Die Welt kennt ihn als Theatermacher, als Stückeschreiber, Regisseur, gelegentlich auch als Schauspieler, zeitweilig sogar als Intendanten. George Tabori, der Brite mit ungarischer Muttersprache, der in Wien lebte, war wahrscheinlich die interessanteste Autorität auf den deutschsprachigen Bühnen. Dabei stand dem Theatermann Tabori das Schreiben, die Literatur, mindestens ebenso gleichwertig zur Seite.
In unregelmäßigem Abstand hat der Steidl-Verlag nach seinem Tod im Jahr 2007 die Romane Taboris neu aufgelegt, die sich oftmals am Kriminalroman, auch am »film noir« der 40er-Jahre orientieren. Gefährten zur linken Hand von 1946 gehört zu diesen Entdeckungen. Das Buch erzählt von den Erfahrungen eines Autors, der sich im Kriegssommer 1943 in einem kleinen italienischen Ort an der Adria einquartiert und mit der Dramaturgie des Krieges konfrontiert wird.
Schon mit seinem Erstling Das Opfer, der noch während des Krieges in England und Amerika erschien, landete Tabori einen Überraschungscoup. 1936 war der ungarische Jude Tabori emigriert, und ausgerechnet er machte jetzt einen Major der deutschen Besatzungsmacht in Jugoslawien zum Ich-Erzähler. Das sorgte für Empörung vor allem bei der amerikanischen Kritik. Tabori hatte diesen Roman während des Krieges in Istanbul geschrieben, wo er als Zeitungskorrespondent und zugleich für den britischen Geheimdienst tätig war.
Dialektisch Sich selbst bezeichnete Tabori gerne im selben Atemzug als notorischen Lügner, pathologischen Frauenfreund, lebensmüden Greis oder unverbesserlichen Sonnyboy. Sein Leben: abenteuerlich, als wäre es eines seiner Werke. Etwa Tod in Port Aarif, ebenfalls die Frucht von Erfahrungen, die der Autor als Offizier der britischen Armee in Jerusalem und Kairo gesammelt hatte. Ähnlich wie im Roman Ein guter Mord (1947) beschrieb Tabori hier den Einfluss des Klimas auf die Energie des Menschen. Ventilatoren und Insektenvertilger spielen keinen geringen Part in diesem Nahost-Roman.
Im selben Jahr, 1947, emigrierte Tabori in die USA. Dort versuchte er sich als Novellist, Drehbuchschreiber und Theatermacher. Zeitweise war er Mitarbeiter von Bertolt Brecht, der sich damals vergeblich mühte, in Hollywood Fuß zu fassen, und dessen Denkmuster und dialektischer Witz immer wieder auch in Taboris Texten auftauchen.
leben und tod Natürlich ging es auch in den frühen Romanen Taboris um die zentralen existenziellen Themen, um Probleme der Geschichtsphilosophie, um Materialismus und Moral, vor allem aber immer wieder um Leben und Tod. Der Theatermann Tabori war bei dieser Themenskala auf der Bühne meistens stärker mit sich im Einklang als im Roman. Als Augenzeuge des Jahrhunderts, in dem ein Großteil seiner Familie von den Nazis ermordet wurde, fühlte sich Tabori besonders dem Auschwitz-Thema verpflichtet.
Etwa 20 Arbeiten schrieb er für das Theater, von seinen zahlreichen Inszenierungen ganz zu schweigen. Er arbeitete mit Chaplin, Beckett, Hitchcock, Joseph Losey, Anatol Litvak und Elia Kazan. 1968 kam er nach Berlin und inszenierte am Schiller-Theater sein wohl bekanntestes Stück Die Kannibalen. Wien, München, Salzburg oder Budapest, wo Tabori vor 100 Jahren zur Welt kam – all diese großen Theaterstädte haben ihn als Autor und Regisseur erlebt. Meist boten seine Arbeiten exakt das, was dem zeitgenössischen Theater oft fehlt: Witz, Persönlichkeit, Schwung und jenes Gran Unberechenbarkeit, das dem Bühnenerlebnis Tabori erst Würze verlieh.