Seine Produktivität ist nach wie vor atemberaubend. Woody Allen dreht nicht ganz, aber doch fast jedes Jahr einen Film. In Zahlen: Mit Rifkin’s Festival präsentiert der seit 56 Jahren auf dem Regiestuhl sitzende, heute 86-jährige Filmemacher seinen 49. (!) Film, mal nur die eigenen Regiearbeiten, nicht die reinen Drehbücher gezählt.
Allen ist ein geliebtes wie gehasstes Stück Filmgeschichte. Geliebt, weil er dem Kino mit seinen neurotisch-verschwätzten Klassikern wie Der Stadtneurotiker oder Manhattan, der Dostojewski-Neuinterpretation Match Point, seinen Charakterstudien Whatever Works und Blue Jasmine sowie mit vielen anderen Filmen eine Menge geschenkt hat.
Gehasst von vielen wegen den medial durchgewalzten, von Allen bestrittenen Missbrauchsvorwürfen durch seine frühere Lebensgefährtin Mia Farrow und der gemeinsamen Adoptivtochter Dylan Farrow. Allen soll die damals Siebenjährige sexuell missbraucht haben – eine bis heute nicht aufgelöste Geschichte, die Hollywood seit 30 Jahren beschäftigt.
FILMLIEBHABER Auch in Rifkin’s Festival schreibt sich Allen, dessen Filme etwas von einer kinematografischen Psychoanalyse haben, selbst in das Skript. Hier ist sein Mehr-oder-weniger-Alter-Ego Mort Rifkin (Wallace Shawn), ein gealterter Filmliebhaber, der seine Frau, die PR-Agentin Sue (Gina Gershon), zum Filmfestival nach San Sebastián begleitet.
»Rifkin’s Festival« nimmt eine vermeintliche Wirklichkeit zum Anlass für eine Ode an das Kino.
Mort wirft ein Auge auf Sue, die wiederum, sehr zum Unmut ihres cinephilen Mannes, ein Auge auf ihren jungen, erfolgreichen Klienten, den Regisseur Philippe (Louis Garrel), geworfen hat. Sues Geschwärme, dass Philippe in seinem nächsten Film Araber und Israelis versöhnen wolle, kontert Mort mit: »Ah, er macht jetzt Science-Fiction.« Sand im Beziehungsgetriebe ist programmiert, und auch dass Mort sich in die wesentlich jüngere Ärztin Jo Rojas (Elena Anaya) verguckt, überrascht nicht wirklich.
Man hat das alles schon oft bei Woody Allen gesehen: die liebeszweifelnden älteren und jüngeren Typen, das intellektuelle Allen’sche Gerede und sein metareflexives Spiel mit Kino und Wirklichkeit.
WELTPREMIERE Der Film spielt auf dem Filmfestival in San Sebastián, wo er auch Weltpremiere feierte, und stellt sich ganz bewusst gegen einen Satz, den Philippe einmal sagt: »Heute wird jeder Film, der sich nicht mit der Wirklichkeit auseinandersetzt, von Kritikern hoch gelobt.« Rifkin’s Festival nimmt eine vermeintliche Wirklichkeit zum Anlass für eine Ode an das Kino.
Woody Allen hätte gut daran getan, seinem Film mehr Leben einzuhauchen.
Das mag bisweilen Charme haben, etwa wenn Allen seine geliebten Klassiker nicht nur zitiert, sondern ganze Szenen daraus reinszeniert. Einmal sitzen Mort und Sue in Godard’scher Außer Atem-Manier auf dem Bett und diskutieren, ein anderes Mal liegen die beiden gemeinsam mit Philippe wie in François Truffauts Jules und Jim am Strand. Vielleicht doch eine Ménage-à-trois? Am Ende gibt Christoph Waltz den Schach spielenden Tod in einer Hommage an Ingmar Bergmans Das siebente Siegel.
Insgesamt ist Rifkin’s Festival aber eine recht müde und brave Nummer, selten sind die Gespräche so pointiert wie bei den bereits erwäh
nten Arabern und Israelis. Auch die Mechanik der Erzählung ist spürbar und einfallslos: Es passiert das Erwartbare, bevor Mort mal wieder träumt und eine Klassiker-Hommage folgt und so weiter und so fort.
»Das Leben ist unbedeutend, aber nicht leer, füllen Sie es«, heißt es in existenzialistischer Manier am Ende. Woody Allen hätte gut daran getan, seinem Film mehr Leben einzuhauchen.
Der Film läuft ab 7. Juli in den Kinos.