Der Schweizer Historiker Raphael Gross (48) hat zum 1. April die Leitung des Simon-Dubnow-Instituts für jüdische Geschichte und Kultur an der Universität Leipzig übernommen. Damit trat er die Nachfolge von Dan Diner an, der seit 1999 Direktor des Instituts war. Gleichzeitig übernimmt Gross den Lehrstuhl für Jüdische Geschichte und Kultur an der Universität Leipzig. Seine Leitungstätigkeiten im Jüdischen Museum Frankfurt, am Fritz-Bauer-Institut Frankfurt sowie am Leo-Baeck-Institut London gibt er auf.
Raphael Gross werde sich nach vielen Jahren paralleler Arbeit im Wissenschaftsbereich wie im Museum nun wieder auf Forschung und Lehre konzentrieren, teilen die betroffenen Institute in einer gemeinsamen Erklärung mit. Dabei sei es sein vorrangiges Ziel, die am Dubnow-Institut gewachsene Leipziger Tradition, jüdische Geschichte als allgemeine Geschichte zu verstehen und zu erforschen, mit neuen Impulsen aus der »Intellectual History« zu erweitern. »Die bestehenden Schwerpunkte des Simon-Dubnow-Instituts möchte ich beibehalten und fortentwickeln«, sagte Gross der Frankfurter Rundschau.
Juristen Außerdem kündigte er an, einen neuen Studiengang »Jewish Visual Cultures« in Leipzig einzurichten. Zudem wolle er in der Forschung großes Gewicht auf die Geschichte jüdischer Juristen legen. »Mein eigenes Forschungsprojekt über Hans Kelsen passt genau in diesen Bereich«, so der Wissenschaftler.
Der in Zürich geborene Gross studierte von 1986 bis 1990 Geschichte, Philosophie und Literatur in Zürich, Berlin, Bielefeld und Cambridge. Danach arbeitete er am Franz-Rosenzweig-Institut der Hebräischen Universität Jerusalem. 1995 wurde er Lehrbeauftragter am Lehrstuhl für Vergleichende Literaturwissenschaft an der Freien Universität Berlin und promovierte 1997 an der Universität Essen mit einer Arbeit über Carl Schmitt und die Juden, die drei Jahre später in überarbeiteter Form als Buch erschien. Seine jüngste Buchveröffentlichung ist Anständig geblieben. Nationalsozialistische Moral (2010).
Kooperation Nach Stationen an der Universität Bochum und am Hamburger Institut für Sozialforschung ging Gross 2001 nach England, wo er Direktor des Center for German-Jewish Studies an der University of Sussex wurde. Er leitete seit 2001 das Leo-Baeck-Institut in London, war ab 2006 Direktor des Jüdischen Museums in Frankfurt am Main und acht Jahre lang Direktor des Fritz-Bauer-Instituts. Er wird diese Positionen übergangsweise zur Sicherstellung der jeweiligen Nachfolge weiterhin wahrnehmen.
Unter seiner Leitung entstanden am Jüdischen Museum Frankfurt Ausstellungen wie »Fritz Bauer. Der Staatsanwalt«, »Die Frankfurter Schule und Frankfurt. Eine Rückkehr« oder »Raub und Restitution. Kulturgut aus jüdischem Besitz von 1933 bis heute«. Das Fritz-Bauer-Institut zur Geschichte und Wirkung des Holocaust führte Gross während seiner Amtszeit zu internationalem Renommee.
Zwischen dem Jüdischen Museum in Frankfurt am Main, das Raphael Gross noch bis zum 30. April leiten wird, und dem Simon-Dubnow-Institut in Leipzig soll eine enge und nachhaltige Kooperation entstehen. ja/epd