Forum

Leserbriefe

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Geschichte
Michael Wolffsohn: »Jenseits der Legende. Vor 50 Jahren besuchte Willy Brandt als erster deutscher Bundeskanzler den Staat Israel. Fakten zu einem Jubiläum«
Jüdische Allgemeine vom 2. Juni

Wie soll denn ein wahrer Freund Israels aussehen? Musste und hat der deutsche Kanzler nicht weltpolitisch in dieser Zeit agiert und immer verantwortungsvoll gehandelt? Der Staatsbesuch 1973 in Israel war ein bedeutungsvolles Ereignis! Die grausamen historischen Gewalttaten davor, die Sie zu Recht anprangern, der deutschen Regierung auch nur teilweise anzulasten, halte ich für falsch. Brandt hat als deutscher Kanzler den Staat als »Sozialdemokratische Jahrhundertgestalt« (nach Hans-Peter Schwarz, Historiker und Biograf Adenauers) von der Weimarer Republik bis zur deutschen Einheit geführt. Vom rechten Lager gehasst und von links von vielen geliebt. Aber neben rechts und links gibt es eben auch den guten und den bösen Menschen. Und das hat dann nichts mehr mit Parteien oder Weltanschauung zu tun. Und um diesen Menschen geht es, ob Jude, Muslim oder Christ! Als regelmäßiger Leser der Jüdischen Allgemeinen lerne ich jede Woche viel dazu.
Klaus Illgen, Bergheim

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Einspruch
Noam Petri: »Niemand muss klatschen. Noam Petri hält den Protest junger Juden gegen Claudia Roth auf der Jewrovision für legitim«
Jüdische Allgemeine vom 2. Juni

Für einen, der 1968 in Berlin-West politisch sozialisiert wurde, bereitet es besonderes Vergnügen, sich mit dem Offenen Brief von 50 »prominenten« Juden und Jüdinnen auseinanderzusetzen. Vor Jahren hatte ich Gelegenheit, ein kurzes Gespräch mit Moshe Zimmermann im Anschluss an seinen Vortrag zu führen. Für seine damaligen Thesen nannte er als Motiv, er würde gern provozieren. Damit scheint es bei ihm vorbei zu sein. Auch die anderen Unterstützerinnen des Offenen Briefes pro Claudia Roth dienen sich ihr und der Dominanzgesellschaft an. Zeigen doch ihre banalen Formulierungen, mit denen sie devot der Staatsministerin beispringen, ihre unerwartet autoritäre Denkstruktur. Wie zu Kaisers Zeiten erheben sie gegenüber den Jugendlichen ermahnend ihre Zeigefinger. Und paternalistisch ist ihre Aktion auch noch. Sie wetteifern geradezu, um einer Frau, auf die man gern ein bisschen herabschaut, ungebetenen und unnötigen Beistand zu leisten. Dabei ist Claudia Roth mit den von jenen »Promis« als ungezogen erachteten Buhrufen völlig souverän umgegangen. In einer Demokratie darf man so etwas nämlich: Kritik oder Missfallen nicht nur durch geschliffene akademische Formulierungen, sondern ganz handfest auch lautstark zu äußern. Übrigens, liebe Prominente, Jugendliche haben gewisse Privilegien, die man in der Tat Ihnen als Etablierte im akademischen und Kulturbetrieb nun einmal nicht durchgehen lassen würde. Natürlich habe ich verstanden, dass die Stoßrichtung des Offenen Briefes diesmal nicht Israel, sondern der Zentralrat der Juden in Deutschland und die durch ihn repräsentierten Gemeinden sowie insbesondere deren Jugendzentren sind. Juden und Jüdinnen dieses Landes, die nicht Mitglieder der Gemeinden sind, werden besonders herausgestellt. Wofür eigentlich? Als Argumentationsmasse gegen den Zentralrat? Der Elefant im Raum, den die Jugendlichen auf der Jew­rovision 23 nicht ignorieren wollten, ist das nicht nur ihrer Meinung nach schwache Engagement der Staatsministerin für Kultur und Medien gegen Judenhass in ihrem Verantwortungsbereich. Meine Frage an die erstaunlich fixen Unterzeichnerinnen des Offenen Briefes: Unterstützen Sie die gegenwärtig gerade im Kultur- und Wissenschaftsbereich schicke Tendenz »Mehr Antisemitismus wagen!«? Itai Böing, Berlin

