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Leserbriefe zu unserem Nachruf auf Martin Walser

Kommentare und Meinungen zu aktuellen Themen der Jüdischen Allgemeinen

 20.08.2023 15:23 Uhr

Der Schriftsteller Martin Walser verstarb am 26. Juli im Alter von 96 Jahren in Überlingen am Bodensee. Foto: picture alliance / Sven Simon

Kommentare und Meinungen zu aktuellen Themen der Jüdischen Allgemeinen

 20.08.2023 15:23 Uhr

Judenfeindschaft
Benjamin Ortmeyer: »Meister der Sprach-Gewalt. Statt eines Nachrufs: Zum Tod des Schriftstellers Martin Walser«
Jüdische Allgemeine vom 3. August

Respekt für diesen bis ins letzte Komma richtigen Beitrag zu dieser unsäglichen Causa. Ich habe Walser schon zu Lebzeiten nicht ausstehen können und finde seine Werke – abgesehen von seiner Haltung – einfach nur schlecht. Damit reiht er sich in die unendlich lange Liste maßlos überschätzter Autoren ein, aber seiʼs drum. Dass so jemand aber nach dem Ableben reflexartig von höchsten politischen Stellen gelobt wird, erzeugt Übelkeit. Nun, leider hat der Deutsche Bundestag ja auch im Jahr 1988 eine Rede des damaligen Parlamentspräsidenten Jenninger ertragen müssen, die um keinen Deut besser war als Walsers Paulskirchen-Tiraden. Es wird leider nicht das letzte Mal sein, dass einem schlecht wird. Ist in Österreich leider auch nicht besser.
Rolf Lehmann (per E-Mail)

Endlich einmal wieder ein sorgfältig recherchierter und inhaltsvoller Beitrag zur Literatur. Ich persönlich bin nie über die ersten Zeilen eines Walser-Romans hinausgekommen und habe nie verstanden, was man an seinen Büchern finden kann. Jetzt, dank Ihnen und Ihrer Arbeit, weiß ich, warum!
Irmhilde Mäurer, Bopfingen

Ich möchte Ihren Artikel in einem kleinen Punkt aus meinem eigenen Erleben ergänzen. Mein Mann und ich – damals junge Verlagslektorin – waren 1998 live bei der Friedenspreisverleihung in der Paulskirche bei der Rede von Martin Walser dabei (er hat sie wohl später als seinen größten Fehler bezeichnet). Wir haben uns bei Walsers Worten damals sehr beklommen angeschaut und wir haben NICHT applaudiert, uns aber leider nicht getraut, dazwischenzurufen, weil diese Feier wie jedes Jahr ein sehr feierlicher Akt war. Dass wir nicht lauter/anders protestiert haben, bedauere ich bis heute, denn Herr Bubis, der vorne saß, hat leider nur den Applaus gehört, nicht aber die, die nicht geklatscht haben. Wir haben am nächsten Tag an den Börsenverein des Deutschen Buchhandels geschrieben, dass sie prüfen müssen, ob Martin Walser der Friedenspreis wegen dieser Rede aberkannt werden kann. Dieses Schreiben haben wir auch mit einem Brief an Herrn Bubis geschickt, der sich dafür bedankt hat. Der Börsenverein hat das Anliegen negativ beschieden, aber wir haben noch weitere Leserbriefe (unter anderem an die »Welt«) dazu geschrieben. Es war sicher zu wenig, aber wir haben jedenfalls diesen Worten von Walser nicht applaudiert und bedauern, dass unser Protest dagegen zu leise war.
Ulrike Voigt, Stuttgart

