Tourende Legenden

Jeff Lorber: Chemiker an den Tasten

Jeff Lorber kommt nach Europa. Der jüdische Keyboarder gehört zu den Jazz-Funk-Pionieren auf diesem Planeten. Foto: picture alliance / ASSOCIATED PRESS

Man nehme eine Großpackung gekonnte Jazz-Improvisation auf weißen und schwarzen Tasten, mehrere Kilo kreative Energie, drei Esslöffel Funk-Elemente und einen Vorratsbeutel voller überzeugender Kompositionen. Alle Zutaten werden bei hoher Temperatur in einem Topf miteinander vermengt.

Das Ergebnis entfaltet aber erst seine bestechende Wirkung, wenn es von einem begabten Akteur mit mehr als sechs Jahrzehnten Erfahrung umgesetzt wird. Am besten klingt es, wenn der Pianist Jeff Lorber heißt und weitere brillante Kollegen mitbringt. Sechs Konzerte des Jeff Lorber Trios sind in diesem Herbst allein in Deutschland geplant.

Inspiration Problemlos kann der Amerikaner Lorber als einer der Väter zweier Sub-Genres des Jazz bezeichnet werden, nämlich Jazz-Funk und Fusion. Als junger Bandleader wurde er von deren Großvätern inspiriert, darunter Herbie Hancock und Chick Corea. Mit der Zeit war es dann niemand geringerer als Lorber selbst, der ebenso viel Inspiration verbreitete.

Externer Inhalt

An dieser Stelle finden Sie einen externen Inhalt, der den Artikel anreichert. Wir benötigen Ihre Zustimmung, bevor Sie Inhalte von Sozialen Netzwerken ansehen und mit diesen interagieren können.

Mit dem Betätigen der Schaltfläche erklären Sie sich damit einverstanden, dass Ihnen Inhalte aus Sozialen Netzwerken angezeigt werden. Damit können personenbezogene Daten an Drittanbieter übermittelt werden. Dazu ist ggf. die Speicherung von Cookies auf Ihrem Gerät nötig. Mehr Informationen finden Sie hier.

Jeff Lorber begann im Alter von vier Jahren, Klavier zu spielen und machte schnell Fortschritte. Als Teenager dominierte das 1952 in eine jüdische Familie in Philadelphia hineingeborene Talent bereits diverse Funk-Bands auf der Bühne. Dann fand er sich am Berklee College of Music wieder - einer der besten Adressen für angehende Star-Interpreten.

Es folgte ein aus heutiger Sicht überraschender Wechsel, der sowohl Lorbers Wohnort, als auch sein Studienfach betraf: An der Boston University studierte er allen Ernstes Chemie, ein Fach, das weder jazzy noch funky war. Ähnlich wie in seiner Musik ging es jedoch auch hier um die Vermengung von Elementen - und um Reaktionen.

Cowboys Die japanische Kampfsportart Aikido wollte er ebenfalls erlernen - und zwar ausgerechnet in Santa Fe. »Aber für einen jüdischen Jungen war dort der Kulturschock zu groß. Es gab zu viele Cowboys und Indianer, aber keine Jazz-Szene«, so Jeff Lorber unlängst in einem Interview. Also fuhr er kurzerhand weiter und landete zufällig in Portland.

Glücklicherweise entschied er sich, bei der Musik zu bleiben. Im Jahr 1977 erschien ein höchst interessantes Debüt-Album einer Formation, die sich Jeff Lorber Fusion nannte. Der Name war Programm. Eine erhebende Mischung aus Jazz und Funk spielte er auf unzähligen Tasteninstrumenten, darunter Klaviere, Fender Rhodes-Keyboards und Minimoogs.

Die Tatsache, dass das Ergebnis überwältigend war, hatte mit Jeff Lorbers Gabe zu tun - an den Tasten, aber eben auch im Bereich Komposition und Arrangement. Seine Bandmitglieder trugen entscheidend zum Erfolg der Jeff Lorber Fusion bei - darunter ein ebenfalls jüdischer Saxofonist und Flötist, der damals noch unter dem Namen Kenneth Gorelick bekannt war. Während er mit dem Kollegen Lorber Fusion erster Güte lieferte, metamorphosierte er später zum berühmt-berüchtigten Kitsch-Interpreten Kenny G - dies allerdings mit viel Erfolg.

Tendenz Sowohl mit der Formation als auch als Solo-Künstler liefert der heute 70-jährige Jeff Lorber seit 1977 qualitativ hochwertigen, zeitgenössischen Jazz mit deutlicher Funk-Tendenz sowie Fusion-Kompositionen, die zum Teil mit Gesang serviert werden. Als Produzent verhalf er auch der Sängerin Karyn White zu Erfolgen.

Externer Inhalt

An dieser Stelle finden Sie einen externen Inhalt, der den Artikel anreichert. Wir benötigen Ihre Zustimmung, bevor Sie Inhalte von Sozialen Netzwerken ansehen und mit diesen interagieren können.

