Man nehme eine Großpackung gekonnte Jazz-Improvisation auf weißen und schwarzen Tasten, mehrere Kilo kreative Energie, drei Esslöffel Funk-Elemente und einen Vorratsbeutel voller überzeugender Kompositionen. Alle Zutaten werden bei hoher Temperatur in einem Topf miteinander vermengt.
Das Ergebnis entfaltet aber erst seine bestechende Wirkung, wenn es von einem begabten Akteur mit mehr als sechs Jahrzehnten Erfahrung umgesetzt wird. Am besten klingt es, wenn der Pianist Jeff Lorber heißt und weitere brillante Kollegen mitbringt. Sechs Konzerte des Jeff Lorber Trios sind in diesem Herbst allein in Deutschland geplant.
Inspiration Problemlos kann der Amerikaner Lorber als einer der Väter zweier Sub-Genres des Jazz bezeichnet werden, nämlich Jazz-Funk und Fusion. Als junger Bandleader wurde er von deren Großvätern inspiriert, darunter Herbie Hancock und Chick Corea. Mit der Zeit war es dann niemand geringerer als Lorber selbst, der ebenso viel Inspiration verbreitete.
Jeff Lorber begann im Alter von vier Jahren, Klavier zu spielen und machte schnell Fortschritte. Als Teenager dominierte das 1952 in eine jüdische Familie in Philadelphia hineingeborene Talent bereits diverse Funk-Bands auf der Bühne. Dann fand er sich am Berklee College of Music wieder - einer der besten Adressen für angehende Star-Interpreten.
Es folgte ein aus heutiger Sicht überraschender Wechsel, der sowohl Lorbers Wohnort, als auch sein Studienfach betraf: An der Boston University studierte er allen Ernstes Chemie, ein Fach, das weder jazzy noch funky war. Ähnlich wie in seiner Musik ging es jedoch auch hier um die Vermengung von Elementen - und um Reaktionen.
Cowboys Die japanische Kampfsportart Aikido wollte er ebenfalls erlernen - und zwar ausgerechnet in Santa Fe. »Aber für einen jüdischen Jungen war dort der Kulturschock zu groß. Es gab zu viele Cowboys und Indianer, aber keine Jazz-Szene«, so Jeff Lorber unlängst in einem Interview. Also fuhr er kurzerhand weiter und landete zufällig in Portland.
Glücklicherweise entschied er sich, bei der Musik zu bleiben. Im Jahr 1977 erschien ein höchst interessantes Debüt-Album einer Formation, die sich Jeff Lorber Fusion nannte. Der Name war Programm. Eine erhebende Mischung aus Jazz und Funk spielte er auf unzähligen Tasteninstrumenten, darunter Klaviere, Fender Rhodes-Keyboards und Minimoogs.
Die Tatsache, dass das Ergebnis überwältigend war, hatte mit Jeff Lorbers Gabe zu tun - an den Tasten, aber eben auch im Bereich Komposition und Arrangement. Seine Bandmitglieder trugen entscheidend zum Erfolg der Jeff Lorber Fusion bei - darunter ein ebenfalls jüdischer Saxofonist und Flötist, der damals noch unter dem Namen Kenneth Gorelick bekannt war. Während er mit dem Kollegen Lorber Fusion erster Güte lieferte, metamorphosierte er später zum berühmt-berüchtigten Kitsch-Interpreten Kenny G - dies allerdings mit viel Erfolg.
Tendenz Sowohl mit der Formation als auch als Solo-Künstler liefert der heute 70-jährige Jeff Lorber seit 1977 qualitativ hochwertigen, zeitgenössischen Jazz mit deutlicher Funk-Tendenz sowie Fusion-Kompositionen, die zum Teil mit Gesang serviert werden. Als Produzent verhalf er auch der Sängerin Karyn White zu Erfolgen.
Lorbers 1982 aufgenommene Version von Ronnie Laws’ »Always There« ist ebenso umwerfend wie sein Klassiker »Lift Off« von seinem Debütalbum von 1977, der Funk-Kracher »Monster Man« vom klassischen Album »Galaxian« sowie seine neueren Sounds - inklusive der instrumentalen Ballade »Timmendorfer By The Sea« seiner jüngsten Formation Jazz Funk Soul, deren Name ebenfalls Programm ist. Bei dem Stück handelt es sich offensichtlich um eine musikalische Liebeserklärung an das Strandparadies Timmendorfer Strand in Schleswig-Holstein. Ja, auch außerhalb von Kalifornien oder Massachusetts gibt es Strände.
Dass er nun mit einer weiteren Band durch Europa touren wird, nämlich dem Jeff Lorber Trio, dürfte auch mit Terminkonflikten einiger Kollegen zu tun haben, die in Amerika in der Regel mit auf der Bühne stehen. Auf dem alten Kontinent wird Lorber von zwei weiteren Koryphäen begleitet, nämlich dem Schlagzeuger Sonny Emory, der einst mit Earth, Wind & Fire, Joe Sample und Bobby Lyle spielte, sowie dem Bassisten Jimmy Haslip, der Teil der Yellowjackets war. Wer alle Musikerkollegen auflisten wollte, mit denen Emory, Haslip oder Lorber kooperiert haben, müsste das gesamte Telefonbuch von Los Angeles abschreiben.
Tour Die Europa-Tour führt das Jeff Lorber Trio nach Italien, Tschechien, Schweden, Großbritannien und Spanien. Im deutschsprachigen Raum stehen laut Booking-Agentur Just Jazz folgende Termine:
19. Oktober 2023: Berlin, A-Trane
22. Oktober 2023: Wien, Porgy & Bess
2. November 2023: Köln, Jazz Club King Georg
4. November 2023: Minden, Jazzclub
5. November 2023: Neuhardenburg, Schloss
7. November 2023: Rostock, Ursprung
8. November 2023: Dresden, Jazztage
Jeff Lorber wäre nicht Jeff Lorber, wenn er nicht zuvor noch in Texas, Georgia, Kalifornien, Florida und in Tokyo auftreten würde. Have a good trip, Jeff! See you at the A-Trane!