Mit großer Zustimmung habe ich Ihren »Nichtnachruf« auf Martin Walser gelesen, und ich danke Ihnen für diese Analyse sehr! Auch mich hatte seinerzeit furchtbar erschreckt, was dieser bundesdeutsche Großschriftsteller aus Anlass des deutschen Friedenspreises in der Frankfurter Paulskirche glaubte, vortragen zu sollen. Ich habe nicht zuletzt deswegen Ihren jetzigen Beitrag mit dieser Anteilnahme gelesen, weil ich mit meinem Versuch, seinerzeit dieses Thema zum Gegenstand einer öffentlichen Debatte zu machen, völlig gescheitert bin. Ein Beitrag von mir sollte seinerzeit in einem Sammelband des Psychosozial-Verlages Gießen erscheinen, in einem Buch zur Psychotherapie älterer Menschen, herausgegeben von Professor Hartmut Radebold (Uni Kassel; inzwischen verstorben). Alle anderen Textpartien ließ er in meinem Beitrag stehen, lediglich die längere Textpartie über Martin Walser wurde herausgekürzt und durfte nicht erscheinen. Tja …
Holdger Platta (per E-Mail)

Wie recht Sie haben. Danke für den Artikel! (Nebenbei: Die Lesart des »nihil nisi bene« ist mir neu, aber auch recht hübsch.) Ziemlich geplättet war ich bei einer Überschrift in der Rhein-Zeitung aus Koblenz, etwa der Formulierung »Ihm fehlte nur noch der Nobelpreis«. Ich habe den Artikel nicht gelesen. Aber warum soll Ihr Text denn kein Nachruf sein? Ich beabsichtige, ihn zu verbreiten, wennʼs recht ist.
Ekkehard Dammann, Wissen

Herzlichen Dank für Ihren Kommentar zum Tode Martin Walsers. Obwohl Herr Walser doch auch ein Gast auf diesem Planeten war, bin ich seit meiner Jugend mit seiner Schreibe nicht klargekommen. Die luzide Schärfe hingegen in Ihrem Kommentar wärmt mein Herz. Danke!
Robert Bernhart, Wil

Ich habe Ihren Kommentar zu den Lobtiraden von Politik und Presse in Ihrem Nachruf auf Martin Walser mit einem Gefühl der Erleichterung gelesen – dass es doch noch Leute mit Verstand in diesem Land gibt. Vorher dachte ich angesichts der vielen Lobhudeleien eher wie Max Liebermann über einen weit übleren Kerl: »Ich kann gar nicht so viel essen, wie ich kotzen möchte.« Ich teile Ihr Befremden über diesen Autor, von dem ich viele seiner frühen Bücher gelesen habe. Glückwunsch zu der wunderbaren Formulierung am Schluss: Die Fakten … zeigen, dass der Schriftsteller durch seine Bücher, Vorträge und Lesereisen sicherlich viel verdient hat, aber auf keinen Fall die vielen Lobesworte, wie sie von den Politikern und den Feuilletons in den vergangenen Tagen ausgebreitet wurden. Das weitgehend einhellige Lob für Marin Walser ist in Wirklichkeit eine Drohung. Und vielen Dank auch für die Richtigstellung der Bedeutung von »nihil nisi bene«.
Friedrich Koopmann (per E-Mail)