Ich stimme zu. Es darf jeder Mensch in Deutschland selbst entscheiden, wie er die Politik findet. Am Ende sind es junge Menschen, die es (er)tragen müssen, was entschieden wird, auch in der Zukunft, die wir alle heute mitgestalten.
Alexander Hexel, Magdeburg

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Meinung
Daniel Killy:
»Null Punkte für Israel beim ESC. Mit allem scheinen sich Jury und Voter identifizieren zu können, nur nicht mit Israel – schade«
Jüdische Allgemeine vom 19. Mai

Klare deutliche Worte. Ergänzend müsste man noch sagen, dass in Deutschland am liebsten tote Juden wahrgenommen werden. Aber wer immer im Finale beim ESC starten darf … die letzten Jahre war Deutschland in seinen Ausführungen/Darbietungen einfach nur peinlich. Und da schließt sich der Kreis wieder, siehe Bewertung von Israel.
Jens Gläßer, Heidersdorf

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Pro & Contra I
Hanna Veiler/Maximilian Feldmann: »›Safe Spaces‹ an Unis?
Ja, sagt Hanna Veiler: ›Das sind Räume, in denen wir auf gegenseitige Unterstützung vertrauen können.‹ Nein, meint Maximilian Feldmann: ›Die Hochschule ist ein Ort des Zusammenkommens für alle‹«
Jüdische Allgemeine vom 11. Mai

Die unterschiedlichen Positionen in der Debatte um »Safe Spaces« an Unis lassen sich, etwas vereinfacht ausgedrückt, dadurch erklären, dass Hanna Veiler und Maximilian Feldmann von verschiedenen Ausgangspunkten her an das Prob­lem herangehen. Sie geht davon aus, was ist, er dagegen, was eigentlich sein sollte, oder anders formuliert, Hanna Veilers Forderungen orientieren sich an ihrer Erfahrung mit dem Studienalltag auf dem Campus, während Maximilian Feldmann von außen betrachtend theoretisiert, was grundsätzlich Sinn einer Universität ist, ohne dabei konkrete Missstände zu berücksichtigen. Das wirft die Frage auf: Was hilft uns die lateinische Definition von universitas und ihr Anspruch, wenn sie in der Praxis nicht erfüllt wird und versagt? Oder was nützen einer jüdischen Studentin mit deutschem Pass all ihre »Follower« im Netz, wenn sie auf dem Campus antisemitisch beschimpft oder zum Beispiel für den Nahostkonflikt verantwortlich gemacht wird? Vielleicht könnte Frau Veiler etwas deutlicher machen, dass sie nicht das gesamte Studium und das Studierendenleben in einen »Safe Space« verlagern will, sondern einen solch sicheren Ort meint, an dem man sich bei verletzender Diskriminierung oder Drangsalierung mit anderen Betroffenen zurückziehen kann, um sich gegenseitig zu stärken, wieder aufzubauen und gegebenenfalls gemeinsam Verhaltensstrategien zu entwickeln; denn man möchte doch nicht generell in seiner Bewegungsfreiheit und in seiner Begegnungsmöglichkeit eingeschränkt sein. Herrn Feldmann wäre zu raten, in seiner Argumentation die Realität des wachsenden Antisemitismus genauer zur Kenntnis zu nehmen oder vielleicht das neue Buch von Andrea von Treuenfeld »Jüdisch Jetzt! Junge Jüdinnen und Juden über ihr Leben in Deutschland« zu lesen.
Claus Kloppenburg, Stuhr

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Studie
Michael Thaidigsmann: »Importierter Hass? Eine Ethnologin ist der Frage
nachgegangen, ob Zuwanderer überdurchschnittlich antisemitisch sind«
Jüdische Allgemeine vom 27. April

