Krieg gegen Israel
Eine Sonderausgabe
Jüdische Allgemeine vom 12. Oktober
Das Cover-Blatt der aktuellen Ausgabe der Jüdischen Allgemeinen trifft genau meine gegenwärtige Gefühlslage. Umgehend bin ich noch einmal zum Kiosk gegangen, um mir ein zweites Exemplar zu holen. Ein Titelblatt hängt nun außen, ein zweites innen an meiner Wohnungstür. Die Selbstdemaskierung der Hamas ab dem 7. Oktober hat die bisher übliche Sprachregelung in den seriösen Nachrichtenredaktionen durcheinandergebracht. Zwar ist immer noch das Kompliment »radikal-islamische Kämpfer« zu hören, doch die nun offenkundige Barbarei der Regierung in Gaza führt auch bei den hiesigen Medien zu realitätsnäherer Terminologie: Es sind islamistische Terroristen. Der gerade ständig von Politikerinnen und Politikern wiederholte Begriff »Staatsräson« scheint ziemlich diffus zu sein, denn seine Umsetzung in reale Handlungen bleibt bis auf Weiteres unklar. Der darin enthaltene ultimative Anspruch bleibt bislang nicht einmal ansatzweise eingelöst. Eine gegenteilige Entwicklung war jedoch abzusehen. Inzwischen ist die Berichterstattung zur traditionell dominanten Perspektive zurückgekehrt. Die Palästinenser sind die leidenden Opfer. Schuld daran trägt wie ehedem – Israel. Eine für jedermann verständliche Politik würde sein: Die EU stoppt alle Zahlungen und auch humanitären Hilfen für Gaza so lange, bis die in den Händen der Hamas befindlichen Geiseln an Israel übergeben worden sind. Das wäre humanitär und würde gleichzeitig zeigen, wer die Verantwortung für das gesamte Leid im gegenwärtigen Krieg trägt, nämlich die Hamas. Es macht mich zornig, dass die EU und auch die Bundesregierung vor diesen Verbrechern einknicken. Es ließ mich schaudern, als ich die eisige, empathielose Stimme von Josep Borrell hörte, als er forderte, die bisherigen Zahlungen für die palästinensischen Gebiete müssen nicht nur weiterlaufen, sondern deutlich erhöht werden. Diese Entscheidung lässt mich an ein Buch denken, das ich in den 80er-Jahren als Entwicklungshelfer in Westafrika las. Der Titel ist absolut aktuell. Brigitte Erler: »Tödliche Hilfe«.
Itai Axel Böing, Berlin
Ich habe gezögert, weil ich mich Ihnen nicht aufdrängen will. Deswegen ist es unnötig, auf meine Nachricht zu reagieren. Wichtig ist mir, Sie wissen zu lassen, dass auch mich die barbarischen Anschläge der Hamas am letzten Samstag tief getroffen haben, in einem Umfang, den ich zum bis dahin ersten und letzten Mal am 11. September 2001 erlebt habe. Zu Entsetzen und Schmerz über das, was den Menschen in Israel angetan worden ist, kommen Wut über die Täter und Empörung über Sympathie-Bekundungen für diese Anschläge. Leider befürchte ich, dass es das Leben für jüdische Menschen in unserem Land nicht leichter machen wird, gehe aber davon aus, dass unser Staat für Schutz sorgen wird. Ihnen wünsche ich in dieser schweren Zeit allen nötigen Beistand, Mut und Zuversicht.
Stefan Meyer-Pleus (per E-Mail)
Die Hamas hat nun endgültig alle Brücken – so sie denn jemals vorhanden waren – abgebrochen. Die brutalen liquidatorischen Massaker sind eine klare Aussage, wie es auch das Grundsatzprogramm der Hamas unverblümt an- und vorgibt. Erst kommt das Wort, der Gedanke und dann die Tat. Es zeigt uns, was uns historisch eigentlich viel mehr bewusst sein sollte, dass Drohungen ernst genommen werden müssen sowie die Drohenden oft von vorneherein ausschließen, von der Absicht abzulassen. Alles, was in der Menschheitsgeschichte bisher geschah und noch geschehen wird, ist von Menschen verursacht. Die Menschheit kann nicht vor sich selbst fliehen, umso mehr ist es unabdingbar wichtig, die dunklen Unterströmungen nicht als etwa krankhafte Abirrung wegzuschieben, sondern sie als integralen Bestandteil zu akzeptieren, um darauf vorbereitet zu sein. Wegducken ermutigt den Täter. Grausame Täter sind keine dummen Menschen. Alle Gesetze, die Brutalitäten verhindern sollen, funktionieren nicht aus sich selbst heraus. Deshalb ist es enorm wichtig, nicht nur vorbereitet zu sein, sondern auch dagegen anzukämpfen oder zu kämpfen, wie es die tapfere IDF und Israel nun tun.