Ich schätze Martin Walser als großen Erzähler sehr, nicht alles lese ich gern, die Person weiß ich vom Werk zu unterscheiden, und manche gesellschaftspolitische Einmischung hat mich nachdenklich gemacht oder auch kopfschüttelnd. Gerade jetzt, zum 200sten Erinnern an die erfolglose Werbung Goethes um die Hand Ulrike von Levetzows sollte man »Ein liebender Mann« einmal wieder zur Hand nehmen … Ja, man mag über Martin Walsers Leben und Werk unterschiedlicher Meinung sein; man mag – je nach eigener Erfahrung und eigenem kulturellen und/oder religiösen oder auch politischen Hintergrund – zu konträren Ergebnissen kommen und trefflich darüber diskutieren. Gedruckte Fakten wollen bewertet und eingeordnet werden, und für fiktionale Texte, gar Romane, gilt nochmals besondere Vorsicht. So kann ich die ersten Absätze Ihrer Philippika verstehen, wenn ich auch bei den Bewertungen vieles deutlich anders sehe. Wenn Sie allerdings das schöne »de mortuis nihil nisi bene« zitieren und sich für Ihre kritischen Worte darauf berufen, nur »Tatsachen« zu verwenden und »nicht mit Verleumdungen« zu arbeiten, dann strafen Sie sich mit der Bildunterschrift unter dem Verstorbenen und Ihrem letzten Absatz Lügen: »In einer seiner fürchterlichen Neuerfindungen von Worten, die er für Dichtung hielt, hat Martin Walser diesen Zusammenhang indirekt deutlich gemacht: Wie der Sozialwissenschaftler Günter Amendt berichtete, habe Walser nach einer Europa-Tournee des jüdischen Sängers und Lyrikers Bob Dylan in der Redaktion der Zeitschrift ›Konkret‹ gefragt, was denn an diesem ›herumzigeunernden Israeliten‹ so besonders wäre. ›Herumzigeunernder Israelit‹ – da sieht man die ganze ›Sprach-Gewalt‹ des Schriftstellers Martin Walser.« Da nehmen Sie etwas vom Hörensagen, etwas Kolportiertes – »wie der Sozialwissenschaftler G.A. berichtete, habe … in der Redaktion …«, schieben es als »fürchterliche Neuerfindung von Worten, die er für Dichtung hielt«, dem Verstorbenen in den Mund und schütten es dann verbal als übelriechende Gülle über Martin Walser. Erstens ist das Wort vermutlich (oder mit Sicherheit) nicht von Walser, Günter Amendt hat das wohl mit weiteren Anti-Walser-Argumenten in der Schweizer Wochenzeitung »WOZ« am 13. Juni 2002 über die »Konkret«-Redaktionssitzung in den 70er-Jahren behauptet, zweitens steht es in keinem Kontext, den Walser oder sonst wer »für Dichtung hielt« oder halten könnte, und drittens ist es mitnichten Tatsache oder Fakt. Einen Artikel, der durchaus als ernst zu nehmende Meinungsäußerung über Martin Walser gehört werden darf, haben Sie durch diesen letzten Absatz, die darauf abhebende Über- und Bildunterschrift zu einem üblen, Moral heuchelnden Geschmiere gemacht.
Rüdiger Krüger (per E-Mail)

Erlauben Sie mir eine kurze Anmerkung zu dem Artikel über Walser. Intention und Inhalt des Artikels stelle ich in keiner Weise infrage. Im Gegenteil: Mir ist Martin Walser nicht vertraut. Im Artikel werden seine sprach-gewaltigen Äußerungen so eindrucksvoll zitiert, dass ich in keiner Weise einen Anlass sehe, mich mit ihm näher zu befassen. Dazu passt meines Erachtens mein folgender Hinweis: Die korrigierende Übersetzung des lateinischen Worts »De mortuis nihil nisi bene« trifft leider auch nicht den eigentlichen Sinn. Wörtlich übersetzt lautet die Formulierung so: »Über Tote nichts, wenn nicht (= außer) Gutes [sprechen]«. Das meint etwas anderes, als dass man über sie nur gut reden möge. Sondern gemeint ist: »Wenn ich über Tote spreche, dann nur Gutes«; das heißt im Umkehrschluss: Wenn ich über Tote nichts Gutes zu sagen habe, sage ich über sie gar nichts – ich überspitze: Ich schweige sie tot. Wenn ich den Autor richtig verstehe, scheint dies das Beste zu sein, was aus seiner Sicht über Walser zu sagen ist.
Rainer Thiel (per E-Mail)

Danke tausendmal für diese wahren Worte, auf die ich lange gewartet habe. Diese Bigotterie ist unerträglich; immerhin hat der Walser kein Staatsbegräbnis erhalten.
Thomas Campolongo, Zürich

Der Artikel, der auch unter dem Schlagwort »Judenfeindschaft« steht, gefällt mir nicht. Wenn sich »Politiker und Presse in Lobtiraden ergehen«, hat das vermutlich seinen Grund – irgendetwas muss wohl lobenswert sein. Dass man, wenn man danach sucht, auch weniger Lobenswertes finden kann, macht Ihr Artikel deutlich. Die Ausschließlichkeit, mit der dieses weniger Lobenswerte dargestellt wird, macht den Artikel allerdings tendenziös. Das hilft nicht weiter.
Klaus Ammann (per E-Mail)

Leserbriefe sind keine redaktionelle Meinungsäußerung. Die Redaktion behält sich das Recht auf Kürzungen vor.

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