Sie ist die einzige Universität in Deutschland, die ohne einen Pfennig staatlicher Mittel gegründet wurde: die Johann-Wolfgang-Goethe-Universität in Frankfurt am Main. Die Eröffnung der heute mit mehr als 45.000 Studierenden bundesweit drittgrößten Universität am 18. Oktober 1914 ist engagierten Bürgern meist jüdischer Herkunft zu verdanken.
Sie prägten den liberalen Charakter der jüngsten Hochschule des Deutschen Kaiserreichs. Erstmals in Deutschland erhielten in Frankfurt jüdische Wissenschaftler Professorenstellen. Auch Katholiken und Sozialisten wurden berufen, denen an anderen Hochschulen der Zugang verwehrt war.
Am Samstag fand – auf den Tag genau 100 Jahre nach der Eröffnung der Universität – an geschichtsträchtiger Stelle in der Frankfurter Paulskirche der zentrale Festakt statt. Ehrengast war Bundespräsident Joachim Gauck, der in einer Ansprache vor über 900 geladenen Gästen über bildungspolitische Perspektiven in Deutschland sprach. Auch der hessische Ministerpräsident Volker Bouffier, Frankfurts Oberbürgermeister Peter Feldmann sowie Universitätspräsident Werner Müller-Esterl würdigten die Goethe-Universität.
Mäzene Am Samstagabend feiert die Uni ihren 100. Geburtstag auf dem Campus Westend mit einer Party und einem großen Feuerwerk. Das Studentenwerk Frankfurt übergab der Universität ein Geburtstagsgeschenk: eine Torte in Form des markantesten Gebäudes der Hochschule, des IG-Farben-Hauses. Um 21 Uhr wurde rund um das IG-Farben Gebäude ein 15-minütiges Jubiläumsfeuerwerk gezündet.
Auch die Hochschule für Jüdische Studien Heidelberg (HfJS) wird bei ihrer Semestereröffnung und Absolventenfeier am kommenden Mittwoch auf die jüdische Geschichte der Frankfurter Goethe-Universität Bezug nehmen. In seinem Festvortrag wird Salomon Korn, Vorsitzender des Kuratoriums der HfJS und Vizepräsident des Zentralrats der Juden in Deutschland, über das Thema »Vom Ghetto zur Universität – Jüdisches Mäzenatentum in Frankfurt am Main« sprechen.
Projekte Den Boden für die Universitätsstiftung hatte dem Frankfurter Historiker Notker Hammerstein zufolge die jüdische Tradition begründet, den Zehnten für die Armen aufzubringen. »Die Bürger jüdischer Herkunft fühlten sich meist nicht als Juden, sondern als Frankfurter, die einen Teil ihres Vermögens dem Gemeinwohl zur Verfügung stellen wollten.« Insbesondere der Gründer der Frankfurter Metallgesellschaft AG, Wilhelm Merton, war getrieben von dem Anliegen, die soziale Frage praktisch und wissenschaftlich zu beantworten, und rief dazu Stiftungen ins Leben, so Hammerstein.
Mit den Feierlichkeiten am Samstag endet das Jubiläumsjahr der Goethe-Universität, das geprägt war von zahlreichen Veranstaltungen und Projekten, die die jüdischen Gründer, Stifter und Wissenschaftler der Universität würdigten. So gibt es etwa die von Studenten erarbeitete Ausstellung »36 Stifter für eine Idee«, in der die jüdischen Mäzene der Uni vorgestellt werden. Sie ist noch bis zum 26. Oktober im PA-Gebäude, Campus Westend, zu sehen.
Aus einem Symposium, das im Mai stattfand – veranstaltet von der Universität, der Jüdischen Gemeinde Frankfurt, dem Jüdischen Museum sowie der Judaica- und Hebraica-Abteilung der Universitätsbibliothek –, soll eine Buchveröffentlichung hervorgehen. Und ein, ebenfalls von Studenten produziertes, Radiofeature befasst sich mit Professoren und Dozenten der Frankfurter Universität, die nach 1933 entlassen wurden, ins Exil gehen mussten oder von den Nationalsozialisten ermordet wurden. ja (mit epd)