Wuligers Woche

Koscherer Vogelschiss

Foto: Thinkstock

Falls unter den Lesern zufällig gerade Historiker sind: Ich hätte da eine Projektidee. Das Standardwerk Die dümmsten Juden aller Zeiten muss dringend geschrieben werden. Und ein großes Kapitel darin sollte sich jüdischen AfD-Anhängern und -Verstehern widmen.

Ich weiß, wovon ich rede. Vor einigen Monaten hatte ich das zweifelhafte Vergnügen, mich bei einer Veranstaltung mit solchen Leuten auseinandersetzen zu müssen. Der intellektuelle Gewinn war dabei eher mäßig. AfD-freundliche Juden scheinen nicht die hellsten Kerzen auf der Menora zu sein.

muslime Ihre Argumentationsmuster waren recht simpel gestrickt: Die blaue Partei sei doch pro-israelisch; Antisemiten, und zwar noch schlimmere, gebe es in den anderen Parteien auch; die Hauptgefahr für Juden hierzulande komme von den Muslimen, und gegen die setze sich niemand entschiedener ein als die AfD.

Weil ich dem nicht uneingeschränkt zustimmen wollte, wurde ich als »linker Gutmensch« bezeichnet. Das hat mich nun wirklich gekränkt. Links bin ich seit Jahrzehnten nicht mehr. Und jeder, der mich kennt, kann bestätigen, dass übertriebene Güte nicht zu meinen herausragenden Eigenschaften zählt.

Schadenfreude Deshalb habe ich mich auch über Gaulands »Vogelschiss«-Rede gefreut. Schadenfreude gehört sich natürlich nicht. Aber die Vorstellung, was für bedröppelte Gesichter unsere Stammesgenossen vom rechten Rand gemacht haben müssen, nachdem ihr Führer die Schoa zur historischen Petitesse erklärte, war einfach zu schön.

Mit Vergnügen malte ich mir auch die geistigen Verrenkungen aus, die diese Leute jetzt unternehmen mussten, um nicht vor sich und anderen als völlige Volltrottel dazustehen. Wahrscheinlich von der Machart »Aus dem Zusammenhang gerissen«, »Den Holocaust geleugnet hat er aber nicht«, »Herr Meuthen hat sich doch distanziert«.

Immerhin: Bei einigen scheint es geklingelt zu haben. Ein semi-prominenter jüdischer AfD-Versteher kam auf seiner Facebook-Seite nicht umhin, Gauland als das, was er ist, zu bezeichnen, nämlich einen Demagogen, der »mit Vorsatz und Kalkül am rechten Rand fischt«. Jetzt fühlt der arme Mann sich »zwischen Skylla und Charybdis«.

Merkel Wobei schuld an der Misere für ihn natürlich »die Merkel-Regierung und die übrigen Einlass-Parteien islamischer Gewalt und islamischen Judenhasses« sind, »die uns die Partei von Gauland und Co. eingebrockt haben«. Danke, Merkel!

Wo wir gerade bei jüdischem Nonsens sind: Den gibt es natürlich auch auf der anderen Seite des politischen Spektrums. Die »Jüdische Stimme für gerechten Frieden im Nahen Osten«, ein Verein mit ungefähr so vielen Mitgliedern wie der Name der Gruppe Buchstaben hat, fordert nach den Zusammenstößen mit der Hamas in Gaza: »Der israelische Botschafter in Deutschland sollte ausgewiesen werden.« Die dümmsten Juden aller Zeiten wird ein Buch, das sich fast von alleine schreibt.

Programm

Termine und TV-Tipps

Termine und Tipps für den Zeitraum vom 20. Februar bis zum 27. Februar

 21.02.2025

Berlinale

»Das verdient kein öffentliches Geld«

Der Berliner CDU-Fraktionschef Dirk Stettner hat seine Karte für die Abschlussgala zerrissen – und will die Förderung für das Filmfestival streichen

von Ayala Goldmann  21.02.2025

Bayern

NS-Raubkunst: Zentralrat fordert schnelle Aufklärung

Der Zentralrat der Juden verlangt von den Verantwortlichen im Freistaat, die in der »Süddeutschen Zeitung« erhobenen Vorwürfe schnell zu klären

 20.02.2025

Kolumne

Unentschlossen vor der Wahl? Sie sind in guter Gesellschaft – mit Maimonides

Der jüdische Weise befasste sich mit der Frage: Sollten wir als Kopfmenschen mit all unserem Wissen auch bei Lebensentscheidendem dem Instinkt vertrauen?

von Maria Ossowski  20.02.2025

Berlin

Eine krasse Show hinlegen

Noah Levi trat beim deutschen Vorentscheid für den Eurovision Song Contest an. In die nächste Runde kam er nicht, seinen Weg geht er trotzdem

von Helmut Kuhn  20.02.2025

NS-Unrecht

Jüdische Erben: »Bayern hat uns betrogen« - Claims Conference spricht von »Vertrauensbruch«

Laut »Süddeutscher Zeitung« ist der Freistaat im Besitz von 200 eindeutig als NS-Raubkunst identifizierten Kunstwerken, hat dies der Öffentlichkeit aber jahrelang verheimlicht

von Michael Thaidigsmann  20.02.2025

Literatur

»Die Mazze-Packung kreiste wie ein Joint«

Jakob Heins neuer Roman handelt von einer berauschenden Idee in der DDR. Ein Gespräch über Cannabis, schreibende Ärzte und jüdischen Schinken

von Katrin Richter  20.02.2025

Berlinale

Auseinandergerissen

Sternstunde des Kinos: Eine Doku widmet sich David Cunio, der am 7. Oktober 2023 nach Gaza entführt wurde, und seinem Zwillingsbruder Eitan, der in Israel auf ihn wartet

von Ayala Goldmann, Katrin Richter  19.02.2025

Berlin

»Sind enttäuscht« - Berlinale äußert sich zu Antisemitismus-Skandal

»Beiträge, die das Existenzrecht Israels infrage stellen, überschreiten in Deutschland und auf der Berlinale eine rote Linie«, heißt es in einer Erklärung des Festivals

von Imanuel Marcus  19.02.2025