Karl Erich Grözinger

Lebensfroher Forscher

Er forscht unermüdlich. Erst im vergangenen Jahr hat Karl Erich Grözinger den letzten, Meinungen und Richtungen im 20. und 21. Jahrhundert gewidmeten Band seines fünfbändigen Werks Jüdisches Denken: Theologie-Philosophie-Mystik fertiggestellt.

Auf insgesamt fast 4000 Seiten befasst sich der Emeritus der Universität Potsdam, Judaist, Semitist und Religionswissenschaftler mit der gesamten Bandbreite der über 3000 Jahre alten jüdischen Denkgeschichte. So umfasst etwa der erste Band den Zeitraum von den biblischen Anfängen israelitischer Religion bis zum Mittelalter. Der Orthodoxie und Reform des 19. Jahrhunderts ist ebenso ein eigener Band gewidmet wie Zionismus und Schoa.

STANDARWERK Schon jetzt gilt Grözingers Jüdisches Denken als Standardwerk – ein »unverzichtbares Nachschlagewerk«, wie es sein Kollege Daniel Krochmalnik, Professor für Jüdische Religion und Philosophie sowie Direktor der School of Jewish Theology an der Universität Potsdam, Grözinger unlängst bescheinigte. Auch andere Kollegen würdigten diese Publikation, die im Laufe von 15 Jahren im Campus-Verlag erschienen ist.

Karl Erich Grözinger wurde 1942 in Stuttgart geboren. Er studierte in Tübingen, Berlin, Heidelberg, Jerusalem und Frankfurt am Main, promovierte 1975 und habilitierte sich 1980 in Judaistik. Von 1985 bis 1994 wirkte Grözinger als Professor für Judaistik in Frankfurt. Von 1989 bis 1991 war er Gründungs-Ordinarius für Judaistik im schwedischen Lund.

Nach seinem offiziellen Ruhestand schrieb und publizierte Karl Erich Grözinger unermüdlich.

An der Universität Potsdam hatte Grözinger zuletzt die Professur für Religionswissenschaft und Jüdische Studien und, von 1994 bis 2007, die Direktion des Kollegiums Jüdische Studien inne. Er ist Affiliated Professor der Universität Haifa und Fellow des Institute for Advanced Studies Jerusalem. Gastprofessuren führten Grözinger unter anderem nach Chicago und Krakau. 2007 wurde er emeritiert und war danach von 2012 bis 2013 Seniorprofessor am Selma Stern Zentrum für Jüdische Studien Berlin-Brandenburg.

BÜCHER Nach seinem offiziellen Ruhestand schrieb und publizierte Grözinger unermüdlich. Er ist Autor und Herausgeber von 30 Büchern, darunter Standardwerke wie Musik und Gesang in der Theologie der frühen jüdischen Literatur oder Kafka und die Kabbala. Das Jüdische im Werk und Denken von Franz Kafka, das fünf Auflagen hat und in mehrere Sprachen übersetzt wurde. Unermüdlich ist auch seine Vortragstätigkeit im In- und Ausland.

Seine Energie, sein Forschungsdrang und Ideenreichtum scheinen unerschöpflich. Eines seiner Herzensanliegen hat er wieder an seinen alten Standort, nach Berlin, zurückgebracht, wo Karl Erich Grözinger auch mit seiner Familie lebt: die Ephraim Veitel Stiftung, die nach eigenen Angaben »wohl älteste jüdische Stiftung in Deutschland«, die seit ihrer Gründung 1799 und ihrem Wirksamwerden 1803 trotz der zwischenzeitlichen »Arisierung« ununterbrochen bis heute besteht. Die wechselvolle Geschichte der preußisch-jüdischen Hofjuwelierfamilie Ephraim und ihre Spuren bis in die Gegenwart hat Grözinger in einem Buch und in zahlreichen Aufsätzen dokumentiert.

Grözinger, seit 2007 Vorsitzender der Stiftung, ist es zu verdanken, dass sie in ihr Stammhaus, das Ephraim-Palais in Berlin-Mitte, zurückgekehrt ist. Dort zeigt das Stadtmuseum Ausstellungen zu Geschichte und Kultur der Hauptstadt. Die von der Ephraim Veitel Stiftung im Palais veranstalteten Soirées mit Vorträgen und Musik ergänzen die Museumspräsentationen, ziehen ein interessiertes Publikum an und sind ein Beitrag zur Kulturarbeit – ganz im Sinne des Stifters.

Am 4. Februar wird der lebensfrohe und agile Wissenschaftler Karl Erich Grözinger 80 Jahre alt. Herzlichen Glückwunsch – Masal tow!

Programm

Termine und TV-Tipps

Termine und Tipps für den Zeitraum vom 20. Februar bis zum 27. Februar

 21.02.2025

Berlinale

»Das verdient kein öffentliches Geld«

Der Berliner CDU-Fraktionschef Dirk Stettner hat seine Karte für die Abschlussgala zerrissen – und will die Förderung für das Filmfestival streichen

von Ayala Goldmann  21.02.2025

Bayern

NS-Raubkunst: Zentralrat fordert schnelle Aufklärung

Der Zentralrat der Juden verlangt von den Verantwortlichen im Freistaat, die in der »Süddeutschen Zeitung« erhobenen Vorwürfe schnell zu klären

 20.02.2025

Kolumne

Unentschlossen vor der Wahl? Sie sind in guter Gesellschaft – mit Maimonides

Der jüdische Weise befasste sich mit der Frage: Sollten wir als Kopfmenschen mit all unserem Wissen auch bei Lebensentscheidendem dem Instinkt vertrauen?

von Maria Ossowski  20.02.2025

Berlin

Eine krasse Show hinlegen

Noah Levi trat beim deutschen Vorentscheid für den Eurovision Song Contest an. In die nächste Runde kam er nicht, seinen Weg geht er trotzdem

von Helmut Kuhn  20.02.2025

NS-Unrecht

Jüdische Erben: »Bayern hat uns betrogen« - Claims Conference spricht von »Vertrauensbruch«

Laut »Süddeutscher Zeitung« ist der Freistaat im Besitz von 200 eindeutig als NS-Raubkunst identifizierten Kunstwerken, hat dies der Öffentlichkeit aber jahrelang verheimlicht

von Michael Thaidigsmann  20.02.2025

Literatur

»Die Mazze-Packung kreiste wie ein Joint«

Jakob Heins neuer Roman handelt von einer berauschenden Idee in der DDR. Ein Gespräch über Cannabis, schreibende Ärzte und jüdischen Schinken

von Katrin Richter  20.02.2025

Berlinale

Auseinandergerissen

Sternstunde des Kinos: Eine Doku widmet sich David Cunio, der am 7. Oktober 2023 nach Gaza entführt wurde, und seinem Zwillingsbruder Eitan, der in Israel auf ihn wartet

von Ayala Goldmann, Katrin Richter  19.02.2025

Berlin

»Sind enttäuscht« - Berlinale äußert sich zu Antisemitismus-Skandal

»Beiträge, die das Existenzrecht Israels infrage stellen, überschreiten in Deutschland und auf der Berlinale eine rote Linie«, heißt es in einer Erklärung des Festivals

von Imanuel Marcus  19.02.2025