In Ödipus Ratlos erscheint Woody Allen seine Mutter als übermächtige Gestalt am Himmel, während Frank Zappa in seinem umstrittenen Song »Jewish Princess« das gleichnamige Stereotyp besang. Zwischen jiddischer Mamme und verwöhnter Prinzessin: Geht es um die jüdische Frau, dann zeigt allein schon die Bandbreite an Klischees, welche unterschiedlichen Rollen diese einnehmen kann. Ebendiese Rollen standen im Mittelpunkt der Tagung »Frau und jüdisch«, organisiert von der Bildungsabteilung im Zentralrat der Juden, die vom 18. bis zum 20. Februar in Frankfurt am Main stattfand.
Fast 150 Frauen und eine Handvoll Männer diskutierten drei Tage lang über die Bedeutung der Frau im Judentum, die sich je nach religiöser Strömung ganz unterschiedlich darstellt. Für Doron Kiesel, wissenschaftlicher Direktor der Bildungsabteilung, ist sie gar »das zentrale Unterscheidungskriterium zwischen den verschiedenen Strömungen«.
Synagoge Am deutlichsten werden die Unterschiede in der Synagoge: Herrscht in der Orthodoxie im Gottesdienst Geschlechtertrennung, ist diese im konservativen oder liberalen Ritus aufgehoben. Hier können wiederum auch Frauen das Amt des Rabbiners bekleiden, was in orthodoxen Synagogen undenkbar wäre. Für die Historikerin Rachel Heuberger wäre es dennoch ein Fehler, daraus auf die Stellung der Frau in der Orthodoxie zu schließen: »Ich denke, dass die Rolle der Frau im orthodoxen Judentum unterschätzt wird, weil sie im Rahmen der Synagoge keine sichtbare Rolle spielt.« Tatsächlich aber würden Frauen in der Gemeinde, im Haus und in der Familie andere wichtige Funktionen erfüllen.
Zudem modernisiere sich auch die Orthodoxie: Mittlerweile gebe es weltweit orthodoxe Schulen für Frauen, in denen diese den Talmud studieren könnten – was ihnen lange Zeit verboten war. Für Charlotte Elisheva Fonrobert von der Stanford-Universität entwickeln diese Schulen eine ganz eigene Dynamik: »Sie schaffen eine neue weibliche Öffentlichkeit, in der sich neue Möglichkeiten kollektiven weiblichen Selbstverständnisses ergeben, die gar im Egalitären etwas verloren gehen.«
Neugier Diese eigene Dynamik konnte auch auf der Tagung beobachtet werden: Auf die Fachvorträge von Wissenschaftlerinnen wie Hanna Liss von der Hochschule für Jüdische Studien Heidelberg oder Ellen Presser vom Kulturzentrum der Israelitischen Kultusgemeinde München reagierten die Tagungsteilnehmerinnen mit sehr persönlichen Reflexionen über ihre Rollen in der Gemeinde. So fasste etwa eine Zuhörerin zusammen, was viele im Saal auf ähnliche Weise zum Ausdruck brachten: »Unsere Generation hatte eben keinen Religionsunterricht, keine entsprechenden weiblichen Vorbilder – wie also sollen wir etwas an unsere Töchter weitergeben?«
Diesen Einwand ließ Rabbinerin Elisa Klapheck vom Egalitären Minjan in Frankfurt nicht gelten: »Wir haben vor 20 Jahren auch aus dem Nichts begonnen. Man kann mit dem Lernen auch erst einmal im eigenen Wohnzimmer anfangen.« Klapheck selbst führte der Drang, ihre Religion zu kennen, ins Rabbinatsamt: »Ich wollte aus der Tora lesen, ich wollte vorlesen, ich wollte die Bracha, den Segensspruch, dazu sagen. Ich wollte diese Tradition wirklich ausüben.«
So unterschiedlich die Überlegungen und Erfahrungen zur Rolle der Frau im Judentum sind, so groß war die Neugier der Teilnehmerinnen aus den unterschiedlichen Strömungen aufeinander. Schon eingangs hatte Sabena Donath, Leiterin der Bildungsabteilung, betont, dass es nicht um eine Konkurrenz der Traditionen, eine Hierarchie der Strömungen oder gar einen abwertenden Blick geht. Vielmehr berührten Fragen zur Stellung der Frau im Judentum ganz grundsätzliche Probleme der jüdischen Gemeinschaft: »Wir Frauen, Mütter oder Nichtmütter, sind tatsächlich mit solchen Fragen konfrontiert: Wie soll unsere jüdische Gemeinschaft erhalten bleiben? Und was ist dabei meine Aufgabe als Frau?«
Spannung Das Nachdenken über die Position der Frau ist dabei kein Phänomen der Moderne: Schon die Tora wirft die Frage nach dem Verhältnis der Geschlechter auf. So betonte die Sozialwissenschaftlerin Fonrobert auf der Tagung: »Die Tora stellt bereits an den Anfang das Nachdenken über die Beziehung der Geschlechter und schafft ein Spannungsverhältnis, ohne es aufzulösen.« In jene Spannung könnten Frauen ihre Wurzeln schlagen und die Tradition von innen heraus umkrempeln. So habe es das Judentum schon immer verstanden, auf gesellschaftliche Entwicklungen zu reagieren. Das zeige nicht zuletzt die aktuelle Diskussion in den USA, bei der nach der Frauenfrage nun die Stellung von Homosexuellen und Transgender im Judentum in den Fokus rücke.
Mehr als deutlich machte die Tagung insgesamt, welche unterschiedlichen weiblichen Lebensentwürfe existieren – für Rabbinerin Gesa Ederberg aus Berlin ein Glücksfall: »Wir sind in der glücklichen Situation im 21. Jahrhundert, dass wir uns entscheiden können, wo wir uns innerhalb des jüdischen Spektrums verorten.« Das Ergebnis sei eine fantastische Vielfalt: »Es gibt eben nicht die Rolle der Frau im Judentum, es gibt zig Rollen von ganz unterschiedlichen Frauen in ganz verschiedenen Judentümern.«