Wuligers Woche

Kippa und Quds-Marsch

Der »Al-Quds-Marsch« in Berlin Foto: imago/Stefan Zeitz

Nach der sensationellen Meldung vergangene Woche, dass Juden in Deutschland nicht mehr sicher sind, wenn sie als solche zu erkennen sind, haben sich führende Politiker »besorgt«, »entsetzt« und »beschämt« geäußert. Offenbar war das Phänomen ihnen bis dato nicht bekannt. Möglicherweise lesen sie keine Zeitungen.

Der für die innere Sicherheit im Land zuständige Innenminister Horst Seehofer formulierte deshalb vielleicht vorsichtshalber nur im Konjunktiv: »Es wäre nicht hinnehmbar, wenn Juden ihren Glauben in Deutschland verstecken müssten.« Wie Betroffene Seehofer versichern können, müssten sie nicht nur; sie müssen.

GOTTESDIENST Immerhin wollen die Verantwortlichen jetzt für Abhilfe sorgen. »Jeder kann und sollte eine Kippa tragen können, wann immer er will, egal, wo er gerade ist«, postulierte Bayerns Innenminister Joachim Herrmann. Ebenso sein nordrhein-westfälischer Amtskollege Herbert Reul, der sich auch gleich noch als gendergerechter Fürsprecher des Reformjudentums zu erkennen gab: »Ich kann Jüdinnen und Juden nur ermuntern, sich nicht einschüchtern zu lassen und stattdessen stolz und erhobenen Hauptes durch Deutschland zu gehen – selbstverständlich auch mit Kippa.« Das wird die wenigen, kleinen liberalen Gemeinden in seinem Bundesland freuen, in denen auch Frauen beim Gottesdienst eine Kippa aufsetzen. Traditionell tragen eigentlich nur Männer die Kopfbedeckung.

Der Zufall will es, dass an diesem Wochenende unsere Politiker die Chance haben, ihren markigen Worten auch Taten folgen zu lassen.

Aber egal. Der kalendarische Zufall will es, dass an diesem Wochenende unsere Politiker die Chance haben, ihren markigen Worten auch Taten folgen zu lassen. Am Samstag findet in Berlin, wie jedes Jahr zu Ende des islamischen Fastenmonats Ramadan, die Al-Quds-Demonstration statt. Mehrere Tausend Anhänger des iranischen Regimes und der libanesischen Hisbollah werden wieder den Kurfürstendamm entlang marschieren und die Auslöschung Israels fordern. Denn für den Anmelder der Kundgebung, einen zum schiitischen Islam übergetretenen Berliner Antiquitätenhändler namens Jürgen Grassmann, ist »Israel der Schuldige an allem Übel in dieser Welt«.

KINDERBLUT Entsprechend hatten in vergangenen Jahren Teilnehmer des Marschs Parolen gerufen wie »Zionisten ins Gas« und »Jude, Jude feiges Schwein/komm heraus und kämpf allein«. Auf Plakaten war zu lesen: »Rabbi trinkt Kinderblut«, so der Berliner »Tagesspiegel«, der auch zu berichten wusste, dass es am Rand der Demonstration wiederholt zu Angriffen auf Kippaträger kam. Den Al-Quds-Marsch zu verbieten, sieht sich der Berliner Senat dennoch nicht in der Lage.

Unwidersprochen bleibt der antisemitische Aufmarsch zum Glück nicht. Entlang der Demonstrationsroute findet, wie schon in den Vorjahren, eine Gegenkundgebung für Solidarität mit Israel und gegen jede Form antisemitischer und islamistischer Propaganda statt. Mal schauen, wie viele deutsche Politiker nach der kundgetanen Empörung des vergangenen Wochenendes dort anzutreffen sein werden.

Sehen!

Fluxus in Köln

Das Museum Ludwig widmet Ursula Burghardt und Ben Patterson eine Doppelausstellung

von Katharina Cichosch  24.11.2024

Amos Oz

Der Fehlbare

Biograf Robert Alter würdigt den Literaten und politischen Aktivisten

von Till Schmidt  24.11.2024

Glosse

Der Rest der Welt

Schweißausbrüche, Panikattacken und eine Verjüngungskur auf dem Podium

von Margalit Edelstein  24.11.2024

Kulturkolumne »Shkoyach!«

Wenn Fiktion glücklich macht

Shira Haas und Yousef Sweid sind in »Night Therapy« weitaus mehr als ein Revival der Netflix-Erfolgsserie »Unorthodox«

von Laura Cazés  24.11.2024

Aufgegabelt

Boker tow: Frühstück

Rezepte und Leckeres

 24.11.2024

Auszeichnung

Historiker Michael Wolffsohn erhält Jugendliteraturpreis

Deutsche Akademie für Kinder- und Jugendliteratur würdigt Engagement in der Geschichtsvermittlung

 23.11.2024

Berlin

Nan Goldin eröffnet Ausstellung mit Rede über Gaza-Krieg

Die umstrittene Künstlerin nennt Israels Vorgehen »Völkermord« – »propalästinensische« Aktivisten schreien Museumsdirektor nieder

 23.11.2024 Aktualisiert

Bochum

Gil Ofarim kündigt Konzert an

Gerade erst zeigte er sich geläutert - nun kündigt er neue Pläne an

 22.11.2024

Den Haag

Der Bankrott des Internationalen Strafgerichtshofs

Dem ICC und Chefankläger Karim Khan sind im politischen und juristischen Kampf gegen Israel jedes Mittel recht - selbst wenn es unrecht ist. Ein Kommentar

von Daniel Neumann  22.11.2024