Beuth-Hochschule für Technik

Judenhasser im Staatsdienst

Ich trage einen großen Namen: Noch prangt im Wedding der von Peter Beuth. Foto: imago

Die Beuth-Hochschule für Technik im Berliner Stadtteil Wedding diskutiert über den Antisemitismus ihres Namenspatrons. Achim Bühl, Professor für Soziologie der Technik am Fachbereich für Wirtschafts- und Gesellschaftswissenschaften, ist im vergangenen Jahr auf Dokumente gestoßen, die belegen, dass Peter Beuth einen selbst für seine Zeit beispiellosen Antisemitismus vertrat.

Christian Peter Wilhelm Friedrich Beuth (1781–1853) gilt als Vater der preußischen Gewerbeförderung. Er bekleidete von 1801 bis 1845 verschiedene Positionen im preußischen Staatsdienst, war Mitglied im Staatsrat und diente zuletzt als Geheimer Oberfinanzrat.

Um Studenten, Lehrkräfte und weitere Interessierte über den aktuellen Kenntnisstand in den Nachforschungen zu Beuths Antisemitismus zu informieren, lud der Dekan des Fachbereichs Wirtschafts- und Gesellschaftswissenschaften, Werner Ullmann, vergangene Woche zu einer Informationsveranstaltung ein. Dort stellte zunächst Achim Bühl die Ergebnisse seiner Recherchen zu Beuth vor und setzte sie in einen historischen Zusammenhang. Bühls zentrales Anliegen war es, die besondere Härte von Beuths Antisemitismus im Kontext der damaligen Zeit darzustellen.

Eisenmenger So nimmt Beuth in Reden mehrfach positiven Bezug auf Johann Andreas Eisenmenger (1654–1704), einen der zentralen Wegbereiter des modernen Antisemitismus, und führt ihn als Quelle für Ritualmord- und Hostienfrevel-Legenden an, die bis ins 16. Jahrhundert verbreitet wurden. Beuth beruft sich in einer seiner Reden auf den Berliner »Hostienschänderprozess« von 1510, in dessen Folge 39 Juden auf dem Scheiterhaufen verbrannt und weitere aus dem Land vertrieben wurden, obwohl bereits 30 Jahre später bekannt wurde, dass es sich um einen Schauprozess gehandelt hat.

Zu Beuths Zeit wurden solche Legenden von der Mehrheit der Intellektuellen längst als Falschdarstellungen betrachtet und fanden kaum noch Erwähnung. Beuth trug also dazu bei, diese Legenden wieder salonfähig zu machen, erklärte Bühl.
Zudem war Beuth ab 1811 Mitglied der neu gegründeten Deutschen Tischgesellschaft, deren bekannteste Mitglieder die Schriftsteller Achim von Arnim und Clemens Brentano sowie die Philosophen Johann Gottlieb Fichte und Friedrich Schleiermacher waren. Die Ausrichtung der Deutschen Tischgesellschaft war stark von antifranzösischem Patriotismus geprägt und bereits in ihren Statuten antisemitisch.

Bühl erklärte, dass sich Beuth und Adam Heinrich Müller im Streit darüber, ob getaufte Juden der Deutschen Tischgesellschaft beitreten dürfen, gegen Achim von Arnim durchsetzten. Obwohl dieser ebenfalls ein glühender Antisemit war, habe er den neuartigen biologisch-rassistischen Antisemitismus, den Beuth vertrat, nicht geteilt. Der Antisemitismus der Tischgesellschaft war zwar bekannt, jedoch bezogen sich entsprechende Publikationen meist ausschließlich auf die prominenteren Mitglieder wie von Arnim und Brentano.

Beuth kombinierte diese neue Form des Antisemitismus mit klassischem christlichen Antijudaismus und leitete daraus einen Vernichtungswunsch ab. So bezeichnete Beuth in einer seiner Reden das Verbluten von jüdischen Babys nach einer Beschneidung als »wünschenswerte Folge«. Auch setzte er Juden mit Schweinen gleich und bezichtigte Christen, die sexuelle Beziehungen zu Juden eingingen, der Sodomie.

Staatsrat Des Weiteren geht aus einem von der Hochschule in Auftrag gegebenen Gutachten der Historiker Jörg Rudolph und Christian Schölzel hervor, dass Beuth nicht nur vor der Deutschen Tischgesellschaft antisemitische Reden gehalten hat, sondern zudem seine Position im Staatsrat und als Ministerialbeamter nutzte, um gegen die Bestrebungen zur Gleichstellung der Juden in Preußen vorzugehen. Da er bis zu seinem Tod nicht von dieser Position abwich, lässt Beuths Biografie keine Trennung der Person von ihrem rigiden Antisemitismus zu, erklärte Achim Bühl und sprach sich deshalb deutlich für eine Namensänderung der Hochschule aus.

