Literatur

Leichtfüßiges von der Insel

Literatur

Leichtfüßiges von der Insel

Francesca Segals Tierärztin auf »Tuga«

von Frank Keil  21.10.2024 16:14 Uhr

Tuga de Oro gibt es nicht. Aber es könnte diese feine Insel mit Sandstrand und Palmenbestand gut geben. Irgendwo am Ende der Welt könnte sie am Horizont langsam auftauchen, nach wochenlanger und vor allem stürmischer Fahrt, die man seekrank in seiner Kabine verbracht hat. So wie Charlotte Walker, Heldin in Francesca Segals neuem Roman Willkommen auf Tuga.

Ein Stipendium für ein Jahr führt Charlotte nach Tuga. Sie ist in London Tierärztin geworden, wobei es sie nie in die Niederungen einer Kleintierpraxis oder eines landwirtschaftlichen Zuchtbetriebes verschlagen soll. Überhaupt ist das gewöhnliche Leben nichts für sie. Trubel, Heiterkeit und viele Leute? Muss nicht sein. Gelegentlich mal Alkohol? Keinesfalls. Und Männer? Ach was. Obwohl – da ist der Arzt Dan Zerki, der sich rührend um die Mitreisende gekümmert hat, wenn er ihr manchmal an Bord einen Ingwertee statt eines Scotchs brachte. Vor 15 Jahren hat er Tuga verlassen. Und nun schaut er gleichfalls mit gemischten Gefühlen auf das näherkommende Eiland. Charlottes Auftrag: herausfinden, warum die örtliche Goldmünzen-Schildkröte am Verschwinden ist.

Vor Ort muss sie dann Folgendes registrieren: Die Insulaner wünschen sich von ihrem Doktor Walker etwas anderes, als dass sie sich immer wieder in den Dschungel zurückzieht, so wichtig Artenschutz auch sein mag. Da liegt mal ein Lamm bei der Geburt quer, da ist ein Bock zu kas­trieren. Man ist überhaupt eher direkt, unkompliziert. Der örtliche Taxifahrer etwa hört auf den schönen Namen »Taxi«. Und dann gibt es da noch das Geheimnis um Charlottes unbekannten Vater, der – das hat sie vor ihrer Abreise erfahren – offenbar nicht der klassische Schuft ist, der Mutter und Kind einfach sitzen gelassen hat. Der womöglich nichts von ihr weiß! Könnte es sein, dass in der nun nahen Ferne sich ein Lebensgeheimnis klärt? Manchmal geht ihr die Fantasie etwas durch.

Gewiss: Dieser Roman wird nicht unbedingt für den nächsten Booker-Preis nominiert werden. Aber das macht rein gar nichts! Denn Francesca Segal, Tochter von Erich Segal, der uns 1970 den Klassiker Love Story geschenkt hat und die 2012 mit einer turbulenten Ehegeschichte aus der jüdischen Community Londons erfolgreich debütierte, hat uns ein leichtfüßiges Buch geschrieben, das die Kraft hat, uns für ein paar Stunden aus dem derzeit oft so bedrückenden Alltag zu katapultieren. Und schwups sind wir wieder auf Tuga, wo Charlottes Vermieter irgendetwas im Garten werkelt. Mit nacktem Oberkörper und gut gelaunt.

Francesca Segal: »Willkommen auf Tuga«. Aus dem Englischen von Verena Kilchling. Kein & Aber, Zürich 2024, 496 S., 25 €

Fernsehen

Ungeschminkte Innenansichten in den NS-Alltag

Lange lag der Fokus der NS-Aufarbeitung auf den Intensivtätern in Staat und Militär. Doch auch viele einfache Menschen folgten der Nazi-Ideologie teils begeistert, wie eine vierteilige ARD-Dokureihe eindrucksvoll zeigt

von Manfred Riepe  23.04.2025

Glosse

Der Rest der Welt

Hochzeitsnächte und der Vorhang des Vergessens

von Margalit Edelstein  22.04.2025

Graphic Novel

Therese Giehse in fünf Akten

Barbara Yelins Comic-Biografie der Schauspielerin und Kabarettistin

von Michael Schleicher  22.04.2025

TV-Tipp

Arte-Doku über Emilie Schindler - Nicht nur »die Frau von«

Emilie und Oskar Schindler setzten sich für ihre jüdischen Arbeiter ein. Am 23. April läuft auf Arte eine Doku, die Emilie in den Mittelpunkt rückt

von Leticia Witte  22.04.2025

Kino

Film zu SS-Plantage »Kräutergarten« kommt ins Kino

Der Ort ist fast vergessen: Häftlinge im KZ Dachau erlitten dort Furchtbares. Nun erinnert der Dokumentarfilm »Ein stummer Hund will ich nicht sein« daran

 22.04.2025

Interview

»Die ganze Bandbreite«

Programmdirektorin Lea Wohl von Haselberg über das Jüdische Filmfestival Berlin Brandenburg und israelisches Kino nach dem 7. Oktober

von Nicole Dreyfus  22.04.2025

Jazz

»Still Blooming«: Neues Album von Jeff Goldblum

Auf seinem neuen Album mischt der Schauspieler Jazzklassiker mit Starpower: Ariana Grande und Scarlett Johansson sind dabei

von Sabina Crisan  22.04.2025

Meinung

Nur scheinbar ausgewogen

Die Berichte der Öffentlich-Rechtlichen über den Nahostkonflikt wie die von Sophie von der Tann sind oft einseitig und befördern ein falsches Bild von Israel

von Sarah Maria Sander  21.04.2025

Sehen!

»Die Passagierin«

Am Deutschen Nationaltheater in Weimar ist eine der intelligentesten Nachinszenierungen von Mieczyslaw Weinbergs Oper zu sehen

von Joachim Lange  21.04.2025