Hören!

»Kalyma«

Zierlich und mädchenhaft erscheint sie auf den ersten Blick, ihr Temperament aber zeigt sich, wenn sie von ihrer Musik erzählt. Es sind Lieder aus dem Gulag, die Noëmi Waysfeld ausgegraben hat. »Das war eine Langspielplatte meiner Eltern, damals gab es noch keine CDs«, erzählt sie. »Dina Vierny hat diese Lieder aufgenommen. Um 1960 traf sie die ersten Heimkehrer aus dem Gulag, hörte deren Lieder. Dina erkannte ihren einzigartigen Wert, sie lernte sie auswendig und nahm sie 1975 in Paris auf.«

authentisch Acht dieser Lieder singt die junge französische Sängerin auf ihrer CD Kalyma, benannt nach einem berüchtigten sowjetischen Zwangsarbeitslager. »Das ist so leidenschaftlich, dafür bewundere ich die Russen, für dieses slawische Feuer«, sagt sie. »Das Jiddisch, der Soul, die Leidenschaft und gleichzeitig die Lakonie: Man weint und lacht, ist glücklich, unglücklich zugleich, aber man gibt nicht auf.«

Begleitet wird Waysfeld von dem Kontrabassisten Antoine Rozenbaum, dem Akkordeonisten Thierry Bretonnet sowie dem Gitarristen und Oud-Spieler Florent Labodinière, der die Arrangements ausarbeitet. 2008 fand sich das Quartett mit dem unprätentiös jiddischen Blick auf das, was sie mit der Unschuld ihrer Jugend »den Blues des Gulag« nennen, zusammen. Den vier gemeinsam ist der unorthodoxe Zugriff auf die Themen. Ihre Universitäten waren neben Meisterklassen auch die Straßen. Das spürt man in den frischen Arrangements.

Da findet sich neben bitteren Walzern und wehmütigen Erinnerungen an die Heimat auch das Lied Hochzeit der Lesbierinnen, denn auch weibliche Homosexualität wurde in der UdSSR mit Deportation bestraft. In dem Lied beschwört eine Frau den Wert der Wahrheit. Auch in Noëmi Waysfelds modern verspielten, eindringlichen Interpretationen geht es um Authentizität, die die Sängerin mit ihrem samtenen Alt ihren Zuhörern ganz sinnlich vermittelt.

Noëmi Waysfeld & Blik: »Kalyma«. AWZ Records, Paris 2012

Programm

Termine und TV-Tipps

Termine und Tipps für den Zeitraum vom 20. Februar bis zum 27. Februar

 21.02.2025

Berlinale

»Das verdient kein öffentliches Geld«

Der Berliner CDU-Fraktionschef Dirk Stettner hat seine Karte für die Abschlussgala zerrissen – und will die Förderung für das Filmfestival streichen

von Ayala Goldmann  21.02.2025

Bayern

NS-Raubkunst: Zentralrat fordert schnelle Aufklärung

Der Zentralrat der Juden verlangt von den Verantwortlichen im Freistaat, die in der »Süddeutschen Zeitung« erhobenen Vorwürfe schnell zu klären

 20.02.2025

Kolumne

Unentschlossen vor der Wahl? Sie sind in guter Gesellschaft – mit Maimonides

Der jüdische Weise befasste sich mit der Frage: Sollten wir als Kopfmenschen mit all unserem Wissen auch bei Lebensentscheidendem dem Instinkt vertrauen?

von Maria Ossowski  20.02.2025

Berlin

Eine krasse Show hinlegen

Noah Levi trat beim deutschen Vorentscheid für den Eurovision Song Contest an. In die nächste Runde kam er nicht, seinen Weg geht er trotzdem

von Helmut Kuhn  20.02.2025

NS-Unrecht

Jüdische Erben: »Bayern hat uns betrogen« - Claims Conference spricht von »Vertrauensbruch«

Laut »Süddeutscher Zeitung« ist der Freistaat im Besitz von 200 eindeutig als NS-Raubkunst identifizierten Kunstwerken, hat dies der Öffentlichkeit aber jahrelang verheimlicht

von Michael Thaidigsmann  20.02.2025

Literatur

»Die Mazze-Packung kreiste wie ein Joint«

Jakob Heins neuer Roman handelt von einer berauschenden Idee in der DDR. Ein Gespräch über Cannabis, schreibende Ärzte und jüdischen Schinken

von Katrin Richter  20.02.2025

Berlinale

Auseinandergerissen

Sternstunde des Kinos: Eine Doku widmet sich David Cunio, der am 7. Oktober 2023 nach Gaza entführt wurde, und seinem Zwillingsbruder Eitan, der in Israel auf ihn wartet

von Ayala Goldmann, Katrin Richter  19.02.2025

Berlin

»Sind enttäuscht« - Berlinale äußert sich zu Antisemitismus-Skandal

»Beiträge, die das Existenzrecht Israels infrage stellen, überschreiten in Deutschland und auf der Berlinale eine rote Linie«, heißt es in einer Erklärung des Festivals

von Imanuel Marcus  19.02.2025