Mit dem Betätigen der Schaltfläche erklären Sie sich damit einverstanden, dass Ihnen Inhalte aus Sozialen Netzwerken angezeigt werden. Damit können personenbezogene Daten an Drittanbieter übermittelt werden. Dazu ist ggf. die Speicherung von Cookies auf Ihrem Gerät nötig. Mehr Informationen finden Sie hier.

Lorbers 1982 aufgenommene Version von Ronnie Laws’ »Always There« ist ebenso umwerfend wie sein Klassiker »Lift Off« von seinem Debütalbum von 1977, der Funk-Kracher »Monster Man« vom klassischen Album »Galaxian« sowie seine neueren Sounds - inklusive der instrumentalen Ballade »Timmendorfer By The Sea« seiner jüngsten Formation Jazz Funk Soul, deren Name ebenfalls Programm ist. Bei dem Stück handelt es sich offensichtlich um eine musikalische Liebeserklärung an das Strandparadies Timmendorfer Strand in Schleswig-Holstein. Ja, auch außerhalb von Kalifornien oder Massachusetts gibt es Strände.

Dass er nun mit einer weiteren Band durch Europa touren wird, nämlich dem Jeff Lorber Trio, dürfte auch mit Terminkonflikten einiger Kollegen zu tun haben, die in Amerika in der Regel mit auf der Bühne stehen. Auf dem alten Kontinent wird Lorber von zwei weiteren Koryphäen begleitet, nämlich dem Schlagzeuger Sonny Emory, der einst mit Earth, Wind & Fire, Joe Sample und Bobby Lyle spielte, sowie dem Bassisten Jimmy Haslip, der Teil der Yellowjackets war. Wer alle Musikerkollegen auflisten wollte, mit denen Emory, Haslip oder Lorber kooperiert haben, müsste das gesamte Telefonbuch von Los Angeles abschreiben.

Tour Die Europa-Tour führt das Jeff Lorber Trio nach Italien, Tschechien, Schweden, Großbritannien und Spanien. Im deutschsprachigen Raum stehen laut Booking-Agentur Just Jazz folgende Termine:

19. Oktober 2023: Berlin, A-Trane
22. Oktober 2023: Wien, Porgy & Bess
2. November 2023: Köln, Jazz Club King Georg
4. November 2023: Minden, Jazzclub
5. November 2023: Neuhardenburg, Schloss
7. November 2023: Rostock, Ursprung
8. November 2023: Dresden, Jazztage

Jeff Lorber wäre nicht Jeff Lorber, wenn er nicht zuvor noch in Texas, Georgia, Kalifornien, Florida und in Tokyo auftreten würde. Have a good trip, Jeff! See you at the A-Trane!

Film

Der Wandel des »Ka-Tzetnik«

Eine Doku widmet sich dem Schoa-Überlebenden Yehiel De-Nur und seiner Auseinandersetzung mit dem »Planeten Auschwitz«

von Dietmar Kanthak  12.03.2025

Nachruf

Peggy Parnass ist tot

Ihr Leben widmete sie dem Kampf gegen Ungerechtigkeit, Intoleranz und das Vergessen. Jetzt ist die Autorin und Holocaust-Überlebende Peggy Parnass in ihrer Wahlheimat Hamburg gestorben

von Carola Große-Wilde  12.03.2025

New York

Billy Joel verschiebt Tour wegen Operation und Physiotherapie

Fans müssen länger auf den nächsten Auftritt des »Piano Man« warten. »Die Gesundheit hat Vorrang«, sagt der 75-jährige Jude

 12.03.2025

In eigener Sache

Zachor!

Warum es uns besonders wichtig ist, mit einer Sonderausgabe an Kfir, Ariel und Shiri Bibas zu erinnern

von Philipp Peyman Engel  11.03.2025 Aktualisiert

Schauspiel

Zweiflerin aus Zürich

Deleila Piasko war in David Haddas jüngster TV-Serie zu sehen. Ein Porträt

von Tilman Salomon  10.03.2025

Medizin

Der Seuchen-Pionier

Vor 100 Jahren starb August von Wassermann, einer der Begründer der modernen Immunologie

von Benjamin Kuntz  11.03.2025 Aktualisiert

Kulturkolumne

Hat Kunst je eine Katastrophe verhindert?

Nachgefragt bei Kubrick und Zweig

von Sophie Albers Ben Chamo  09.03.2025

Jüdisch-israelische Kulturtage

»Kleine Synagoge« zeigt Werke von Daniela Bromberg

Daniela Bromberg ist eine Erfurter Künstlerin, die sich in ihrem Werk mit der Thora, dem Chassidismus und ethischen Fragen auseinandersetzt

 09.03.2025

Restitution

Potsdam-Museum gibt zwölf in der NS-Zeit enteignete Bücher zurück

Günther Graf von der Schulenburg stieß auf die Bücher in der Lost Art-Datenbank des Deutschen Zentrums Kulturgutverluste

 09.03.2025