»Schwermut kann aber auch sehr schön sein. Sie ist Poesie, die tiefe Sehnsucht nach dem, was zerbrechlich und vergänglich ist«, sagte einst Marcel Marceau.
Von Leben und Werk des französischen Pantomimen, der nach dem Zweiten Weltkrieg als »Clown Bip« die Welt eroberte, erzählt jetzt ein Dokumentarfilm des Schweizers Maurizius Staerkle Drux, selbst Sohn eines Pantomimen. Erst spät, sagt der Regisseur der Jüdischen Allgemeinen, sei ihm aufgefallen, wie viele der Nummern seines Vaters Christoph Staerkle von Marceau beeinflusst waren.
RETTUNG Bei einem Essen in New York habe er eine alte Schweizerin kennengelernt, die ihm erzählte, ein Pantomime habe ihr das Leben gerettet. »Das hat mich natürlich sehr hellhörig gemacht.« Erst danach entdeckte er, wie viel Schwermut der heitere Clown in sich trug: »Ich habe realisiert, dass diese lustigen Nummern, diese Sketche, eigentlich einen sehr ernsten und existenziellen Hintergrund haben.«
Mit klassischen Mitteln einer Filmbiografie – interviewt werden Zeitzeugen wie der 108 Jahre alte Georges Loinger (ein Cousin Marceaus), zwei Töchter und ein Enkel – zeichnet der Film den Werdegang des jüdischen Künstlers nach, der schon als kleiner Junge davon fasziniert war, Charlie Chaplin im Kino zu sehen.
1923 wurde er als Marcel Mangel in Straßburg geboren, der Vater war Metzger, Taubenzüchter und Kantor. Als 17-Jähriger konnte er 1940 nach Frankreich flüchten. Dort schloss er sich mit seinem Bruder der Résistance an und gab sich den Familiennamen Marceau. Er half, mehrere Gruppen jüdischer Kinder aus dem von Deutschland besetzten Frankreich in die Schweiz zu schleusen. Um die jungen Flüchtlinge ruhig zu halten, unterhielt er sie mit Pantomime. Marceaus Vater Charles überlebte die deutsche Besatzung nicht, er wurde in Auschwitz ermordet.
GEHÖRLOSER Als Interviewpartner in Kunst der Stille bindet der Regisseur auch seinen gehörlosen Vater ein, für den Pantomime ein lebenswichtiges Ausdrucksmittel ist – dadurch erhält der Film, der am 5. Mai zum »Tag der Inklusion« ins Kino kommt, eine anrührende und persönliche Note.
Der Inklusion der Parkinson-Patienten, die sich durch Pantomime Heilung erhoffen, hätte es im Film allerdings nicht bedurft. Eine Doku mit vielen Ebenen, die Marceau als Mensch, dreimal verheiratet und Vater von vier Kindern, nicht nahe genug kommt (auch seine Töchter erlebten ihn offenbar vor allem aus der Ferne) – der »Kunst der Stille« aber doch.