Vor knapp einem Jahr war der »Weihnachtssketch« von Eretz Nehederet (das israelische »Saturday Night Live«) ein heiserer Lacher in traumatischen Zeiten: Die Harry-Potter-bebrillten, Hamas-liebenden, Juden-hassenden, »propalästinensischen« Elitestudenten treten eine Zeitreise an, um im Jahr null der christlichen Zeitrechnung in einem Stall in Bethlehem Mirjam/Maria und Josef darüber aufzuklären, dass sie keine Juden, sondern Palästinenser seien – und ihr Baby natürlich auch. Wohl auch wegen des Gastauftritts von Stranger Things-Star Brett Gelman ist der Clip sogar auf Englisch.
»Juden kommen erst in 1948 Jahren in dieses Land«, weist Gelman die verwirrten jungen Eltern in seiner Rolle als Berkeley-Professor zurecht. »Als Kolonialmacht!«, ergänzt seine pinkhaarige, nasengepiercte Studentin.
Elf Monate und ein fulminantes Antisemitismus-Comeback später entblöden sich ganz reale Menschen mit Internetanschluss, es ihnen gleichzutun.
Grund ist der diesjährige Weihnachtsfilm vom Streamer Netflix über das Leben von Mirjam/Maria. Sie wissen schon, die Nachfahrin von Awraham und König David. Mary, der am 6. Dezember anläuft, macht die unfreiwillig und ganz ohne Körperkontakt zum Kind gekommene Jungfrau zur Superheldin, die erst um das eigene Leben kämpft – schließlich wurden untreue Frauen früher gesteinigt – und dann um das Leben ihres neugeborenen Sohnes, dem ein alter König, der aussieht wie Anthony Hopkins, das junge Leben nehmen will, weil der Prophezeiung nach das Kind König anstelle des Königs werden solle.
Alles so weit actionreich-feministisch-kinotauglich.
Alles so weit actionreich-feministisch-kinotauglich. Doch hat Regisseur D. J. Caruso, der bisher vor allem mit Shia LaBeouf und Vin Diesel krawallige Spannung gedreht hat, unglaublicherweise die Rollen von Maria und Josef mit israelischen Schauspielern besetzt.
Genauer gesagt mit Noa Cohen und Ido Tako. »Es war uns wichtig, dass Mary und die meisten unserer Hauptdarsteller aus Israel stammen, um die Authentizität zu gewährleisten«, sagte Caruso jüngst im Gespräch mit dem US-Magazin »Entertainment Weekly«.
Und plötzlich sind wir mittendrin in der Realversion des Eretz Nehederet-Klamauks. Nur dass die Israel- und Judenhasser ihre Empörung noch mit »Genozid«-Vorwürfen garnieren. Die Darstellerwahl sei »teuflisch«, heißt es in den sozialen Medien. Die Hauptrollen hätten mit »Christen aus dem Nahen Osten« besetzt werden müssen. Die Entscheidung für israelische Schauspieler sei eine politische. Das Ganze müsse – natürlich – boykottiert werden. Und nein, das sind nicht nur einsame Schreie nach Aufmerksamkeit, ein Videopost hat bereits 1,7 Millionen Ansichten gesammelt. Und nein, leider scherze ich nicht.
Also, noch mal ganz langsam und ausführlich, wenn man dem neutestamentarischen Narrativ schon unbedingt folgen möchte: Keine Juden, kein Jesus! Oder wie mein Steuerberater angesichts »propalästinensischer« Aktivisten einmal sagte: »Go, read a book.«