Derzeit zeigt der Kunstverein in Worms eine Werkschau von 38 Gemälden des israelischen Künstlers Amnon David Ar (47). Seit sechs Jahren lebt er gemeinsam mit seinem Lebensgefährten, dem international bekannten Pianisten Yehuda Inbar, in Berlin. Der Titel der Ausstellung ist Luftgeschäfte, was augenzwinkernd die soziale Situation vieler Künstler beschreibt. Stammt der Titel doch aus dem Jiddischen und bedeutet »ein nutzloses Unterfangen«, eine »brotlose Kunst«.
Amnon David Ar, ausgebildet an der Kunstakademie Bezalel in Jerusalem und bei namhaften Künstlern wie Oswald Adler und Abraham Bykov, beherrscht einerseits eine Maltechnik, wie man sie aus dem 19. Jahrhundert kennt, also noch vor Impressionismus und Expressionismus. Andererseits aber zeigen Bilder meist Alltagsszenen mit den Requisiten des 21. Jahrhunderts. Seine Porträts zeigen Menschen von heute, gemalt in jenem klassischen Stil, wie er vor Erfindung der Fotografie seine beste Zeit hatte.
Im Ausstellungskatalog wird das Außergewöhnliche dieser Bilder so beschrieben: »Was auf den ersten Blick banal und zufällig erscheint, wird narrativ und kann sich manchmal sogar symbolhaft abstrahieren.« In jedem Fall ist Amnon David Ar eine eigenwillige Künstlerpersönlichkeit, wie sich bei einem Gespräch in seinem Berliner Atelier zeigt.
Herr Ar, wie hat sich der Ortswechsel von Tel Aviv nach Berlin auf Ihr Werk ausgewirkt?
Zunächst einmal hat sich das auf meine Arbeitsweise ausgewirkt. Das Leben in Berlin ist sehr viel ruhiger. In Israel kenne ich so viele Leute, da klingelt alle fünf Minuten das Handy, ständig kommt jemand vorbei. Es passiert in diesem Land ja auch immer etwas, was schlagartig die öffentliche Stimmung verändert. In Berlin hingegen kannte ich anfangs kaum jemanden, konnte mich folglich besser konzentrieren und stundenlang am Stück arbeiten. Und ich habe das Gefühl, die Welt von hier aus objektiver betrachten zu können. Plötzlich wurden viele meiner Bilder größer, bis zu 1,80 Meter im Quadrat …
(Einwurf von Yehuda Inbar): Sie sind auch bunter geworden!
Ja, das stimmt, aber ich weiß nicht warum.
Und welche Themen haben sich hier in Berlin entwickelt?
Ich habe hier mit einer Serie über den Ablauf des Lebens begonnen. Jedes Bild widmet sich einem anderen Lebensabschnitt. Zum Beispiel habe ich eine junge Frau gemalt, die nach Hause kommt und erschöpft auf einem Stuhl zusammensackt. In ihrer Umgebung gibt es keine schönen Dinge, alles ist hässlich. Alles ist aus Plastik, ihre Tasche, die Schuhe, der Stuhl, auf dem sie sitzt, Wasserflaschen, ein Schirm. Nichts ist für die Dauer hergestellt. Ein anderes Bild ist dem Tod gewidmet. Ein gestorbener Mensch liegt einsam und nackt in der Pathologie auf einem Bett neben einem Skelett.
Malen Sie solche außergewöhnlichen Bildkompositionen komplett aus dem Kopf?
Zunächst habe ich das Bild im Kopf. Dann aber orchestriere ich all das, was auf den Bildern zu sehen sein soll, hier im Atelier. Ich arbeite immer so, dass ich das Bild aus der Fantasie hier in der Realität aufbaue, und dann beginne ich, das zu malen.
Und wie war das in Israel?
Da habe ich weniger zu solchen speziellen Themen gearbeitet, auch keine Serien, das begann erst hier. Dort waren die Aussagen der Bilder geheimnisvoller, aber sehr viel weniger literarisch als diese hier.
Zum Leben gehört die Lebenswirklichkeit, und die ist derzeit sehr stark bestimmt von der Corona-Krise.
Oh ja, eine neue Situation für jeden Einzelnen. Da wird ganz sicher eine Infiltration in meine Arbeit in dieser oder jener Form stattfinden, ich weiß aber im Moment noch nicht, wie.
Sie haben in Israel schon in jungen Jahren in namhaften Museen ausgestellt, im Jahr 2009 waren sie gerade 35-jährig mit einer Einzelausstellung im Tel Aviver Museum für Zeitgenössische Kunst vertreten. Sie waren auch der erste Gewinner des mittlerweile renommierten Haim-Shiff-Preises. Warum verlässt man als arrivierter Künstler einen solchen Ort?
Eben deshalb – ich hatte in Israel alles erreicht. Für einen Künstler gilt: An einem Ort zu bleiben, bedeutet Rückschritt. Nun also Berlin, eine Stadt mit einer kreativen Kunstszene. Man ist hier neugierig auf neue Sachen, und ich glaube, auch nicht so sehr kapitalistisch, ganz anders als etwa in Paris.
Nun haben Sie eine Ausstellung im Kunstverein Worms. Wie Sie sicher wissen, ist Worms eine der Städte, wo bereits vor 1500 Jahren eine jüdische Gemeinde existierte. Hatte das Einfluss auf die Auswahl Ihrer Bilder?
Nicht auf die Auswahl der Bilder, denn damit hatte ich ja nicht viel zu tun. Es gibt einen Kurator, Dietmar Schuth – ein promovierter Kunstwissenschaftler, der mit mir gemeinsam die Bilder ausgesucht hat, aber leider keine meiner Zeichnungen. Die Ausstellung war zuvor ja auch schon in Schwetzingen gezeigt worden. In Worms aber habe ich starke Emotionen verspürt, als ich den jüdischen Friedhof besuchte, der so alt ist. Er war zwar wegen Schawuot geschlossen, aber ich habe ein paar Stellen gefunden, von denen aus ich hineinsehen und auf den Grabsteinen die hebräischen Inschriften lesen konnte. Diese Atmosphäre hat mich sehr bewegt. Es war wirklich wie ein Traum für mich, eine Mischung aus Trauer und Hoffnung. Sicher wird mich auch diese Erfahrung in meiner künftigen Arbeit inspirieren.
Das Gespräch führte Gerhard Haase-Hindenberg.
Die Ausstellung »Luftgeschäfte« ist noch bis zum 28. Juni im Kunstverein Worms zu sehen.