Der Plot klingt denkbar geschmacklos: Mendel, ein chassidischer Jude mit riesiger Nase, ist per Zeitmaschine inmitten der russischen Pogrome um 1881 gelandet und muss im Schtetl verlorene Exemplare der Tora einsammeln.
Böse Kosaken bedrohen ihn dabei mit Mistgabeln und werfen Kohlköpfe nach ihm. Jiddische Ausrufe (»Gojim, Gojim!«) und Klezmermusik würzen das Spiel. Das könnte man grauenhaft finden – und wäre damit wohl nicht allein. Doch dazu später mehr.
Idee Erdacht wurde der jüdische Superheld zu nächtlicher (und trunkener) Stunde von Filmanimator Avishai de Vries. Sein Freund, Gamedesigner Gil Elnekave, wimmelte zunächst ab: »Das ist die schlechteste Idee aller Zeiten! Wer soll das spielen?«
Doch als Avishai de Vries und Programmierer Edo Frenkel ihm ein Jahr später einen Entwurf zeigten, änderte er seine Meinung. »Plötzlich schien es eine gute Idee zu sein. Etwas sehr Unbeschwertes, das sich selbst nicht zu ernst nimmt«, erinnert sich de Vries.
Angry Jew. Bring Back The Books! kam im Mai 2014 auf den Markt, wurde mittlerweile mehr als 50.000-mal heruntergeladen und erhielt eine Auszeichnung der Spielekonferenz GAMEIS. Neben dem enthusiastischen Feedback hagelte es aber auch Kritik, sowohl von jüdischer als auch von nichtjüdischer Seite.
nasen Das Spiel sei rassistisch, eine Schande. Warum? Natürlich wegen der Nase! Gil Elnekave ist von dieser Reaktion eher belustigt. »Es ist doch absurd, dass manche immer noch über die jüdische Nase Witze machen. In Israel sind wir ganz durchmischt und haben alle möglichen Nasen. Deswegen beleidigt zu sein, ist so abwegig, dass wir darüber nur noch lachen können.«
Auch die Anti-Defamation League (ADL) konnte keinen Tadel an dem Spiel finden. »Die Entwickler zeigen, dass ihnen die jüdische Tradition am Herzen liegt«, erklärte Jonathan Vick von der ADL. Mit gutem Grund: Angry Jew geht es nicht darum, jemanden zu ärgern, das zeigt sich schon alleine an der liebevollen Gestaltung des Spiels, am augenzwinkernden Umgang mit Stereotypen. Und natürlich wird das Ressentiment auch dadurch entschärft, dass das Spiel von »drei stattlichen Juden« (die Entwickler über sich selbst) kreiert wurde.
Von manchen Ideen allerdings nahmen die Spieleentwickler Abstand. So sammelt Mendel beispielsweise anders als zuerst geplant keine Münzen, sondern Exemplare der Tora. Tefillin als brennende Schwingpeitschen fielen ebenfalls durch, und Mendel, reitend auf einem Schwein, schien ihnen auch unangemessen. Die Schweine benutzt Mendel nur noch als Trampolin. Sein Fortbewegungsmittel ist nun ein weißer Esel, der ihn für eine Weile unverwundbar macht: 20 Sekunden messianisches Reitvergnügen!
Fortsetzung Leider wird der zornige Chassid aber wohl der Einzige seiner Art im Spielekosmos bleiben. Die drei Israelis haben das Spiel in ihrer Freizeit entwickelt und es kostenlos zum Download bereitgestellt. Ein Liebhaberprojekt also.
Zwar würden sie gern ein zweites Spiel erfinden, das zur Zeit der Flucht aus Ägypten spielt, aber das würde ein weiteres Jahr unbezahlter Arbeit bedeuten. Ganz ohne Münzen geht es eben leider doch nicht.
Das Spiel kann gratis im Google Play Store auf Smartphones und Tablets heruntergeladen werden. Eine Version für Apple ist in Planung.