Frau Zecher, Sie stellen in Berlin das »Great American Songbook« aus weiblicher Perspektive vor. Was genau ist das?
Das »Great American Songbook« umfasst alle Musik, die im 20. Jahrhundert geschrieben worden ist. Es war das goldene Zeitalter des Musiktheaters, als Leute auf den Straßen die Lieder sangen, die sie vorher gehört hatten. Dabei waren Musiker wie Rodgers und Hammerstein, George Gershwin oder Kern prägend.
Was fasziniert Sie daran?
Die Lieder dieser Ära begeistern mich generell durch ihre Geschichte, sie berühren mich ganz einfach.
Sie konzentrieren sich auf die Frauen des »Great American Songbook«. Warum?
Ich möchte die Arbeit der Frauen, die damals alle noch sehr jung waren, deswegen etwas herausheben, weil zu dieser Zeit niemand von einer Frau erwartet hatte, dass sie Musik schreibt. Ich werde von Dorothy Fields erzählen, deren Familie sehr in der Theater- und Musikwelt engagiert war. Ihre Brüder waren es, nur Dorothys Vater wollte nicht, dass seine Tochter in diesem Bereich arbeitet. Es soll nicht um Frau gegen Mann gehen, denn alle Frauen hatten männliche Mitstreiter. Wir hören nur viel seltener Musik von Frauen.
Wenn Sie ein Songbook für die Jetzt-Zeit erstellen müssten, wen würden Sie darin aufnehmen?
Es gibt viele wundervolle Komponisten, die mich ähnlich berühren, wie Jason Robert Brown, Jeff Blumenkrantz, Stephen Schwartz, Stephen Sondheim. Sie alle schreiben mit ihren Liedern gerade das American Songbook von heute. Und das Interessante ist: Sogar der Rockmusiker Rod Stewart hat in seinen letzten CDs Musik vom »Great American Songbook« genommen. Es ist also wichtig, dass die Musik zeitlos ist. Aber auch die Beatles gehören dazu, obwohl sie aus Großbritannien kommen. Also diese Art Musik, deren Melodien und Texte uns einfach berühren und die wir wieder und wieder singen – das wird immer modern sein.
Sie sind Rabbinerin. Was ist so interessant an der Arbeit mit Musik?
Es gibt einen Spruch, der lautet: Die, die singen, beten doppelt. Ich glaube, dass unsere Gebete und unsere Spiritualität durch die Musik viel weiter gelangen können. Es geht gar nicht darum, gut oder schlecht zu singen, denn jeder kann singen. In den frühen Tagen des Judentums haben wir unsere Gebete zur Musik gesprochen. Musik öffnet die Seelen. Egal, ob es die Musik des Gebetes oder die auf der Bühne ist.
Mit der Rabbinerin sprach Katrin Richter.
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