Warum der jüdische Witz ein Segen in Zeiten ist, in denen man sich nicht immer aussuchen kann, aus welchem Grund einem das Lachen vergeht, das kann man an der Musikalischen Komödie in Leipzig studieren. Wenn man vor lauter Lachen in Dominik Wilgenbus’ Inszenierung des Musicals The Producers dazu kommt, das Mel Brooks 2001 aus seinem eigenen Kultfilm Frühling für Hitler von 1967 gemacht hat. Für die MuKo (und überhaupt für die Leipziger Oper, zu der das Operettentheater gehört) ist diese Neuproduktion in jeder Hinsicht ein Volltreffer.
Es ist das Stück über den Versuch, bewusst einen Broadway-Flop zu produzieren und dafür dem schlechtesten Regisseur die mieseste Story anzuvertrauen. Dank des einkalkulierten Verlustes sollen keine Sponsorengelder an die vielen reichen alten Damen zurückgezahlt werden, denen der windige und einst erfolgreiche Broadway-Produzent Max Bialystock (Patrick Rohbeck) viele Dollars abgeluchst hat.
Es ist das Stück über den Versuch, bewusst einen Broadway-Flop zu produzieren und dafür dem schlechtesten Regisseur die mieseste Story anzuvertrauen.
Der jüdische Produzent und sein zunächst verdruckster Buchhalter Leo Bloom (Nick Körber) entscheiden sich für Frühling für Hitler von Franz Liebkind (Michael Raschle): ein Alt-Nazi, der seine Brieftauben Hermann, Josef, Heinrich, Eva, Björn und Adolf nennt und seinen »Führer« selbst spielen will. Weil er sich aber rechtzeitig die Knochen bricht, kommt der wie geradewegs aus einem Käfig voller Narren entsprungene, oberschwule Regisseur Roger De Bris (hinreißend: Andreas Rainer) zu der Ehre, diese Rolle mit dem vorhersehbaren Lacherfolg auf die Revuetreppe zu bringen. Der Plan geht natürlich gründlich schief – das Hitler-Stück wird in jeder Hinsicht ein Erfolg.
Ganz genau wie diese Inszenierung, die dank Michael Nündel und seinem MuKo-Orchester, dem von Mirko Mahr choreografierten Ballett und dem von Matthias Drechsler einstudierten Chor und Extrachor in jeder Hinsicht fabelhaft verpackt auf die Bühne kommt.
Wilgenbus und Uschi Haug (Kostüme) sind musicalbranchenüblich den cineastischen und Broadway-Vorbildern erkennbar dicht auf den Fersen, während Peter Engel sich bei der Bühne einige gut passende Überzeichnungsfreiheiten nimmt. In den angedeuteten Räumen gibt es immer die Möglichkeit, auch ohne Tür ins Nebenzimmer zu kommen.
Wenn da ein Vogelschiss mit einer Hakenkreuz-Armbinde verdeckt wird oder beim Casting ein Bewerber im Höckepack zu zweit auftritt, hat das Publikum keine Mühe zu erkennen, wer da – mit Verlaub – verarscht wird.
Ein paar subtile Gegenwarts-Pointen jubelt die Regie dem originalen Jahr des Geschehens 1959 aber doch unter. Wenn da ein Vogelschiss mit einer Hakenkreuz-Armbinde verdeckt wird oder beim Casting für die Hauptrolle ein Bewerber im Höckepack zu zweit auftritt, hat das Publikum keine Mühe zu erkennen, wer da gemeint ist und – mit Verlaub – verarscht wird.
Es ist ein Feuerwerk des Slapsticks und der perfekten Tanznummern, vor allem aber der Pointen und Anspielungen. Da fliegt die Weltkugel des Großen Diktators durch den Raum, oder ein Hitler-Darsteller veralbert den Hitlergruß mit »Heil mir selbst«. Die schwedische Ulla im Stück so perfekt zwischen Marilyn Monroe und Marika Röck aufs Parkett zu legen, wie Nora Lentner es macht, ist genauso eine Glanzleistung wie die Auftritte der alten Golden Girls, denen Bialy die Schecks aus den Unterhosen fingert.
Dass einem beim Swastika-Ballett oder dem Auftritt von Ivo Kovrigar als blonder Sturmtruppmann auch mal der Atem stockt, erinnert direkt an die erste Silbe im Wort Totlachen, das auch über diesem Stoff schwebt.
Es funktioniert als Ganzes, weil dieses Stück ein Publikum voraussetzt und antrifft (!), das immer noch klug genug ist, historische Bezüge herzustellen, und keines woken Übereifers bedarf, um vor dem Anblick eines Hakenkreuzes beschützt zu werden (wie etwa in den jüngsten Cabaret-Inszenierungen in Düsseldorf und Leipzig).
The Producers ist ein Stück gegen jeden Frühling, Sommer, Herbst und Winter für Hitler. Aber auch eines gegen jedes Gebot einer aus der Bahn geratenen politischen Korrektheit, die doch nur eine Form von Selbstzensur ist. Dem selbstbewussten jüdischen Witz eines Mel Brooks sei Dank.
Das Stück wird an der Musikalischen Komödie Leipzig wieder am 19. und 20. Dezember sowie am 13. und 14. Januar gespielt.