Zipora ist sauer: Warum gibt Emil der schwangeren Gül keine Banane ab? Fünf davon liegen in seiner lila Plastikbox, aber er versteckt die süßen Früchte vor der restlichen Gruppe. Dabei sind alle, die seit zwei Tagen vor einem Wald in der Nähe von Detroit sitzen, schon verdammt hungrig.
Sie warten auf ihn, Adam Spielman. Und da muss auch der Magen geduldig sein. Denn Adam ist nicht irgendwer. Der ehemalige Musiker und Junkie, der eines Tages aus Detroit verschwand und in seinem Last Universal Diasporic Testament seltsame Dinge prophezeit hat, ist eine Legende geworden. Ihm zu begegnen, heißt, alle dunklen und bösen Gedanken zu verlieren. Genau das möchten auch die sechs Figuren in dem Stück Warten auf Adam Spielman des deutsch-türkischen Autors Hakan Savas Mican. Der israelische Regisseur Michael Ronen inszeniert es jetzt im Berliner Theater Ballhaus Naunynstraße.
ZERRISSENHEIT Die Jüdin Zipora (Sara von Schwarze), das deutsch-türkische Ehepaar Malik (Kida Ramadan) und Gül (Pinar Erincin), die Perserin Samira (Aylin Esener) mit ihrem Freund Galip (Mehmet Yilmaz) und Emil (Peter Becker) - sie alle sitzen vor diesem düsteren Wald und streiten sich. Sie beleidigen einander, sind wütend und hilflos. Unbewältigte Konflikte, Klischees über Türken, Juden und Schwule, der Kampf mit der Nazi-Vergangenheit der Eltern, der Nahostkonflikt und die Zerrissenheit von Migranten - alle diese Themen werden in vier Akten aufgegriffen, und da in einem ungeheuren Tempo. Der Zuschauer erlebt in rund 90 Minuten eine Krise nach der anderen. Begleitet von dem Erzähler Bob (Daniel Kahn), saust man von Ziporas Vergangenheit in Bayern nach Israel und weiter zu Galips Suche nach einem Theaterjob, bei dem er keine Türken mehr spielen muss. Und dann ist da noch Güls Abtreibung. Das ist mehr, als der Zuschauer verkraften kann.
Zwar gelingt es den Schauspielern, ihre Figuren glaubhaft darzustellen - besonders Kida Ramadan und Daniel Kahn können überzeugen -, doch die hohen Erwartungen, die sich das Stück selbst setzt, werden nicht erfüllt. Leider macht auch das umwerfende Bühnenbild, das bereits am Eingang beginnt, die Handlung nicht leichter: Über die Bühne, vorbei an den wartenden Schauspielern, erreicht der Zuschauer seinen Platz. Dort sitzt er mitten im Wald, Vögel zwitschern, es ist feucht und riecht nach Morast. Im Dunkeln flackern geheimnisvolle Lichter. Auch eine Videoinstallation versucht, das Stück etwas aufzulockern: Frühere Freunde erzählen aus Adam Spielmans Leben und der Erzähler Bob singt und spielt auf Instrumenten. Wer allerdings Adam Spielman ist, ob er kommt und wenn ja, wie, und ob er vielleicht schon längst da war - das bleibt wie der Wald: im Dunkeln.
»Warten auf Adam Spielman« ist vom 14. bis 17. Oktober, jeweils um 20 Uhr, im Ballhaus Naunynstraße, Berlin, zu sehen. Tickets zu 11 Euro (ermäßigt 7 Euro) unter Tel. (030) 75 45 37 25