»Aufgrund der hohen Gefährdungseinstufung seitens Polizei und lokaler Behörden hat die Solomon R. Guggenheim Foundation entschieden, das BMW Guggenheim Lab nicht am ursprünglich vorgesehenen Standort im Berliner Stadtteil Kreuzberg stattfinden zu lassen.« Seit die New Yorker Stiftung vergangene Woche mit dieser Mitteilung die Öffentlichkeit überraschte, wird heftig über die Entscheidung debattiert.
Worum geht es bei dem Streit? Das »BMW Guggenheim Lab«, das die Guggenheim-Stiftung – 1937 vom amerikanischen Kunstmäzen Solomon R. Guggenheim gegründet – zusammen mit dem bayerischen Autokonzern veranstaltet, ist als mobiles Forschungslabor für Vorträge, Veranstaltungen und Ausstellungen über die »Zukunft des Lebens in der Stadt« konzipiert. Im Herbst startete es in New York, am 24. Mai wollte Guggenheim in Berlin seine Zelte aufschlagen.
Brache Doch ob das »Lab« wirklich in Berlin Station macht, ist jetzt fraglich. Als Standort hatten sich die Veranstalter eine Brachfläche in Kreuzberg im umstrittenen »Mediaspree«-Entwicklungsgebiet ausgeguckt. Als Anfang März das Projekt der Öffentlichkeit vorgestellt wurde, protestierten örtliche Mietergruppen und Aktivisten. Sie kritisieren das Projekt als Beispiel und Motor für Gentrifizierungsprozesse, also die Verdrängung sozial schwacher Mieter, und haben Vorbehalte gegen den Autohersteller.
In der Guggenheim-Pressemitteilung ist die Rede von »Drohungen gegen das Projekt«. Man könne »das Risiko gewalttätiger Übergriffe nicht eingehen«, hieß es, die Stiftung müsse »in erster Linie die Sicherheit der Mitarbeiter und Teilnehmer« gewährleisten. Berlins Regierender Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD) sah ein »renommiertes Zukunftsprojekt« durch »plumpe Drohungen« zum Rückzug gezwungen, Innensenator Frank Henkel (CDU) bezeichnete die Kritiker als »Chaoten«, die ein »Standortrisiko für Berlin« seien.
Im »Tagesspiegel« hieß es: »Zum ersten Mal kapituliert ein renommiertes Projekt vor den Protesten von Linksextremisten.« Alan Posener kommentierte in der »Welt«: »Sich gegen einen johlenden deutschen Mob zu wehren, danach stand der jüdischen Stiftung nicht der Sinn.« Ulf Poschardt sah gar »linke Blockwarte« am Werk, die sich »Nazi-Methoden« bedienten.
Kritik Die Kritiker hingegen dementierten, sie hätten zu Gewalt aufgerufen. Der Sprecher des Landeskriminalamtes betonte, bei einer »Gefährdungsbewertung« sei man lediglich auf »diverse(n) Websites« mit in »recht scharfen Worten« formulierter Kritik gestoßen. Angriffe gegen Personen seien nicht zu befürchten, man halte es aber für wahrscheinlich, dass es zu Sachbeschädigungen und Störungen komme.
Tatsächlich richteten sich die Proteste vor allem gegen BMW. Wolle der Autokonzern sein Image verbessern, postulieren die Kritiker, solle er sich endlich seiner Geschichte von Zwangsarbeit und Arisierung stellen und die Gewerkschaftskritik am Einsatz von Leiharbeitern ernst nehmen.
Der Journalist Hajo Schumacher versteht die Proteste: »Die Menschen müssen nicht jeden Firlefanz mitmachen, den sich berlinbesoffene Immobilien-, Marketing- und Wachstumsstrategen ausdenken.« »Freitag«-Herausgeber Jakob Augstein beglückwünschte die Protestierenden: »Sie haben verhindert, dass ein unwürdiges Theater in ihrem Bezirk eine Bühne findet.« Grüne, Linke und Piraten wollen im Abgeordnetenhaus über den genauen Inhalt der polizeilichen Gefahreneinschätzung diskutieren. Klaus Wowereit bemüht sich derweil um Alternativstandorte in anderen Bezirken.