Es gibt Dinge neben dem Willy-Brandt-Flughafen, der S-Bahn und der Bundesliga, die in Berlin noch gelingen. So zum Beispiel das Zentrum Jüdische Studien (ZJS), das am Mittwochabend mit einem Festakt im Leibniz-Saal der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften eröffnet wurde.
Das Zentrum, das seinen Sitz in der Sophienstraße nahe dem Hackeschen Markt hat, wird von der Kulturtheoretikerin Christina von Braun koordiniert. Das Gemeinschaftsprojekt, das von der Humboldt-Universität, der Freien Universität, der Technischen Universität, der Universität Potsdam, dem Abraham Geiger Kolleg und dem Moses Mendelssohn Zentrum betreut wird, wird in den kommenden fünf Jahren vom Bundesministerium für Bildung und Forschung mit 6,9 Millionen Euro gefördert.
vielfalt Die Förderung wird unter anderem in den akademischen Nachwuchs, in Gastprofessuren und in rabbinische Ausbildung fließen. »Erforscht werden sollen Berlin als Ort der jüdischen Emanzipation und der jüdischen Geschichte in den vergangenen 200 Jahren, der Trialog zwischen Judentum, Christentum und Islam sowie Erinnerungskulturen«, sagte Christina von Braun.
Bundesforschungsministerin Annette Schavan (CDU) betonte in ihrer Eröffnungsrede, dass sich die Region Berlin-Brandenburg als wissenschaftlicher Standort bestens für ein solches Zentrum eigne, denn hier »gab und gibt es die größte Vielfalt jüdischen Lebens in Deutschland«.
Es sei wichtig, dass »bekenntnisneutrale« und religiöse Wissenschaften eng zusammenarbeiteten. Besonders die junge Generation würde von einem solchen Zentrum profitieren. Eine Konkurrenz zur Hochschule für Jüdische Studien in Heidelberg (HfJS) solle sich allerdings, wenn es nach Schavan geht, nicht entwickeln. Das ZJS solle ein neuer Partner für Heidelberg werden, betonte die Ministerin und wünscht sich einen regen Austausch und eine enge Kooperation zwischen Berlin und Heidelberg.
Auch der HfJS-Prorektor Johannes Heil möchte, dass die beiden Institute in ihrer Zusammenarbeit aufeinander zugehen. Das ZJS müsse offen für alle Strömungen bleiben, forderte er in Hinblick auf eine geplante Professur für jüdisches Recht, die sich auf nichtorthodoxe Strömungen beschränken solle.
Das Zentrum geht auf eine Empfehlung des Wissenschaftsrates zurück. Demnach sollten Einzelprofessuren und kleine Institute möglichst zu einem Verbund zusammengeführt werden. Susannah Heschel, Professorin am Dartmouth College, die in ihrem Festvortrag die Frage »Warum Jüdische Studien?« behandelte, nannte die Eröffnung des ZJS einen besonderen Moment für jüdische Wissenschaft.
Die Einrichtung müsse sich allerdings überlegen, welchen Ansatz sie verfolgen möchte. Heschel stammt aus einer chassidischen Gelehrtenfamilie und beschäftigt sich in ihrer Forschung unter anderem mit der Rolle jüdischer Wissenschaftler bei der Begründung der Islamwissenschaften im Europa des 19. Jahrhunderts.
weltreligionen »Das europäische Judentum spielt in der Geschichte Europas eine zentrale Rolle«, sagte Schavan kürzlich in einem Interview mit der Jüdischen Allgemeinen. »Neben den anderen großen Weltreligionen soll auch das Judentum in Deutschland einen festen Platz in der Wissenschaft haben.«
Bei den Partnern seien beste Voraussetzungen für eine gelingende interdisziplinäre Zusammenarbeit der relevanten Fächer gegeben, sagte Schavan. Neben der Bündelung und Vernetzung wissenschaftlicher Aktivitäten in Studium und Lehre werde durch Gastprofessuren und Fellows der internationale Austausch mit Wissenschaftlern verstärkt.
Das Projekt, das an einem kalten Wintermorgen im Jahr 2010 beschlossen wurde, wie sich der Präsident der FU Berlin, Peter-André Alt, in seiner Rede erinnerte, biete Nachwuchswissenschaftlern ein breites interdiszilinäres Feld. Auch seine Kollegen von der HU, TU und der Potsdamer Uni waren ob dieses »großen Projektes«, wie Annette Schavan das Zentrum nannte, erfreut. Damit schließe sich ein Kreis in Berlin. (mit epd)