Anmerkung der Redaktion (2. August 2023):
Als dieser Text von Fabian Wolff in der Jüdischen Allgemeinen erschien, glaubte die Redaktion Wolffs Auskunft, er sei Jude. Inzwischen hat sich Wolffs Behauptung als unwahr herausgestellt.
»Heute Abend wird es nicht um die Debatte gehen«, sagt Cilly Kugelmann und enttäuscht damit sicherlich große Teile des Publikums. Schließlich war die Podiumsdiskussion zur Frage »Gehört der Zionismus zum Judentum?« mit Judith Butler und Micha Brumlik schon seit zwei Wochen ausverkauft. Wohl vor allem wegen des Streits darüber, ob die Philosophin Butler den Adorno-Preis verdient hat, obwohl sie Boykott-Kampagnen gegen Israel unterstützt, ist der Glashof des Jüdischen Museums jetzt gefüllt.
Die folgende zweistündige Diskussion dann ist konzentriert und unaufgeregt, wenigstens aufseiten der beiden Gesprächspartner. Schnell wird klar, wo sie sich treffen und wo die Wege auseinandergehen. In der völligen Abkehr vom Zionismus sieht Brumlik die Gefahr, das Judentum zur reinen Konfession zu machen. Das hat schon 1861 nicht funktioniert, als der Rabbiner Dr. Maier eine schwäbische Synagoge mit den Worten »Dir, geliebtes Stuttgart, unserem Jerusalem, wünschen wir Heil!« einweihte. Israel war immer ein zentraler Punkt des Judentums.
identität Auch wenn für Butler ihre jüdische Identität von großer Bedeutung ist, als Zionistin kann und möchte sie sich nicht bezeichnen, zumindest nicht im heutigen Kontext. Sie will stattdessen zu einem kulturellen Zionismus zurück, der die Wiedergeburt von jüdischem Geist und jüdischer Kultur zum Ziel hat, sagt sie. »Bis 1948 war das die Bedeutung von Zionismus. Dann haben sich plötzlich die Begrifflichkeiten geändert. Auf einmal ist man sogar Antizionist, weil man kultureller Zionist ist!«
Ursprünglich sollte Jacques Schuster von der »Welt« die Diskussion moderieren – der zog sich dann zurück, weil mit Butler »ein abgewogenes Gespräch« nicht möglich sei. Seine Vertretung übernahm Andreas Öhler, Redakteur bei »Christ und Welt«. Dessen Beiträge zum Gespräch beschränkten sich vor allem darauf, von seinen jüdischen und israelischen Freunden zu erzählen. An einer Stelle berichtete er von seiner Verwunderung darüber, dass es trotz der israelischen Politik so viele nette Israelis gäbe, die sich für Kultur und Musik interessierten: »Könnte man denn den alten Zionismus nicht durch diesen ersetzen?« Brumliks knappe Antwort darauf: Ohne politische Institutionen existiere ja wohl auch keine israelische Gesellschaft. Aus dem Publikum tuschelndes Unverständnis.
zores Dass diese und andere Feststellungen von Brumlik überhaupt nötig sind, zeigen, wie schwierig so eine Diskussion sein kann, wenn sie im falschen Kontext stattfindet. Denn große Teile der Zuschauer waren vor allem gekommen, um Butler zu beklatschen. Die aber hat keine Lust auf Gesinnungsapplaus. Eine Linke ist sie nicht, sagt sie und hebt abwehrend die Hände – die sind »zu zufrieden«. Und mit ein paar kleinen bitteren Bemerkungen gibt sie vielleicht auch zu erkennen, dass sie schon weiß, welches Spiel gespielt werden soll, wenn zwei Juden in Deutschland über Israelkritik sprechen: »Das ist der Zores – ach, Sie im Publikum wissen natürlich nicht, was das Wort bedeutet.«