Kanzleramtschef Wolfgang Schmidt hat von der Kulturszene mehr Mitgefühl für alle Leidtragenden von Konflikten gefordert. »Antisemitismus ist keine Kunst, Menschenfeindlichkeit ist keine Kunst«, sagte Schmidt am Dienstagabend in Berlin in Vertretung für den kurzfristig verhinderten Kanzler Olaf Scholz (beide SPD) während der Veranstaltung »Kultur und Demokratie« im Kanzleramt.
»Künstlerinnen und Künstler werden zur Zielscheibe von Israelfeindlichkeit und Antisemitismus«, sagte Schmidt unter Verweis auf jüngste Vorfälle im Museum Hamburger Bahnhof oder während der Berlinale-Gala. » In einer Demokratie darf man Kritik äußern und natürlich auch Kritik an der Politik des einen oder anderen Staates«, sagte Schmidt. »Aber darf man den Terrorangriff der Hamas einfach ausblenden oder unerwähnt lassen?« Schmidt sprach sich für mehr Differenziertheit und Mitgefühl mit allen Leidtragenden dieses und anderer Konflikte aus.
Kultur der Demokratie
Kunst verbinde innerhalb einer Gesellschaft. Derzeit wirkten durch zahlreiche Konflikte Fliehkräfte, die eine neue Definition von Zusammenhalt und Solidarität in einer diverseren Gesellschaft notwendig machten. Es müsse an einer Kultur des Respekts, der Verantwortung gearbeitet werden.
Diese könne aber nicht normativ verordnet, sondern müsse gelernt werden. Dabei müsse aus Kultur in der Demokratie eine Kultur der Demokratie werden, so Schmidt. Dabei müssten Kunst und Kultur sicher sein vor staatlichen Eingriffen, »gerade wenn sie provoziert«.
Vielfalt und klare Grenzen
Eingeladen zur Veranstaltung hatte Kulturstaatsministerin Claudia Roth (Grüne). Nach ihren Worten soll Kultur sichere Räume schaffen für Unterschiede, Differenzen, Gemeinsamkeiten bei gegenseitigem Respekt. Notwendig sei ein Rahmen, »der unterschiedliche Perspektiven und Vielfalt zulässt, der aber auch klare Grenzen setzt, wenn es in den Bereich von Hass und Hetze« gehe.
So müsse dem Boykott israelischer Künstler bei internationalen Veranstaltungen entschieden entgegengewirkt werden. Wo Menschenwürde angegriffen werde, ende die Kunst- und Meinungsfreiheit. »Auch staatlich geförderte Kulturinstitutionen und Kuratoren stehen in der Verantwortung, wenn es darum geht, Antisemitismus, Rassismus und jede Form von Diskriminierung, von gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit zu bekämpfen«, sagte Roth.
Orte des Humanismus
Die Autorin Sasha Marianna Salzmann verwies auf ein aktuelles gesellschaftliches Klima, das die Beteiligten auseinandertreibe. »Das nutzt nur den Gegnern der Demokratie.« Kunst und Kultur seien Orte des Humanismus.
Mit Blick auf besondere Militärausgaben des Bundes forderte Salzmann ebenfalls 100 Milliarden Euro in Kunst, Kultur und die Bildung junger Menschen zu stecken. »Was wäre das für ein Land der Dichter und Denker«, so die Schriftstellerin. dpa