Die Wissenschaftlerin Sina Arnold spricht die wichtige Frage an, in welchen Gruppen der Bevölkerung welche Formen von Antisemitismus existieren und welche Unterscheidungen man vornehmen kann. Es wäre falsch, muslimische Einwohner in Deutschland von Kritik an eigenen judenfeindlichen Einstellungen auszunehmen oder sie an falschen Stellen in Schutz zu nehmen. Bildung sollte, meine ich, für jedermann eine erstrebenswerte Eigenschaft sein, im Schulunterricht müssten eigentlich auch Schüler anderer Religionen oder Nationen oder Zuwanderer und so weiter längst mit allen relevanten Fragestellungen und Diskussionspunkten, die um das Thema Antisemitismus oder Judenfeindschaft kreisen, vertraut gemacht worden sein, sodass man Ausreden nicht unwidersprochen hinnehmen darf, wenn geschwind mancher meint, sich um ein substanzielles Statement herumdrücken zu können! Auch Türken oder Muslime sollten nicht durch wenig durchdachte Aussagen oder durch hassforsche Kommentare im Kreis der öffentlichen Diskussionen und Diskurse mit dazu beitragen, dass, wenn es um Bekenntnisse zu Solidarität mit Angegriffenen geht, falsche oder missverständliche Eindrücke entstehen – insbesondere in der Hauptstadt Berlin sollte man wachsam sein und bleiben.
Stefan Hilse, Wiesbaden

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Berlin
»Zentralrat der Palästinenser entschuldigt sich für Auslage der ›Protokolle der Weisen von Zion‹«
Jüdische Allgemeine vom 14. April (online)

In Ihrer neuesten Ausgabe erwähnen Sie, dass der »Zentralrat der Palästinenser« das Buch Die Protokolle der Weisen von Zion im Schaufenster seines Vereinszentrums in Berlin-Schöneberg ausgestellt hatte. Im Anschluss fügen Sie eine kurze Erklärung zu dieser Schrift bei. Dabei unterläuft auch Ihnen ein Fehler, der im Zusammenhang mit diesem Buch immer wieder gemacht wird. Sie schreiben: »Die ›Protokolle‹ sind eine nachweisliche Fälschung, die vorgeben, eine geheime jüdische Weltverschwörung zu dokumentieren …« Nein, die »Protokolle« sind keine Fälschung, denn es existiert ja kein Original! Wo und wie denn auch? Eine »Fälschung« bezieht sich immer auf ein Original, das es natürlich im Fall der »Protokolle« nicht gibt; es gibt auch keine »Weisen von Zion«. Die Protokolle der Weisen von Zion sind nichts weiter als Fiktion, eine reine Erfindung, zusammengeschustert von kranken Hirnen aus unterschiedlichen trüben Quellen. Ich denke, das deutlich zu machen, ist wichtig.
Kirsten Serup-Bilfeldt (per E-Mail)

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Pro & Contra II
Jens-Christian Wagner/Ib Katznelson: »Kann der Besuch einer Gedenkstätte Antisemitismus verhindern? ›Sie können historische Urteilskraft leisten‹, sagt Jens-Christian Wagner – ›Eindrücke aus sozialen Medien überschatten den Besuch‹, meint Ib Katznelson«
Jüdische Allgemeine vom 30. März

Die Antwort lautet natürlich »Nein«, denn der Besuch einer Gedenkstätte ist ja keine Schutzimpfung. Aber das Pro und Contra ist bei Lichte gesehen doch gar kein Gegensatz. Jens-Christian Wagner und Ib Katznelson sind sich doch bei ihren Betrachtungen aus ganz unterschiedlichen Perspektiven sehr einig, dass ein Besuch in einer Gedenkstätte nicht per se Antisemitismus verhindern, sondern nur durch eine Kontextualisierung gegen Antisemitismus befähigen kann. Beide Autoren sind sich sehr einig in ihrem Plädoyer, dass es auf eine gute Vorbereitung, auf Kontextwissen und altersgerechte Reflexionsmöglichkeiten ankommt. Die Perspektiven sind unterschiedlich, aus denen heraus diese Positionen formuliert werden: der Schoa-Überlebende auf der einen Seite, der Historiker auf der anderen Seite.
Nikolaus Voss, Beauftragter für jüdisches Leben und gegen Antisemitismus in Mecklenburg-Vorpommern, Schwerin

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Tagung
Joshua Schultheis: »Zeit zu handeln. In Berlin diskutierten Experten über
Strategien gegen Judenhass – und arbeiteten konkrete Empfehlungen aus«
Jüdische Allgemeine vom 30. März

