Wuligers Woche

Juden* mit Sternchen

Jalta heißt eine neue jüdische Publikation, deren erste Ausgabe im April erschienen ist. Die halbjährlich erscheinende Zeitschrift will, so das Editorial, versuchen, »Sensibilität für neue Narrative, andere Perspektiven und Positionierungen zu entwickeln«, und ein Forum für »emanzipatorische Politik« sein. Ob das gelungen ist, müssen Berufenere entscheiden. (Ich empfehle Chajm Guskis exzellente Rezension auf seinem Blog www.sprachkasse.de.)

Ein großes historisches Verdienst aber hat Jalta sich bereits erworben. Das Periodikum hat es geschafft, endlich ein jahrzehntealtes gesellschafts- und kulturpolitisches Dilemma zu lösen: nämlich die genderneutrale Bezeichnung der Kinder Israels.

Binnen-I Das Problem treibt fortschrittliche Menschen seit den 80er-Jahren um. Damals wurde das bis dahin übliche generische Maskulinum als frauendiskriminierend entlarvt. Deshalb wurde das Binnen-I eingeführt. Statt zum Beispiel von »Autoren« oder »Lesern« sprach und schrieb man jetzt von »AutorInnen« und »LeserInnen«. Bei denen funktionierte das auch. Bei den Juden weniger gut.

»JüdInnen« hatte, wie der Sprachkritiker Hermann Gremliza feststellte, den Nachteil, dass der männliche Part der so Bezeichneten, »der Jüd« im Singular beziehungsweise »die Jüden« im Plural, Begriffe sind, die so seit der späten Neuzeit (»Die Jüden aber schrien«, heißt es in Bachs Johannes-Passion) nicht mehr verwendet werden, außer heute noch im kölschen Dialekt, und dort nicht immer unbedingt nett gemeint.

Das Binnen-I wurde – warum auch immer – im Laufe der Jahre durch den Unterstrich ersetzt – »Autor_innen« und »Leser_innen«. Die Schwierigkeit mit den »Jüd_innen« blieb. Man musste sich mit einem konventionellen »Jüdinnen und Juden« behelfen. Erst seit im progressiven Sprach- und Schreibgebrauch an die Stelle des Unterstrichs vor einiger Zeit ein *Sternchen getreten ist, also »Autor*innen« und »Leser*innen«, ist jetzt auch das jüdische Genderdilemma gelöst.

Speziesismus? Nach anfänglichen Schwierigkeiten – im Editorial ist erst noch von »Juden und Jüdinnen« oder von »jüdischen Menschen« die Rede – haben die Jalta-Herausgeber*innen das Gendersternchen einfach an die Juden angehängt: »Das Sternchen schließt alle Gender ein«, dekretieren sie. So gibt es die Rubrik »Juden* und …« mit Beiträgen etwa zu »Juden* und Hunden«. (Die Hunde kriegen kein Gendersternchen. Ist das nicht Speziesismus?) Nur Mitherausgeber Micha Brumlik scheint sich dem Trend zu verweigern. Er schreibt unbesternt über »Juden, Judentum und Rechtspopulismus«. Altersstarrsinn? Brumlik ist Jahrgang 1947.

Glückwunsch jedenfalls den laut Eigenbeschreibung »aufmerksamen Beobachter*innen, Kritiker*innen und Gestalter*innen« der Jalta-Redaktion. Dank dem Stern wird keiner mehr diskriminiert. Früher war das umgekehrt.

Glosse

Der Rest der Welt

Minimalistisch oder altersgerecht: in Worten fünfundvierzig

von Katrin Richter  23.02.2025

Aufgegabelt

Gulasch mit Paprika und Kartoffeln

Rezepte und Leckeres

von Ruth Raber  23.02.2025

Berlinale-Preisverleihung

Ohne Israelhass geht es nicht

Der gute Wille war da bei der neuen Festivalleitung, doch auch bei der Verleihung der Bären am Samstagabend kam es zu anti-israelischen Aussetzern

von Sophie Albers Ben Chamo  22.02.2025

Berlin

Berlinale gedenkt Opfers des Angriffs am Holocaust-Mahnmal

Am Vorabend wurde ein spanischer Tourist von einem syrischen Flüchtling, der Juden töten wollte, mit einem Messer angegriffen

 22.02.2025

Programm

Termine und TV-Tipps

Termine und Tipps für den Zeitraum vom 20. Februar bis zum 27. Februar

 21.02.2025

Berlinale

»Das verdient kein öffentliches Geld«

Der Berliner CDU-Fraktionschef Dirk Stettner hat seine Karte für die Abschlussgala zerrissen – und will die Förderung für das Filmfestival streichen

von Ayala Goldmann  21.02.2025

Berlin

Wladimir Kaminer verkauft Wohnung über Facebook

Mit seiner Partyreihe »Russendisko« und vielen Büchern wurde Wladimir Kaminer bekannt. Für den Verkauf einer früheren Wohnung braucht er keinen Makler

 20.02.2025

Bayern

NS-Raubkunst: Zentralrat fordert schnelle Aufklärung

Der Zentralrat der Juden verlangt von den Verantwortlichen im Freistaat, die in der »Süddeutschen Zeitung« erhobenen Vorwürfe schnell zu klären

 20.02.2025

Kolumne

Unentschlossen vor der Wahl? Sie sind in guter Gesellschaft – mit Maimonides

Der jüdische Weise befasste sich mit der Frage: Sollten wir als Kopfmenschen mit all unserem Wissen auch bei Lebensentscheidendem dem Instinkt vertrauen?

von Maria Ossowski  20.02.2025