Geistesgeschichte

Konservativ, preußisch, jüdisch

Der streitbare Historiker und Religionswissenschaftler Hans-Joachim Schoeps (1909–1980) liebte zugespitzte Formulierungen. So bemerkte er in seinen 1974 publizierten Memoiren: »Die Grundbestände meines Lebens: konservativ, preußisch, jüdisch, wirken auf die roten Söhne brauner Väter offenbar als Provokation.« Spätfolge unerquicklicher Debatten: Vor zwei Jahren bezeichnete Wolf Biermann Schoeps als einen »Heil-Hitler-Juden«. Über diese abwegige Behauptung könnte man lachen, wäre die Angelegenheit nicht so ernst.

Hohenzollern Unter dem bezeichnenden Titel Wider den Zeitgeist sind kürzlich neue Studien zu Leben und Werk von Hans-Joachim Schoeps erschienen. In dem materialreichen Sammelband kommen sowohl Zeitgenossen zu Wort, die Schoeps gut kannten, als auch Fachkollegen, die seine Leistung würdigen, und Forscher, die fleißig in Archiven recherchiert haben. Abgedruckt ist etwa ein dreiseitiger Brief, den Schoeps im Sommer 1951 an Louis Ferdinand Prinz von Preußen schrieb: Nach der Rückkehr aus dem schwedischen Exil engagierte sich der preußische Jude für die Wiederherstellung der Hohenzollernmonarchie!

Schoeps war ein großer Kenner der modernen jüdischen Religionsphilosophie; für den bedeutendsten Denker des 19. Jahrhunderts hielt er Salomon Ludwig Steinheim, dessen Werk heute nur noch wenige Spezialisten studieren. Schoeps’ politisch-religiöse Position hatte Richard Faber 2008 in seinem Buch Deutschbewußtes Judentum und jüdischbewußtes Deutschtum unter die Lupe genommen – ein Werk, das allerdings mehrere Kritiker als einseitig und polemisch beurteilt haben. In Wider den Zeitgeist behandelt Faber das interessante Thema: »Die Antipoden Schoeps und Jacob Taubes«.

Werk Zusammen mit Franz Kafkas Freund Max Brod veröffentlichte der junge Schoeps 1931 einige Texte des Schriftstellers. Eine damals entstandene Kafka-Monografie gab Andreas Krause Landt 2006 aus Schoeps’ Nachlass heraus: Der vergessene Gott. Franz Kafka und die tragische Position des modernen Juden. In dieser Studie interpretiert Schoeps ein dichterisches Werk und zugleich die Lage moderner Juden: »Die Gottverlorenheit ist das Nicht-mehr-Hören des Gotteswortes, das Verlöschen des im Gesetz gegebenen Offenbarungslichtes und auf Seiten des Menschen das Absinken in die Finsternis der Erdenschwere.«

In der Nachkriegszeit trat Schoeps bei interkonfessionellen Veranstaltungen als Sprecher des deutschen Judentums auf; er hat jedoch nie verschwiegen, dass seine Sicht von landläufigen jüdischen Anschauungen häufig abweicht. Gegen alle Formen zionistischer Ideologie hatte Schoeps grundsätzliche Bedenken. Es ist bezeichnend, dass er den Staat Israel nie besucht hat. Den »Israelismus« in den Nachkriegsgemeinden problematisierte Schoeps schon lange, bevor Michael Wolffsohn diesen Begriff popularisiert hat.

Die Lektüre der diversen Beiträge und Analysen führen zu dem Schluss, dass Schoeps mitunter zwar ungewöhnliche Wege wählte und hier und da Fehler beging, aber doch Bleibendes geleistet hat. Man kann seine Schriften auch heute noch mit Genuss und Gewinn lesen.

Gideon Botsch, Joachim H. Knoll, Anna-Dorothea Ludewig (Hg.): Wider den Zeitgeist. Studien zum Leben und Werk von Hans-Joachim Schoeps. Olms, Hildesheim 2009, 324 S., 49,80 €

Geheimnisse & Geständnisse

Plotkes

Klatsch und Tratsch aus der jüdischen Welt

von Imanuel Marcus, Katrin Richter  14.03.2025 Aktualisiert

Ausstellung

Chagalls fantastische Welten in Düsseldorf

Seine bunt-surreale Bildwelt fasziniert Menschen seit Jahrzehnten. Auch die dunkle Seite des jüdischen Malers rückt in den Fokus

 14.03.2025

K20 Kunstsammlung

Ungewöhnliche Werke von Marc Chagall in Düsseldorf zu sehen

Die Ausstellung mit 120 Werken beleuchtet Chagalls Auseinandersetzung mit Antisemitismus, Armut und Geschlechterrollen

von Nikolas Ender  13.03.2025

Liraz

Das Trillern der Utopie

Die israelische Sängerin ist stolz auf ihre persischen Wurzeln. In Europa kämpft sie mit Konzertabsagen

von Tilman Salomon  13.03.2025

Kino

Der Wandel des »Ka-Tzetnik«

Eine Doku widmet sich dem Schoa-Überlebenden Yehiel De-Nur und seiner Auseinandersetzung mit dem »Planeten Auschwitz«

von Dietmar Kanthak  13.03.2025

Kino

Bonhoeffers Vermächtnis »verfälscht und missbraucht«

In seinem umstrittenen Film stilisiert der amerikanische Regisseur Todd Komarnicki den Theologen und Widerstandskämpfer Dietrich Bonhoeffer zu einer Erlöserfigur im Kampf gegen den nationalsozialistischen Terror

von Raimund Gerz  13.03.2025

Rechtsextremismus

Braune Musik verbreitet Hass: Rechtsrock in Deutschland

Rechtsextreme Musik trifft bei etlichen auf offene Ohren. Beobachter warnen: Die Rechtsrock-Szene blüht. Und sie kann ein »Türöffner« sein für rechtsextremistische Ideologien

von Alexander Lang  13.03.2025

Aufgegabelt

Hamantaschen mit Mohn

Rezepte und Leckeres

 13.03.2025

Pädagogik

Sicherheit vermitteln

Welche Herausforderungen der 7. Oktober mit sich bringt: Religionslehrer suchen Antworten auf schwierige Fragen beim jährlichen Treffen an der Hochschule für Jüdische Studien Heidelberg

von Ayala Goldmann  14.03.2025 Aktualisiert