Griechenland

Komponist, Widerstandskämpfer, Politiker, Volksheld

Foto: imago images/ANE Edition

Er galt als Symbol des ungebrochenen Freiheitswillens und wurde in Griechenland wie ein Volksheld verehrt. Immer wieder setzte sich der Komponist, Widerstandskämpfer und Politiker Mikis Theodorakis für Gerechtigkeit und Demokratie ein.

BANDBREITE Seine Biografie ist geprägt vom Widerstand gegen die faschistischen Besatzungstruppen im Zweiten Weltkrieg, dem anschließenden Bürgerkrieg seines Landes und der griechischen Militärdiktatur zwischen 1967 und 1974. Im Alter von 96 Jahren starb er am Donnerstag in Athen.

Theodorakis‹ Werk weist eine erstaunliche Bandbreite auf. Es umfasst Symphonien, Kammermusik und Kantaten, Oratorien und Opern, Bühnen- und Filmmusik sowie mehr als 1000 Lieder und Hymnen. Oft spiegeln die Stücke politische Situationen, die den 1,90 Meter großen Mann beschäftigten.

Externer Inhalt

An dieser Stelle finden Sie einen externen Inhalt, der den Artikel anreichert. Wir benötigen Ihre Zustimmung, bevor Sie Inhalte von Sozialen Netzwerken ansehen und mit diesen interagieren können.

Mit dem Betätigen der Schaltfläche erklären Sie sich damit einverstanden, dass Ihnen Inhalte aus Sozialen Netzwerken angezeigt werden. Damit können personenbezogene Daten an Drittanbieter übermittelt werden. Dazu ist ggf. die Speicherung von Cookies auf Ihrem Gerät nötig. Mehr Informationen finden Sie hier.

Den Kampf für Freiheit gab er nie auf, obwohl er mehrfach in Gefangenschaft war und schwer gefoltert wurde - etwa im berüchtigten Lager auf der Insel Makronisos, wohin Ende der 40er-Jahre linke politische Gefangene deportiert wurden. Während der Militärdiktatur wurde seine Musik verboten. Theodorakis ging in den Untergrund, wurde verhaftet und interniert. Mit Hilfe internationaler Fürsprecher konnte er 1970 nach Paris ins Exil ausreisen.

BEGABUNG Leben und Werk gehören bei Theodorakis eng zusammen. »Das Komponieren war für mich ein Ausweg. So wie ein Gestrandeter im Glauben an seine Rettung eine Flaschenpost ins Meer wirft. Nicht mehr und nicht weniger«, sagte er einmal.

Geboren am 29. Juli 1925 auf der Insel Chios im ägäischen Meer, erhielt er seine musikalische Ausbildung in Athen und Paris, unter anderem bei Olivier Messiaen. Ihm wurde eine außergewöhnliche melodische Begabung nachgesagt. Theodorakis brachte die großen griechischen Dichter zum Klingen.

https://twitter.com/VincentWolffZ/status/1433329202766434307

In »Canto General« verwandelte er außerdem Verse des Chilenen Pablo Neruda in ein revolutionäres Oratorium. Der Grieche mischte Volksweisen und die osmanische Musiktradition mit besonderen Tanzrhythmen. Die Byzantinische Liturgie findet sich in seinen Oratorien wieder. In seine klassischen Werke baute er außerdem das Volksinstrument Bouzouki und seine kleine Form, die Baglamas, ein.

SIRTAKI Seine Volkslieder werden im Konzertsaal ebenso gesungen wie in den Tavernen. Seine Musik habe eine Vitalität und einen Melodienfluss, der scheinbar nie ende, sagt der Pianist, Komponist und Theodorakis-Interpret Gerhard Folkerts aus Wedel bei Hamburg. In seiner Kunst sei ein Aufbegehren.

»Mikis Theodorakis ist der Mozart unserer Zeit«, findet Folkerts, der jahrelang mit dem Komponisten befreundet war und ihn regelmäßig in Athen besuchte. Er schätze die Direktheit, mit der Theodorakis Dinge beschrieben habe. Zudem habe ihn eine »emotionale Wärme, ungeheure Freundlichkeit und besondere Aura« ausgezeichnet.

Weltberühmt wurde »Mikis« - wie ihn die Griechen nennen - 1964 mit seiner Sirtaki zum Film »Alexis Sorbas«. Bis heute gilt der beliebte Tanz als das »griechische Lied« schlechthin. Er selbst war über den Ohrwurm nur begrenzt glücklich: Wie ein Stein habe »Sorbas« an ihm gehangen, hat er einmal gesagt. Die Popularität führte dazu, dass er zu oft auf dieses eine Stück reduziert wurde.

IDEALE Als bekennender Linker war Theodorakis auch in der DDR populär. Gleich mehrere seiner Werke wurden in Ostdeutschland uraufgeführt, etwa 1981 der »Canto General« (»Der große Gesang«) in Berlin – erst 1993 folgte die Erstaufführung in Chile, drei Jahre nach dem Ende der Pinochet-Diktatur. 1982 kam im Rahmen der Dresdner Musikfestspiele die deutsche Fassung des Oratoriums »Axion Esti« zur Uraufführung. Ein Jahr später - ebenfalls bei den Musikfestspielen - sang der Dresdner Kreuzchor die Liturgie Nr. 2 erstmals öffentlich. Das Werk trägt den Untertitel »Den Kindern, getötet in Kriegen«.