In der darauffolgenden Podiumsdiskussion gab es Einigkeit darüber, dass Beuth kein passender Namenspatron für die Berliner Hochschule ist. Drei Professoren der Hochschule, Susanne Junker, Matthias Schmidt und Dieter Gloede, waren gemeinsam mit Malte Arns, dem Vorsitzenden des AStA, und Itai Böing von der Jüdischen Gemeinde zur Diskussion geladen. Da die dargestellten Ansichten Beuths einen so extremen Antisemitismus innehatten, gab es jedoch keine wirkliche Kontroverse. Die Teilnehmer legten verschiedene Gründe, moralische, ökonomische und politische, dar, aus denen sie sich für eine Umbenennung aussprechen.

In der anschließenden offenen Fragerunde äußerte die Präsidentin der Hochschule, Monika Gross, den Wunsch, nicht wie in Greifswald Jahrzehnte über eine Umbenennung zu streiten, sondern dies binnen eines Jahres durchzusetzen. (Die Universität Greifswald konnte zum 1. Juni nach einem über 20 Jahre andauernden Streit den Antisemiten Ernst Moritz Arndt aus ihrem Namen streichen.) Dies gehe jedoch nur, wenn man durch niedrigschwellige Information alle Studenten und Dozenten von dieser Maßnahme überzeugen könne.

Widerstand Bühl fand diesen Wunsch der Präsidentin problematisch, da auch die Beuth-Hochschule nicht frei von Antisemitismus sei und Studenten Flyer zu der Informationsveranstaltung wieder eingesammelt oder zerrissen hätten, weshalb er mit Widerstand gegen eine Umbenennung rechnet.

Die Technische Fachhochschule Berlin wurde erst neun Jahre zuvor in Beuth-Hochschule für Technik umbenannt. Da erst die Nachforschungen von Achim Bühl Beuths Antisemitismus in vollem Umfang bekannt machten, konnte die Hochschulleitung glaubhaft darlegen, dass sie selbst von diesen Erkenntnissen völlig überrascht wurde. Dies wirft die Frage auf, warum die antisemitische Gesinnung vieler deutscher Intellektueller immer noch so unbekannt ist. Der Fall Beuth zeigt erneut, dass das systematische Verschweigen und die Verschleierungen von Antisemitismus in den Biografien beendet und durch Aufklärung ersetzt werden müssen.

Wolfenbüttel

Buch von jüdischem Sammler an Erben übergeben

Vom Raubgut zur Schenkung: Ein Buch aus der Sammlung des Juden Benny Mielziner wurde an dessen Erben zurückgegeben. Und bleibt nun trotzdem öffentlich in der Herzog-August-Bibliothek

von Raphael Schlimbach  02.04.2025

Osnabrück

Neue Bilder werfen neues Licht auf jüdischen Maler Felix Nussbaum

Das Nussbaum-Haus erhielt die Bilder von Maryvonne Collot, einer Nachfahrin der mit Nussbaum befreundeten Familie Giboux-Collot aus Brüssel

 02.04.2025

Antisemitismus

Gert Rosenthal: »Würde nicht mit Kippa durch Neukölln laufen«

Die Bedrohung durch Antisemitismus belastet viele Jüdinnen und Juden. Auch Gert Rosenthal sieht die Situation kritisch - und erläutert, welche Rolle sein Vater, der Entertainer Hans Rosenthal, heute spielen würde

 01.04.2025

Berlin

Hans Rosenthal entdeckte Show-Ideen in Fabriken

Zum 100. Geburtstag des jüdischen Entertainers erzählen seine Kinder über die Pläne, die er vor seinem Tod noch hatte. Ein »Dalli Dalli«-Nachfolger lag schon in der Schublade

von Christof Bock  01.04.2025

Künstliches Comeback

Deutschlandfunk lässt Hans Rosenthal wiederaufleben

Der Moderator ist bereits 1987 verstorben, doch nun soll seine Stimme wieder im Radio erklingen – dank KI

 01.04.2025

Interview

Günther Jauch: »Hans Rosenthal war ein Idol meiner Kindheit«

Der TV-Moderator über den legendären jüdischen Showmaster und seinen eigenen Auftritt bei »Dalli Dalli« vor 42 Jahren

von Michael Thaidigsmann  01.04.2025

Jubiläum

Immer auf dem Sprung

Der Mann flitzte förmlich zu schmissigen Big-Band-Klängen auf die Bühne. »Tempo ist unsere Devise«, so Hans Rosenthal bei der Premiere von »Dalli Dalli«. Das TV-Ratespiel bleibt nicht sein einziges Vermächtnis

von Joachim Heinz  01.04.2025

TV-Legende

Rosenthal-Spielfilm: Vom versteckten Juden zum Publikumsliebling

»Zwei Leben in Deutschland«, so der Titel seiner Autobiografie, hat Hans Rosenthal gelebt: Als von den Nazis verfolgter Jude und später als erfolgreicher Showmaster. Ein Spielfilm spürt diesem Zwiespalt nun gekonnt nach

von Katharina Zeckau  01.04.2025

Geschichte

»Der ist auch a Jid«

Vor 54 Jahren lief Hans Rosenthals »Dalli Dalli« zum ersten Mal im Fernsehen. Unser Autor erinnert sich daran, wie wichtig die Sendung für die junge Bundesrepublik und deutsche Juden war

von Lorenz S. Beckhardt  01.04.2025 Aktualisiert