Inspiriert von wahren Begebenheiten – wenn Filme bereits mit einem solchen Hinweis beginnen, dann signalisiert das vor allem eines, und zwar Authentizität. Zugleich imprägnieren sich ihre Macher, in diesem Fall die jordanische Regisseurin Darin J. Sallam, präventiv gegen mögliche Kritik.
Und mit einer solchen müssen Filmschaffende selbstverständlich rechnen, wenn sie sich auf politisch brisantes Terrain wagen. Bei Farha – übrigens mit Geldern aus Schweden und Saudi-Arabien finanziert – sind das die Ereignisse rund um die »Nakba«, also die Flucht und Vertreibung vieler Palästinenser anlässlich der militärischen Auseinandersetzungen im Umfeld der Staatswerdung Israels.
DORF Aber der Reihe nach. Farha beginnt mit Idylle pur, man könnte fast schon von orientalisierendem Ethno-Kitsch sprechen. In einem pittoresken Dorf irgendwo im Palästina des Jahres 1948 erleben die Zuschauer, wie die gleichnamige 14-Jährige unter Feigenbäumen wissbegierig Bücher verschlingt, mit ihrer besten Freundin teenagerhafte Zukunftspläne schmiedet und sich gegenüber ihrem Vater, einem benevolenten Patriarchen und Dorf-Muhtar, mit ihrem Wunsch durchsetzt, in der Stadt eine Schule besuchen zu dürfen. Kurzum, alles könnte so schön werden.
Doch plötzlich bricht die Katastrophe über das Dorf herein, was sich erst einmal nur akustisch andeutet. Man hört Artillerie und Maschinengewehre ballern, dann folgen Panik und Verwirrung. Frauen und Kinder fliehen, Männer agieren hilflos. Auch Farha soll das Dorf verlassen, weigert sich aber, woraufhin ihr Vater sie zu ihrem eigenen Schutz in den Vorratsraum einsperrt. »Ich komme wieder«, verspricht er seiner Tochter.
Dass der Film trotz dieser eklatanten Mängel gefeiert wird und als Oscar-Anwärter in der Kategorie »Bester internationaler Film« gilt, spricht Bände über den Kunstbetrieb.
Damit beginnt der eigentlich dramatische Teil von Farha. Aus ihrem Verlies heraus wird Farha Zeugin, wie eine israelische Militärpatrouille in das Dorf einfällt und eine ganze Familie auslöscht, die hilflos und auf der Flucht auf dem Anwesen ihrer Eltern gestrandet ist. Und diese Szenen haben es in sich. Durch Spalten in der Tür und einem kleinen runden Fenster verfolgt sie das blutige Geschehen. Zuerst drangsalieren die Soldaten die Flüchtlinge, wobei der Frau, die gerade ein drittes Kind zur Welt gebracht hat, von einer Israelin die Ohrringe abgerissen werden, die selbstverständlich in die eigene Tasche wandern.
SÄUGLING Daraufhin streckt eine Salve die Flüchtlinge alle nieder, darunter zwei kleine Mädchen. Nur der Säugling wird nicht erschossen. »Töte es«, befiehlt der Offizier, den übrigens eine auffällig große Nase ziert, einem Soldaten. »Aber verschwende keine Munition.« Erst überlegt dieser, das Baby mit einem Stiefeltritt ins Jenseits zu befördern, bekommt aber Skrupel. Er bedeckt es mit einem Taschentuch und überlässt das Neugeborene so seinem Schicksal. Nach dem Abzug der Patrouille versucht Farha verzweifelt, sich aus ihrem Versteck zu befreien und den wimmernden Säugling zu retten, was ihr nicht gelingt. Bald ist er tot, Fliegenschwärme kreisen über dem Leichnam.
»Kindermörder Israel« – so lautet denn auch die platte Botschaft des Films. Dabei ist es nicht die Thematisierung der »Nakba« als solcher, die sich als problematisch erweist, sondern die Machart. Die Israelis werden derart eindimensional präsentiert, dass sie wie plumpe Karikaturen einer brutalisierten Soldateska auftreten, eine Kontextualisierung der Handlung findet zu keinem Moment statt. Und die Tatsache, dass Farha sich eine quälend lange Zeit in einem Vorratsraum verbergen muss, weckt Assoziationen an Juden, die sich ebenfalls vor ihren Mördern verstecken mussten, Anne Frank lässt grüßen.
Genau das alles soll wohl eine atmosphärische Dichte erzeugen, was aber schon deshalb nicht gelingt, weil Farha irgendwie nur völlig sinnbefreit durch den dunklen Kellerraum stolpert. Auch ist die Schauspielerin schlichtweg überfordert mit der Rolle. Dass der Film trotz dieser eklatanten Mängel gefeiert wird und als Oscar-Anwärter in der Kategorie »Bester internationaler Film« gilt, spricht Bände über den Kunstbetrieb.