Externer Inhalt

An dieser Stelle finden Sie einen externen Inhalt, der den Artikel anreichert. Wir benötigen Ihre Zustimmung, bevor Sie Inhalte von Sozialen Netzwerken ansehen und mit diesen interagieren können.

Mit dem Betätigen der Schaltfläche erklären Sie sich damit einverstanden, dass Ihnen Inhalte aus Sozialen Netzwerken angezeigt werden. Damit können personenbezogene Daten an Drittanbieter übermittelt werden. Dazu ist ggf. die Speicherung von Cookies auf Ihrem Gerät nötig. Mehr Informationen finden Sie hier.

»Ich musste einsehen, dass meine Ideale nicht durchzusetzen sind«, resümierte Theodorakis einmal sein politisches Leben, »ich vertraue nur noch dem alten griechischen Prinzip der Demokratie. Es gibt nur den Kampf um Demokratie und Freiheit, nichts weiter«.

ANTISEMITISMUS Als griechischer Minister ohne Geschäftsbereich engagierte sich Mikis Theodorakis zwischen 1990 und 1992 für Bildungs- und Kulturreformen und für die Versöhnung zwischen Griechen und Türken. Zuvor war er Abgeordneter des griechischen Parlaments. Im Jahr 2000 wurde er für den Friedensnobelpreis vorgeschlagen. 2005 erhielt er in Aachen den Unesco-Kunst- und Musikpreis.

Allerdings machte Theodorakis in den letzten Jahren auch immer wieder Negativschlagzeilen mit Aussagen über Israel oder auch über die angebliche Macht der »Zionisten« in der Musikbranche. Eigentlich war er zuvor immer als Unterstützer des Existenzrechts Israels in Erscheinung getreten. In den 70er-Jahren versuchte er sogar, zwischen Israel und der Palästinenserorganisation PLO zu vermitteln.

Doch nach ersten Aussagen im Jahr 2003, die international auf Kritik stießen, machte Theodorakis 2011 amerikanische Juden für die Finanz- und Wirtschaftskrise in Griechenland mitverantwortlich - und sagte: »Alles, was heutzutage in der Welt passiert, hat mit den Zionisten zu tun.«

Das Simon Wiesenthal Center in Los Angeles forderte daraufhin die nachträgliche Aberkennung eines Musikpreises an Theodorakis. In einem Brief an den jüdischen Gemeindebund Griechenlands verteidigte dieser sich und gab an, seine Kritik habe den USA gegolten, sprach dann aber von einem »arroganten« und »allmächtigen« Staat Israel.

Seine Persönlichkeit beschrieb er selbst so: »Meine Person ist zerstückelt wie eine Gliederpuppe, du kannst die Einzelteile überall verstreut finden. Ich hoffe sehr, dass eines Tages irgendjemand diese Glieder zu einem Ganzen zusammensetzt.« Der bekennende Agnostiker lebte zurückgezogen in seinem Haus in Athen, mit Blick auf die Akropolis. Aber auch im hohen Alter habe er sich noch eingemischt, sagt Folkerts. Im Bewusstsein der Menschen sei er ohnehin: Die Griechen vertrauten ihm und sagten über ihn: »Das ist einer von uns.« epd/ja

Meinung

Nur scheinbar ausgewogen

Die Berichte der Öffentlich-Rechtlichen über den Nahostkonflikt wie die von Sophie von der Tann sind oft einseitig und befördern ein falsches Bild von Israel

von Sarah Maria Sander  20.04.2025

Aufgegabelt

Mazze-Sandwich-Eis

Rezepte und Leckeres

 18.04.2025

Pro & Contra

Ist ein Handyverbot der richtige Weg?

Tel Aviv verbannt Smartphones aus den Grundschulen. Eine gute Entscheidung? Zwei Meinungen zur Debatte

von Sabine Brandes, Sima Purits  18.04.2025

Literatur

Schon 100 Jahre aktuell: Tucholskys »Zentrale«

Dass jemand einen Text schreibt, der 100 Jahre später noch genauso relevant ist wie zu seiner Entstehungszeit, kommt nicht allzu oft vor

von Christoph Driessen  18.04.2025

Kulturkolumne

Als Maulwurf gegen die Rechthaberitis

Von meinen Pessach-Oster-Vorsätzen

von Maria Ossowski  18.04.2025

Essay

Der verklärte Blick der Deutschen auf Israel

Hierzulande blenden viele Israels Vielfalt und seine Probleme gezielt aus. Das zeigt nicht zuletzt die Kontroverse um die Rede Omri Boehms in Buchenwald

von Zeev Avrahami  18.04.2025

Ausstellung

Das pralle prosaische Leben

Wie Moishe Shagal aus Ljosna bei Witebsk zur Weltmarke Marc Chagall wurde. In Düsseldorf ist das grandiose Frühwerk des Jahrhundertkünstlers zu sehen

von Eugen El  17.04.2025

Sachsenhausen

Gedenken an NS-Zeit: Nachfahren als »Brücke zur Vergangenheit«

Zum Gedenken an die Befreiung des Lagers Sachsenhausen werden noch sechs Überlebende erwartet. Was das für die Erinnerungsarbeit der Zukunft bedeutet

 17.04.2025

Bericht zur Pressefreiheit

Jüdischer Journalisten-Verband kritisiert Reporter ohne Grenzen

Die Reporter ohne Grenzen hatten einen verengten Meinungskorridor bei der Nahost-Berichterstattung in Deutschland beklagt. Daran gibt es nun scharfe Kritik

 17.04.2025