Gunther Erben (per E-Mail)
Ich folge Ihren Nachrichten schon länger auf Instagram. In den letzten Tagen habe ich aufgrund der aktuellen Lage öfter auch Ihre Website aufgerufen und schreibe Ihnen nun insbesondere aufgrund der Meldung »Antisemitismusbeauftragter befürchtet Anti-Israel-Stimmung an Schulen« und aufgrund des gestrigen Meinungstextes Ihres Chefredakteurs. Lassen Sie mich zunächst meine Anteilnahme und Solidarität ausdrücken. Ich bin sehr betroffen von den Nachrichten aus Israel, die mich schmerzen und aufwühlen. Ich arbeite als Dozierende und als Professurvertreterin mit Studierenden im Lehramt. Und mich beschäftigt folgende Frage: Es gibt sicherlich auch an meiner Hochschule jüdische Studierende. Für mich sind diese leider »unsichtbar« und nicht direkt ansprechbar – wie etwa die auch institutionell organisierten christlichen Gemeinden es sind. (Wir haben auch muslimische Studierende, die oft aber viel sichtbarer sind …) Ich mache mir aber Sorgen um diese Studierenden, die sich vielleicht auch ungesehen, alleingelassen fühlen. Für manche Dinge vielleicht auch gerade mehr Zeit brauchen. Sich aber aus Angst vor Diskriminierung nicht zeigen. Mich verstört das große und vielleicht an einigen Stellen sogar demonstrative Schweigen in Teilen der Gesellschaft, in Institutionen und so weiter. Ich möchte zu diesem Schweigen nicht beitragen, sage Ihnen aber auch ehrlich, dass ich ein bisschen überfragt bin, was ich genau tun kann, außer das Thema in meinen Vorlesungen anzusprechen. Vielleicht haben Sie für mich noch einen Tipp, wie ich helfen kann, wie ich meine Unterstützung zeigen kann, ohne mich aufzudrängen.
Julia Riebel (per E-Mail)
Der Angriff der Hamas mit ihren vermutlichen Hintermännern im Iran stellt jene auf die Probe, die gerne relativieren, wenn es um den Staat Israel geht. Die Bundesrepublik Deutschland hat zu Recht die Unterstützung und die Freundschaft zu Israel als Staatsräson bezeichnet. Diejenigen, die derzeit etwa in Berlin widerlicherweise dem menschenverachtenden Angriff der Terrororganisation Hamas Beifall zollen und hierbei die Entführungen und Geiselnahmen jüdischer Bürgerinnen und Bürger feiern, zeigen hiermit nur ihre moralische Verkommenheit. Die Solidarität mit dem Staat Israel muss bekräftigt werden, und es kommt darauf an, gerade jungen Menschen schon früh Solidarität mit Israel nahezubringen. Ich bin entsetzt und aufgewühlt über die Bilder, die uns aus dem Nahen Osten erreichen. Es muss jetzt offen die Solidarität mit Israel gezeigt werden, und der Antisemitismus, der sich im Rahmen der Debatten der nächsten Wochen wieder zeigen wird, muss zurückgewiesen werden. Ja, es ist wieder die Stunde der vielen sogenannten Israelkritiker gekommen, deren vorgegebene Kritik am Staat Israel nur darüber hinwegtäuschen soll, dass ihre wahre Gesinnung zutiefst von Antisemitismus durchdrungen ist. Die freie Welt, ob in Europa, Amerika oder anderswo, muss jetzt zeigen, dass sie fest an der Seite Israels steht und nicht zulassen wird, dass dieser Staat preisgegeben wird.
Manfred Kirsch, Neuwied
Ich bin zutiefst erschüttert und traurig über die Opfer des Terroraktes. Aber ich bin auch sehr wütend darüber, dass in unserem Land ungestraft gefeiert und mit antijüdischen Parolen demonstriert wird. Aber angesichts der durchaus berechtigten Reaktion nach Vergeltung und Rache sollte das großartige Land Israel Größe zeigen und die Flüchtlinge mit Unterstützung der UNO in das Land lassen. Die großartige Geste würde alle Gegner beschämen. Eine anschließende Invasion mit der Auslöschung der Hamas könnte die Verluste der Soldaten minimieren. Das Leben danach muss ja weitergehen.
Konrad Barnert, Lehre
Nach den Terroranschlägen der Hamas wollen auf einmal fast alle – Personen, Organisationen, Regierungen, Staaten – reflexhaft »an der Seite Israels« stehen, wenn auch nur in Gedanken. Schön! Da stehen sie dann ja gut: nicht direkt in der Schusslinie, sondern daneben, also eigentlich nebenan oder noch weiter weg. Denn sie wollen es sich mit niemandem verderben, das wäre ja unklug, undiplomatisch und vielleicht auch gefährlich. Am Ende steht Israel doch wieder allein, umgeben von Freunden, die aus der Ferne winken, während die Mörder wieder und wieder und wieder zuschlagen.
Martin Petersen, Schleswig
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