»Wissen Sie, wer das ist?« Die Frage erscheint gleich zu Beginn, zum Mitschnitt eines Mannes, der ruhig und kundig von der Kampffähigkeit von Panzern im Winter spricht. Die Antwort: Adolf Hitler. Das einzige überlieferte, 1942 heimlich aufgezeichnete Privatgespräch Hitlers bildet einen verblüffenden Auftakt und reißt Joachim Langs Ansinnen an: Er will hinter die Kulissen der Nazis schauen, will ihre perfiden Manipulationsstrategien und ihren Kampf um die Macht der Bilder transparent machen.
Lang betreibt offensiv eine Kinematografie der Aufklärung. Sein Film wolle, so schiebt er voran, durch Historisches auch »die Hetzer von heute entlarven«. Der Regisseur erzählt nach eigenem Drehbuch, fußend auf umfangreichen Recherchen, vom Aufstieg und Einfluss von Hitlers Propagandachef Joseph Goebbels.
Robert Stadlober spielt Goebbels mit rheinischem Dialekt
Robert Stadlober spielt ihn mit rheinischem Dialekt und leichtem Humpeln als kühlen karrieristischen Narzissten. Wenn sich Hitlers Helfer zum Essen beim Führer treffen, buhlt man um dessen Gunst. Der Film thematisiert auch Goebbelsʼ Verhältnis zu seiner Frau Magda (Franziska Weisz) und seinen Liebschaften. »Ich plane einen Krieg, und mein Propagandaminister ist verliebt«, sagt Hitler (Fritz Karl) einmal, und in der Menschlichkeit von Langs Nazis liegt das Monströse.
Führer und Verführer springt in Spotlights durch die Jahre 1938 bis 1945 und blickt aus Goebbelsʼ Augen auf das Geschehen. Er war es, der den Führermythos in die Welt brachte, der die Bilder und damit die Menschen manipulierte. Nach dem »Anschluss« Österreichs etwa bereitete er Hitler einen Empfang mit Millionen jubelnden Berlinern in der Hauptstadt. Sogar die scheinbar spontane Übergabe von Blumen durch ein Mädchen wurde zuvor geübt. Zu sehen ist im Film auch die Premiere von Leni Riefenstahl Propagandafilm Olympia. »Was wahr ist, bestimme ich«, raunt Goebbels einmal.
Dass Stadlober zu Beginn fast nur in Zitaten zu sprechen scheint, lässt an Langs Metafilm Mackie Messer – Brechts Dreigroschenfilm denken. In dem Film, in dem er Teile von Brechts Dreigroschenoper verfilmte und von dem Prozess um die Leinwandadaption von 1931 erzählte, lässt er den Autor ausschließlich rezitieren. Doch was dort Brecht ein Stück weit zu einem Abziehbild degradierte, steht in Führer und Verführer im Dienste des Aufklärungsauftrags, weil gerade dadurch die – zwar sachliche – Gemachtheit seines eigenen Films thematisiert wird.
Montage verschiedener kinematografischer Ebenen
Vollends auf geht Langs Konzept, wenn er verschiedene kinematografische Ebenen montiert. Eine starke Sequenz etwa ist, als Goebbels sich auf seine berüchtigte Rede im Berliner Sportpalast 1943 vorbereitet, in der er das Volk nach der Niederlage in Stalingrad auf den »totalen Krieg« einschwört. Zu sehen sind Ausschnitte der tatsächlichen Rede, vom filmischen Reenactment und den Proben von Stadlobers Goebbels vor dem Spiegel.
Immer wieder bricht die Realität herein, wird die aus Täterperspektive erzählte Narration durch die Erinnerungen von Überlebenden und Zeitzeugen sowie dokumentarische Bilder, auch von Leichen oder Erschießungen, Realität.
Dass Lang Drastisches nicht scheut, provoziert Fragen nach der Moral der Darstellung und den Grenzen des Zeigbaren. Dennoch ist, mit Blick auf den Rechtsruck vielerorts, auf demokratiefeindliche Parteien wie die AfD oder Antidemokraten wie Donald Trump, mit Blick darauf, dass Menschen digitalen Demagogen verfallen oder sich eigene krude Wirklichkeiten aufbauen, Führer und Verführer ein wichtiger Film zur richtigen Zeit.