Die zentrale Botschaft der ELNET-Tagung in Berlin führt in die richtige Richtung. Schließlich bleibt eines der besten und wirksamsten Mittel gegen Antisemitismus, der zumeist ja aus Vorurteilen und weniger persönlichen Erfahrungen besteht, immer noch eine gute historische Allgemeinbildung, weswegen hier insbesondere die Bundesländer sehr viel bewirken könnten, indem sie nicht nur an den Schulen, sondern ebenfalls an den Universitäten durch umfangreiche Angebote das Geschichtswissen stärken. Zudem muss man dem Fazit, dass Antisemitismus, der nicht illegal ist, zunehmend normalisiert wird, leider zustimmen, da es zum Beispiel in einer Hamburger Hochschule bereits seit etlichen Monaten an einer Wand in einem zentralen Aufgang zu einer Bibliothek in großen Buchstaben die Worte »Israel = Apartheid« angesprüht gibt, ohne dass sich jemand daran stört. Deshalb muss in diesem Fall ebenfalls das Engagement der Zivilgesellschaft deutlich besser werden, wobei es auch ein wichtiger Ansatz wäre, eine Veranstaltung wie die in Berlin mehr für die breite Öffentlichkeit und die Impulse von Außenstehenden zu öffnen.
Rasmus Ph. Helt, Hamburg

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Israel
Michael Brenner: »Am Scheideweg. Nie stand das Land so nah vor einem inneren Bruch wie heute. Doch noch ist es nicht zu spät, das Blatt zu wenden«
Jüdische Allgemeine vom 16. März

Ich lese auf meinem Smartphone gern die Jüdische Allgemeine. Ich erfahre Wissenswertes auch über den Staat Israel. In diesen Tagen gelten manche Artikel den Unruhen in Israel. Dabei fällt mir auf, dass ein journalistisches Prinzip nach meinem Eindruck befolgt wird: die Trennung von Bericht und Kommentar. Betont sachlich wird das Geschehen ins Blatt gesetzt. Das mag man als Leser schätzen oder nicht. Ich informiere mich auch im Fernsehen und in Zeitungen über Israels Probleme und erlaube mir nun, die Neutralität zu verlassen: Ich habe eine junge Frau vor Augen, die leidenschaftlich erklärte, dass sie und Gleichgesinnte für das Respektieren und die Bewahrung der allgemein gültigen Menschenrechte auf die Straße gehen. Diese und viele weitere Aussagen der Protestierenden, sogar von Angehörigen des Militärs, die in den Plänen der Regierung Gefahren für die Demokratie sehen, beeindrucken mich sehr und geben mir viel Stoff zum Nachdenken. Ich wünsche natürlich dem Staat und Land Israel baldigen Frieden zum Wohlergehen aller Menschen dort.
Heide Zeppenfeld (per E-Mail)

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Talmudisches
Vyacheslav Dobrovych: »Den anderen kritisieren. Was unsere Weisen über das Gebot der Zurechtweisung lehrten«
Jüdische Allgemeine vom 23. Februar

Ich lese die Jüdische Allgemeine sehr gern, finde die Artikel sehr gut geschrieben. Sie geben mir einen äußerst informativen Einblick in das jüdische Leben in Deutschland und der Welt. Ebenso eine differenzierte Sicht auf die israelische Politik, was ich sehr gut finde. Am besten gefallen mir die beiden Seiten Schabbat und Religion. Ich stelle immer wieder fest, dass dort der Mensch im Mittelpunkt steht und Fragen und Probleme des »gewöhnlichen« Alltags behandelt und die Verantwortung des Einzelnen für sein »Tun« herausgestellt werden. Das ist aus meiner Sicht und meinem Verständnis auch ein großer Unterschied zum Christentum. Letztens wurde auf der Schabbat-Seite darauf hingewiesen, dass man andere Menschen nicht immer auf alles ansprechen muss, wenn man weiß, dass es sowieso nichts bringt. Seitdem versuche ich, mich des Öfteren zurückzuhalten – vor allem im öffentlichen Raum. Was mir inzwischen auch so einigermaßen gelingt und mir selbst auch guttut. Des Weiteren lese ich sehr gern die Seite 13, auf der sehr interessante Menschen vorgestellt werden. Auch die letzte Seite mit der Kolumne und die leckeren Rezepte finde ich sehr gut.
Marco Baumert, Berlin

Leserbriefe sind keine redaktionelle Meinungsäußerung. Die Redaktion behält sich das Recht auf Kürzungen vor.

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