, wenig später begann er zu komponieren. Besonders gut verstand er sich mit seiner älteren Schwester Fanny, mit der er musikalische Ideen teilte und für die er einige Werke schrieb.
Bei den Sonntagskonzerten im Hause Mendelssohn führten nicht nur professionelle Musiker mit den Mendelssohn-Kindern Werke auf. Bekannte Persönlichkeiten gingen dort ein und aus. Felix lernte dort unter anderen Georg Wilhelm Friedrich Hegel, Heinrich Heine, E.T.A. Hoffmann und die Brüder Wilhelm und Alexander von Humboldt kennen.
Mendelssohn macht schnell große Sprünge: Bereits mit 17 Jahren komponierte er die bis heute beliebte Musik zu William Shakespeares Komödie »Ein Sommernachtstraum«. Er nahm Künstler, Promis und Gelehrte für sich ein; Zeitgenossen verglichen ihn mit Mozart. Bis Weimar drang das Lob zum Dichter Johann Wolfgang von Goethe vor. Und so verbrachte Mendelssohn als Jugendlicher rund zwei Wochen bei Goethe und spielte ihm täglich zwei Stunden am Klavier vor.
Prägenden Einfluss hatte wohl ein Geschenk von Mendelssohns Großmutter: Sie gab ihm eine Abschrift von Johann Sebastian Bachs Matthäus-Passion. Das Werk war seit Bachs Tod 1750 nicht mehr aufgeführt worden. Ohne Mendelssohns Einsatz hätte sich daran womöglich auch erstmal nichts geändert. Der 22-Jährige setzte zahlreiche Hebel in Bewegung und organisierte 1829 in Berlin eine Aufführung des Werkes. Fortan spielte Mendelssohn regelmäßig Werke »alter Meister« wie Bach, Haydn und Händel.
Auch international wurde der Komponist immer populärer. Er bereiste England, wo seine Musik begeistert angenommen wurde, und verliebte sich in Schottland. Die Landschaft inspirierte ihn zu seiner »Schottischen Symphonie«, eine von Übelkeit geplagte Schiffsfahrt zur Felseninsel Staffa zur berühmten »Hebriden-Ouvertüre«. Bei Queen Victoria war Mendelssohn ein gerngesehener Gast.
Ab 1835 arbeitete er in Leipzig als Kapellmeister am Gewandhaus. Er war einer der ersten Dirigenten im modernen Sinne, arbeitete mit dem Orchester, anstatt die Proben dem Konzertmeister zu überlassen, und setzte sich auch darüber hinaus für die Belange seiner Musiker ein. Als Mendelssohn erfuhr, dass sie so wenig verdienten, dass sie nach dem Dienst in Gasthäusern Märsche und Walzer spielten, erwirkte er eine Gehaltserhöhung.
Für Mendelssohn war Leipzig ein Glücksfall. Mit seinem Orchester führte er regelmäßig Werke von Haydn, Beethoven oder Bach auf. Für seinen Freund, den Leipziger Konzertmeister Ferdinand David, schrieb er jahrelang an seinem berühmten Violinkonzert in e-Moll - und verpasste dann wegen eines anderen Termins die Uraufführung 1845.
Denn Mendelssohn arbeitete viel, reiste regelmäßig nach England und hatte zahlreiche Verpflichtungen und Termine. Der Druck erschöpfte ihn. Ein Freund merkte an, Mendelssohns Jugendfrische und seine Heiterkeit seien einem Überdruss und einer Müdigkeit gewichen. An seinen Bruder Paul schrieb Felix, er sehne sich nach Ruhe.
Die Nachricht vom Tod seiner geliebten Schwester Fanny erschütterte den Komponisten. Wenige Monate später erlitt er selbst mehrere Schlaganfälle. Er wurde nur 38 Jahre alt. Zu seiner Trauerfeier erklang der Schlusschoral aus Bachs Matthäus-Passion »Wir setzen uns mit Tränen nieder«.