Theater

Krisen am Waldrand

Das Ballhaus Naunynstraße in Berlin zeigt »Warten auf Adam Spielman«

von Katrin Richter  11.10.2010 14:31 Uhr

Am Rande des Waldes warten sieben Schicksale auf Adam Spielman. Foto: Ballhaus Naunynstraße

Das Ballhaus Naunynstraße in Berlin zeigt »Warten auf Adam Spielman«

von Katrin Richter  11.10.2010 14:31 Uhr

Zipora ist sauer: Warum gibt Emil der schwangeren Gül keine Banane ab? Fünf davon liegen in seiner lila Plastikbox, aber er versteckt die süßen Früchte vor der restlichen Gruppe. Dabei sind alle, die seit zwei Tagen vor einem Wald in der Nähe von Detroit sitzen, schon verdammt hungrig.

Sie warten auf ihn, Adam Spielman. Und da muss auch der Magen geduldig sein. Denn Adam ist nicht irgendwer. Der ehemalige Musiker und Junkie, der eines Tages aus Detroit verschwand und in seinem Last Universal Diasporic Testament seltsame Dinge prophezeit hat, ist eine Legende geworden. Ihm zu begegnen, heißt, alle dunklen und bösen Gedanken zu verlieren. Genau das möchten auch die sechs Figuren in dem Stück Warten auf Adam Spielman des deutsch-türkischen Autors Hakan Savas Mican. Der israelische Regisseur Michael Ronen inszeniert es jetzt im Berliner Theater Ballhaus Naunynstraße.

ZERRISSENHEIT Die Jüdin Zipora (Sara von Schwarze), das deutsch-türkische Ehepaar Malik (Kida Ramadan) und Gül (Pinar Erincin), die Perserin Samira (Aylin Esener) mit ihrem Freund Galip (Mehmet Yilmaz) und Emil (Peter Becker) - sie alle sitzen vor diesem düsteren Wald und streiten sich. Sie beleidigen einander, sind wütend und hilflos. Unbewältigte Konflikte, Klischees über Türken, Juden und Schwule, der Kampf mit der Nazi-Vergangenheit der Eltern, der Nahostkonflikt und die Zerrissenheit von Migranten - alle diese Themen werden in vier Akten aufgegriffen, und da in einem ungeheuren Tempo. Der Zuschauer erlebt in rund 90 Minuten eine Krise nach der anderen. Begleitet von dem Erzähler Bob (Daniel Kahn), saust man von Ziporas Vergangenheit in Bayern nach Israel und weiter zu Galips Suche nach einem Theaterjob, bei dem er keine Türken mehr spielen muss. Und dann ist da noch Güls Abtreibung. Das ist mehr, als der Zuschauer verkraften kann.

Zwar gelingt es den Schauspielern, ihre Figuren glaubhaft darzustellen - besonders Kida Ramadan und Daniel Kahn können überzeugen -, doch die hohen Erwartungen, die sich das Stück selbst setzt, werden nicht erfüllt. Leider macht auch das umwerfende Bühnenbild, das bereits am Eingang beginnt, die Handlung nicht leichter: Über die Bühne, vorbei an den wartenden Schauspielern, erreicht der Zuschauer seinen Platz. Dort sitzt er mitten im Wald, Vögel zwitschern, es ist feucht und riecht nach Morast. Im Dunkeln flackern geheimnisvolle Lichter. Auch eine Videoinstallation versucht, das Stück etwas aufzulockern: Frühere Freunde erzählen aus Adam Spielmans Leben und der Erzähler Bob singt und spielt auf Instrumenten. Wer allerdings Adam Spielman ist, ob er kommt und wenn ja, wie, und ob er vielleicht schon längst da war - das bleibt wie der Wald: im Dunkeln.

»Warten auf Adam Spielman« ist vom 14. bis 17. Oktober, jeweils um 20 Uhr, im Ballhaus Naunynstraße, Berlin, zu sehen. Tickets zu 11 Euro (ermäßigt 7 Euro) unter Tel. (030) 75 45 37 25

Kino

Road-Movie der besonderen Art

»A Real Pain« handelt von zwei Amerikanern, die auf den Spuren ihrer verstorbenen Großmutter durch Polen reisen und historische Stätten jüdischen Lebens besuchen

von Irene Genhart  10.01.2025

USA

Mel Gibson: »Mein Zuhause sah aus wie Dresden«

Zahlreiche Stars sind von der gewaltigen Feuerkatastrophe in Kalifornien betroffen. Auch Mel Gibsons Haus fiel den Flammen zum Opfer. Nach antisemitischen Einlassungen in der Vergangenheit irritiert er nun einmal mehr mit unpassenden Vergleichen

 10.01.2025

Österreich

Schauspiel-Legende Otto Schenk ist tot

Der Darsteller, Intendant, Autor und Regisseur mit jüdischem Familienhintergrund galt als spitzbübischer Spaßmacher und zugleich tiefgründig Denkender. Er war ein gefragter Künstler - auch in Deutschland und in den USA

von Matthias Röder  10.01.2025

Geheimnisse & Geständnisse

Plotkes

Klatsch und Tratsch aus der jüdischen Welt

von Katrin Richter  10.01.2025 Aktualisiert

Kultur

Termine und TV-Tipps

Termine und Tipps für den Zeitraum vom 9. bis zum 18. Januar

 09.01.2025

Film

Wie naiv war ich?

Die Schauspielerin Adriana Altaras ist für eine Rolle nach Jordanien geflogen. Sie spielte eine Jüdin, die zusammen mit einem Palästinenser in Ramallah lebt. Bericht von einem verstörenden Dreh

von Adriana Altaras  09.01.2025

Sehen!

»Shikun«

In Amos Gitais neuem Film bebt der geschichtsträchtige Beton zwischen gestern und heute

von Jens Balkenborg  09.01.2025

Zahl der Woche

14 Monate

Fun Facts und Wissenswertes

 08.01.2025

Sehen!

»September 5«

Ein spannender und vielschichtiger Journalisten-Thriller über das Münchner Olympia-Attentat

von Jens Balkenborg  08.01.2025